Viele Wege führen zum Erfolg
Das Tiroler 5-Sterne-Haus Stanglwirt bietet seinen Gästen Luxus mit besonderem Touch
von Clemens KriegelsteinNur noch knapp zweieinhalb Monate sind es, bis im Tiroler Ort Going am Wilden Kaiser wieder Ausnahmezustand herrscht. Ende Januar, immer am Wochenende des legendären Hahnenkamm-Abfahrtsrennens in Kitzbühel, steigt nämlich schon seit den frühen 1990er-Jahren jeweils die kaum minder legendäre Weißwurstparty im Hotel Stanglwirt. Zahllose Feierwütige, ausnahmslos alle in Tracht, finden sich dann in dem 5-Sterne-Hotel rund zwölf Kilometer außerhalb Kitzbühels ein, zahlen mindestens 135 Euro Eintritt und können dafür Bier, Prosecco, alkoholfreie Getränke und natürlich Weißwürste samt Brezen konsumieren bis zum Abwinken. Auch Promis von Wladimir Klitschko über Niki Lauda bis hin zu Arnold Schwarzenegger zeigen sich hier regelmäßig, »und das aus Verbundenheit zum Haus und zur Party, ohne dass wir sie dafür bezahlen. Wenn wir Promis für ihr Erscheinen bezahlen müssten, wäre es nicht mehr authentisch«, wie Maria Hauser betont, die das Marketing des Hauses verantwortet.
Dabei war besagte Weißwurstparty kein Marketing-Gag, sondern ist dem Hausherren und Vater von Maria Hauser, Balthasar Hauser, eher »passiert«. 1992 hat ein befreundeter Metzger aus Bayern seine Weißwürste in der Gaststube im Stanglwirt spontan der österreichischen Ski-Nationalmannschaft zur Verkostung serviert. Es wurde ein recht geselliger Abend und die Wiederholung bald beschlossene Sache. Die Gästeliste wurde von Jahr zu Jahr länger, und heute tummeln sich an diesem Abend, für den alleine die Aufbauten zwei Wochen lang dauern, regelmäßig rund 2.500 Gäste im Stanglwirt. »Dabei haben wir vor ein paar Jahren schon die Notbremse gezogen, es waren schon mal weit über 3.000 Gäste hier, aber da war die Grenze einfach überschritten«, weiß Maria Hauser, die sich seit einigen Jahren die operative Geschäftsführung gemeinsam mit Schwester Elisabeth (Personal und Controlling), Bruder Johannes (Gastronomie und Landwirtschaft) sowie Direktorin Beatrix Moser aufteilt.
Bauer trifft Beckenbauer
Doch wer glaubt, die Weißwurstparty sei ein elitärer Promitreff, bei dem »Normalsterbliche« nichts verloren hätten, der irrt gewaltig. Ab Ende Oktober, also jeweils drei Monate vor der Party, sind die Karten ganz offiziell auf der Stanglwirt-Webseite für jedermann zu kaufen. Alles andere wäre auch nicht mit der Philosophie des Hauses zu vereinbaren. Denn als »Promi-Absteige« hat sich der Stanglwirt noch nie gesehen, trotz seiner langen Historie. Seit 1609 als Wirtshaus geführt, befindet sich der Betrieb seit 1722 durchgehend in Familienbesitz und seit über 50 Jahren unter der Leitung von Balthasar Hauser, der das Haus nach dem frühen Tod seiner Mutter schon als 19-Jähriger übernommen hat.
Sukzessive hat Hauser in den vergangenen Jahrzehnten den damaligen kleinen, familiären Gasthof in ein 5-Sterne-Biohotel mit riesigem Wellnessbereich, eigenem Reitstall samt Lipizzaner-Zucht, Fischerei, Schokoladen-Manufaktur, einer Landwirtschaft (deren Produkte natürlich im Hotel Verwendung finden) und, und, und ... verwandelt. Immer wichtig war Hauser dabei die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.
Schon seine Mutter war in den 1950er- und 60er-Jahren als singende Wirtin bekannt, bei der sich Stars wie Clark Gable oder Kaiserin Soraya von Persien in der damals winzigen Gaststube zwanglos unter die Einheimischen mischten, wenn sie auf Urlaub in der Gegend weilten. Selbst Bing Crosby soll das eine oder andere Duett mit Marias Großmutter gesungen haben. Und auch heute noch sitzt in der eigenen Gastwirtschaft schon mal ein lokaler Bauer neben Franz Beckenbauer bei einem Bier, und eine Runde Einheimischer spielt Karten am Nebentisch von Fürst Albert von Monaco.
»Bei uns gibt es keine Kluft zwischen dem Landgasthof und dem Luxushotel. Die prominenten Persönlichkeiten, die bei uns einkehren, suchen die zwanglose Atmosphäre und wollen nicht nur abgeschieden im Elfenbeinturm sitzen«, weiß Maria Hauser. Nicht zuletzt könnten Schwarzenegger & Co. ihre Aufenthalte hier deshalb genießen, weil die restlichen Gäste deren Privatsphäre akzeptierten und nicht ständig mit Autogramm- oder Selfie-Wünschen vorstellig würden.
Integration in die Natur
»Mein Vater war immer ein Visionär«, erklärt Maria Hauser im HOGAPAGE-Gespräch. »Er wollte ein Haus mit den Materialien der Umgebung gestalten, also hauptsächlich Holz und Stein, als diese Form des Bauens noch keinen Menschen interessiert hat.« Damals habe man versucht, »modern« mit Glas, Beton und Stahl zu bauen. »Wenn irgendwo ein alter Heustadel abgerissen wurde und mein Vater gefragt hat, ob er das alte Holz haben kann, haben ihn die Bauern verständnislos angeschaut und waren froh, dass sie sich nicht um die Entsorgung kümmern mussten.« Dieser Wunsch, den Betrieb so weit wie möglich in die Natur zu integrieren, geht so weit, dass sogar das Dach der Tennishalle (Maria Hauser: »Kennen Sie ein normales Tennishallen-Dach, das optisch gut aussieht?«) begrünt wurde – und auf dieser Wiese jetzt Schafe weiden. Schon von der Statik her kein leichtes Unterfangen, wenn man das Gewicht bedenkt, das Erde, Schafe, Regenwasser oder Schnee im Winter ergeben.
Balthasar Hauser wollte das ganze Hotel immer so gestalten, wie man sich ein persönliches Ferienhaus in dieser Größe einrichten würde, wo man private Gäste gepflegt empfängt. Der Stil ist dadurch immer wichtiger als die reine Funktion. Nicht umsonst sind weiße Möbelstoffe und
weiße Teppiche in der Hotellerie in den Zimmern nicht extrem verbreitet. Beim Stanglwirt jedoch entsteht so der Eindruck von Sauberkeit. Im Gegenzug laufen die Waschmaschinen im Akkord. Bis zu drei Tonnen Wäsche fallen hier pro Tag (!) an.
Ausschließlich direkt buchbar
Rund 170 Zimmer und Suiten, teils mit eigener Sauna oder offenem Kamin, beherbergt der Stanglwirt heute. Bei einer Auslastung von 90 Prozent im Jahr – seit über 250 Jahren gab es hier keinen Ruhetag mehr – zahlen die Gäste (davon 80 Prozent Stammgäste) durchschnittlich 200 Euro pro Tag auf Basis Übernachtung/Frühstück. Eine klassische Skifahrer-Jause, die im Zimmerpreis mit eingerechnet ist, gibt es beim Stanglwirt nicht. Denn die Gäste sollen nur das bezahlen, was sie auch konsumieren möchten, und nicht einen Snack zu sich nehmen, nur weil er kostenlos ist, obwohl sie gar nicht hungrig sind. »Transparente und ehrliche Preisgestaltung« nennt Maria Hauser dieses Konzept, das auch erklärt, warum der Stanglwirt bis heute kein Mitglied bei einer Marketingorganisation, man nicht mal über einschlägige Portale wie booking.com buchbar ist. Denn auch deren Provision müsste man dann auf die eigenen Preise aufschlagen. Maria Hauser: »Natürlich kann man uns schon online buchen, aber eben nur über die eigene Hotel-Homepage.«
Aber auch für den Stanglwirt fallen die Gäste nicht von den Bäumen – Eigeninitiative ist auch bei einem der bekanntesten Hotels Österreichs gefragt. Ein professioneller Social-Media-Auftritt (85.000 Fans bei Facebook und 35.000 Fans bei Instagram) mit vielen Videos, eine ständig aktuell gehaltene Webseite und ein regelmäßig erscheinendes Stammkunden-Magazin sind Teil der Strategie.
Und 2014 wagte sich Maria Hauser sogar über den Großen Teich und hielt in New York eine Pressekonferenz ab – mitten in Manhattan im Dirndl. Gekommen sind alle, von der New York Times bis zum Wall Street Journal, und die Reaktionen waren enorm positiv. Hauser: »Danach wurden wir auch, ohne dass wir davon wussten, vom US-Luxus-Lifestyle- und Reisemagazin Condé Nast Traveler getestet und auf die Gold-List der 140 besten Hotels der Welt gesetzt. Diese Liste ist der internationale Olymp, und an der orientieren sich wieder weltweit Reisejournalisten. Danach haben wir plötzlich Anfragen aus der ganzen Welt bekommen.«
Fachkräfte- vs. Personalmangel
Um das Wohl der Gäste kümmern sich an die 290 Mitarbeiter. Die ständige Suche nach guten Leuten ist daher auch im Stanglwirt Alltagsroutine, auch wenn man durch den Namen einen gewissen Vorteil hat und sich auch einige Interessenten von selbst melden, dazu kommt Mundpropaganda von eigenen Mitarbeitern. »Als sehr wichtig und effizient haben sich im Bereich der Mitarbeitersuche Aktivitäten in sozialen Netzwerken erwiesen«, weiß etwa die HR-Verantwortliche Elisabeth Hauser. Man schaltet aber auch ganz klassische Inserate. Wobei Elisabeth Hauser schon lange nicht mehr von Fachkräftemangel, sondern nur mehr von Personalmangel spricht. »Gute Fachkräfte sind mittlerweile ohnehin fast illusorisch. Wir sind schon froh, wenn wir motivierte Leute bekommen, die wir dann selbst ausbilden. Zum Glück ist die Fluktuationsrate im Betrieb relativ gering, viele Kollegen sind seit Jahren oder Jahrzehnten dabei.« Aktuell gibt es mehrere Mitarbeiterhäuser, wobei derzeit ein neues großes Mitarbeiterhaus im Bau ist, das binnen weniger Minuten zu Fuß erreichbar ist.
Kein Bericht über den Stanglwirt wäre vollständig, ohne auf den Wellnessbereich einzugehen, der in seinen heutigen Grundzügen im Jahr 2000 eröffnet und in den letzten Jahren massiv weiter ausgebaut wurde. Der größte hoteleigene Sole-Pool Europas, ein 25-Meter-Leistungssportbecken mit Zeitmessung oder eine Panorama-Eventsauna mit direktem Zugang zum Natur-Badesee sind nur einige der Attraktionen. Vor 18 Jahren war zudem noch ein riesiges Hai-Aquarium Star in allen Medienberichten. Doch wer dabei an einen schnöden Publicity-Gag denkt, unterschätzt Balthasar Hauser. Der Hintergrund war nämlich ein durchaus philosophischer. So waren die Alpen vor Urzeiten vom Trias-Meer umspült, und zwischen dem Wilden Kaiser und den Dolomiten waren einst tatsächlich Haie unterwegs. Somit wollte Hauser die Haie bloß an ihren Ursprungsort zurückbringen, schließlich seien diese schon lange vor den Kühen hier gewesen. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Haus der Natur und Meeresforschern wie Hans Hass initiiert und war lange eine der Hauptattraktionen im Stanglwirt-Biotop. Nach gut zehn Jahren entschloss man sich jedoch, die Tiere wieder abzugeben. Übrig blieb für die Gäste im ehemaligen Haibecken der Blick auf ein inzwischen natürlich gewachsenes, wunderschönes Korallenriff samt anderen farbenfrohen Meeresfischen.
Wasser so wertvoll wie Wein
Überhaupt ist Wasser ein zentrales und nach Balthasar Hausers Meinung weithin unterschätztes Element. Schon vor vielen Jahren entschloss er sich daher, Leitungswasser nicht mehr kostenlos abzugeben, sondern einen Euro für einen halben Liter zu verlangen, ausgeschenkt in einer handgemachten 80€-Karaffe und Weingläsern. Damit sollte dem Wasser ein Wert verliehen, es auch gegenüber dem Wein aufgewertet werden. Die Aufregung unter den Gästen war anfangs zwar groß, doch inzwischen wird der »Wasser-Euro« allgemein akzeptiert. Dass im Hintergrund der Wunsch nach mehr Umsatz eigentliches Ziel dieser Maßnahme gewesen sein könnte, entkräftet Maria Hauser lachend: »Insgesamt haben wir dadurch sogar an Umsatz verloren, weil der Mineralwasser-Konsum deutlich zurückgegangen ist.« Für Balthasar Hauser, dessen Motto lautet »Wir gewinnen, indem wir verlieren«, kein Problem. Und so spendet er sogar den
»biblischen Zehnt«, also zehn Prozent des Wasser-Umsatzes, an soziale Projekte in den wasserärmsten Gegenden der Welt. »So konnten wir etwa schon acht Brunnen und eine Schule in Äthiopien realisieren«, freut sich Maria Hauser.
Die Gäste sollen sich im Stanglwirt wie zu Hause fühlen. Jeder soll sich so geben können, wie er will, auch wenn er sich in einem großen 5-Sterne-Haus befindet. Der Betrieb muss eine »Seele« haben. An diesem Auftrag arbeitet die Familie Hauser samt Mitarbeitern nun schon seit Jahrhunderten. Und das mit Erfolg. »Daheim beim Stanglwirt«, lautet auch das Unternehmensmotto, das sich die Hausers nicht selbst gegeben haben, sondern das ein – offensichtlich sehr zufriedener – Hotelgast kreiert hat. »Wir sind immer unseren Weg gegangen, auch wenn wir dafür des Öfteren belächelt wurden«, weiß Maria Hauser. Offensichtlich führen doch immer mehrere Wege zum Erfolg.
www.stanglwirt.com