Bereit für die Zukunft!
Neuordnung der Ausbildungsberufe in der Systemgastronomie
von Daniela MüllerWas lange währte, wurde am Ende wirklich gut! Bereits 2014 fanden erste Vorgespräche für die Neuordnung der Ausbildungsordnungen aller gastgewerblichen Berufe zwischen den Arbeitgeberverbänden und -institutionen, dem Sozialpartner, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und den Industrie- und Handelskammern statt. Nun konnten die Beteiligten des Verfahrens das Mammutprojekt zu einem erfreulichen Abschluss bringen. Insbesondere die Systemgastronomie darf mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. So wird der zweijährige Ausbildungsberuf Fachkraft für Gastronomie künftig wahlweise mit den Schwerpunkten Systemgastronomie oder Restaurantservice ausgebildet. Und: Die neuen Ausbildungsverordnungen, die nun zum 1. August 2022 in Kraft treten, tragen dem differenzierteren, anspruchsvoller und digitaler gewordenen Arbeitsumfeld in den Betrieben Rechnung. Sie berücksichtigen, dass die Systemgastronomie mit der traditionellen Gastronomie zwar viel gemein hat, aber auch gravierende Unterschiede im Arbeitsalltag vorherrschen – eine Reform, die ohne Zweifel dringend notwendig war.
Prüfungsinhalte jetzt realitätsnah
Das findet auch Jörg Wiedemann, Senior Manager Human Resources/ Apprenticeship bei der McDonald’s Deutschland LLC, der als Sachverständiger an der Neuordnung direkt beteiligt war: »Für mich ist die Einführung der zweijährigen Berufsausbildung mit der Ausrichtung auf die Systemgastronomie ein ganz wichtiger Schritt nach vorne. Wir hatten ja bisher die Problematik, dass wir Fachkräfte im Gastgewerbe ausbilden konnten. Diese Ausbildung war aber sehr auf den klassischen Service bezogen. Die Inhalte, die da verlangt wurden, hatten sehr wenig mit der betrieblichen Praxis, wie wir sie etwa bei McDonald’s erleben, zu tun. Bei uns gibt es ja z. B. nicht den klassischen Tischservice.« Und so wurde vielen Betrieben der Systemgastronomie einerseits viel Kreativität bei der Vermittlung der Ausbildungsinhalte abverlangt und andererseits Azubis in Fertigkeiten trainiert, die im Arbeitsalltag keine Anwendung fanden. Damit soll nun endlich Schluss sein.
Aus schulischer Sicht sind natürlich die neuen Inhalte, insbesondere aber auch der neue systemgastronomische Schwerpunkt in der Prüfung, ein großer Fortschritt, bestätigt Claudia Letzner, Leiterin der gastronomischen Abteilung und Studiendirektorin an der Beruflichen Schule Kreis Pinneberg in Elmshorn: »Es ist eine Wertschätzung für die jungen Menschen aus der Systemgastronomie. Wenn sie die neuen Prüfungen lesen, werden sie wiedererkennen, was ihnen aus ihrem beruflichen Umfeld bekannt ist – das war bis dato nicht der Fall.«
Von Digitalisierung bis Diversität
Und nicht nur das. Die bisherigen Ausbildungsverordnungen stammen aus dem Jahr 1998. Seitdem hat sich die Welt rasend schnell verändert. Neue Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Diversität bewegen und verändern unsere Gesellschaft und insbesondere die Arbeitswelt fortlaufend. Auch in der Ausbildung sorgen sie nun für frischen Wind: Multikulturelle Kompetenzen, Verbraucherschutz, Hygienemanagement, die Arbeit mit digitalen Medien und Arbeitsmitteln – all das werden Azubis nun gemäß den neuen Ordnungen vermittelt bekommen.
Jörg Wiedemann,
Senior Manager HR/Apprenticeship,
McDonald’s Deutschland LLC.
Die Systemgastronomie gilt zu Recht auch als Branche der Chancen. Viele junge Talente steigen die Karriereleiter schnell nach oben, tragen früh Verantwortung. Dieser Tatsache werden die Inhalte nun ebenso gerecht: Die Fachleute für Systemgastronomie erwartet etwa im dritten Ausbildungsjahr u. a. eine inhaltliche Akzentuierung in den Bereichen Systemorganisation und -management, Personalprozesse sowie ihre kaufmännischen Kompetenzen betreffend. Arbeiten im Bereich Beschaffung und Marketing gehören ebenso zum modernisierten Berufsbild.
Flexibel bleiben dank gestreckter Abschlussprüfung
Neu eingeführt wird in allen dreijährigen Berufen eine sogenannte gestreckte Abschlussprüfung: »Der erste Teil der Prüfung findet im vierten Ausbildungshalbjahr statt. Das Ergebnis zählt für die Abschlussnote; die bisherige Zwischenprüfung entfällt. Der zweite Teil der Abschlussprüfung wird dann am Ende der Ausbildung durchgeführt. Das Endergebnis wird nach dem Absolvieren der letzten Prüfungsleistung aus Teil 1 und Teil 2 gebildet«, erklärt Peter Minrath, Bildungsberater und Leiter Fachkräftesicherung I Veranstaltungen bei der IHK Karlsruhe. Als Stellvertretender Sachverständiger der Kammern war er maßgeblich an den neuen Prüfungsordnungen beteiligt.
Besonders bemerkenswert: Die Abschlussprüfung der zweijährigen Ausbildungsberufe gilt dann jeweils als Teil 1 des darauf aufbauenden dreijährigen Berufes und kann bei Fortführung angerechnet werden. Das heißt, Fachkräfte für Gastronomie können im Anschluss an die abgeschlossene Berufsausbildung ganz unkompliziert noch das dritte Ausbildungsjahr zum Fachmann oder zur Fachfrau für Systemgastronomie absolvieren. »Diese Durchstiegsoption ist einfach klasse«, so Jörg Wiedemann. »Gerade nach Corona haben viele Bewerber etwa starke schulische Defizite. Auf diese Weise können wir Bewerber mit schwierigem Hintergrund abholen und ihnen eine Ausbildung mit IHK-zertifiziertem Abschluss anbieten. Und wenn wir sehen, da ist noch mehr Potenzial, kann darauf nun ganz einfach aufgebaut werden – inklusive der Anrechnung der Prüfungsleistungen.«
Ferner gibt es bei einigen Berufen eine Rückfalloption, wonach ein zweijähriger Berufsabschluss unter Umständen auch dann zuerkannt werden kann, wenn die Abschlussprüfung des dreijährigen Berufs nicht bestanden wurde.
Umsetzungshilfen erleichtern die Praxis
Damit auch alle Ausbilder und Berufsschullehrer in der Branche im August fit für so viele Neuerungen sind, bekommen sie rechtzeitig praktische Umsetzungshilfen für die einzelnen Berufe zur Verfügung gestellt. Darin wird für den Ausbilder – genau wie für die Führungskraft und den Azubi – anschaulich und anhand von konkreten praktischen Beispielen erläutert, wie die Inhalte des Ausbildungsrahmenplans vermittelt werden können. »Das ist wirklich ein gutes Kompendium, das allen Beteiligten den Einstieg sehr erleichtern wird«, ist sich Anita Milolaza vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sicher. Als Projektkoordinatorin hat sie die Neuordnung der gastgewerblichen Ausbildungsberufe intensiv begleitet und nicht selten vermittelt, wenn unterschiedliche Meinungen oder Interessen der beteiligten Parteien dies erforderlich machten. »Schlussendlich hat mich aber wirklich sehr beeindruckt, dass trotz aller notwendigen Diskussionen und Differenzen alle Beteiligten zu jeder Zeit immer ein gutes gemeinsames Endprodukt im Blick hatten«, so Anita Milolaza. Und das ist es am Ende auch geworden.
Peter Minrath
ist Bildungsberater und Leiter Fachkräftesicherung
bei der IHK Karlsruhe.
Peter Minrath resümiert: »Es ist für viele Ausbildungsbetriebe in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, geeignete junge Menschen für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Die Systemgastronomie hat gegenüber der klassischen Gastronomie den Vorteil, dass die meisten Betriebskonzepte junge Leute als Gäste ansprechen. Dieses Potenzial müssen die Unternehmen jetzt nutzen.«