Logieren im Vorhof der Pracht
Zu Gast in der The Langham Nymphenburg Residence, München
von Kristina PresserVorhang auf – und da liegt sie, in all ihrer Pracht: die barocke Schlossanlage Nymphenburg. Von den Fenstern des Kavaliershauses »Nördliches Schlossrondell 6« aus betrachtet, wirkt das Panorama aus weitläufiger Palastfassade, getrimmten Grünflächen und Kanälen beinahe wie eine Filmkulisse. Ein außergewöhnlicher Anblick, der für den einen oder anderen neuerdings zum Alltag gehört.
Zumindest für eine Weile. Denn hier, in einem der zehn weiß-gelb gestrichenen Rokoko-Palais, die den halbrunden Schlossvorhof einrahmen, betreibt die Langham Hospitality Group seit Kurzem ein Gästehaus: »The Langham Nymphenburg Residence« – Münchens neue Luxusadresse für Wohnen auf Zeit. Ein Projekt, das weltweit Aufsehen erregte. Forbes lobte es sogar als eines der »20 most anticipated Hotel Openings of 2020« (die 20 sehnlichst erwarteten Hoteleröffnungen in 2020). Das mag an der Lage, vermutlich aber auch an der einzigartigen Ausstattung liegen: Überall im Inneren des Hauses und im Garten findet man Objekte aus feinstem Porzellan, mal in typischer, mal in unerwarteter Form. Gefertigt wurden sie nur wenige Meter nebenan in einem geschichtsträchtigen Handwerksbetrieb von Weltrang, der Porzellan Manufaktur Nymphenburg.
Kunst im Hotel, für die Langham-Gruppe schon lange ein gelebtes Konzept und wesentlicher Teil der Unternehmenskultur. Alleinstellungsmerkmal, gewissermaßen. Skulptur, Grafik, Fotografie, Malerei – in einigen der Fünf-Sterne-Hotels sind beachtliche Kunstsammlungen ausgestellt. Das Langham, Chicago besitzt zum Beispiel eine Kollektion mit mehr als 150 Werken lokaler Künstler. Im Langham, New York, Fifth Avenue hängen Bilder des zeitgenössischen New Yorker Pop-Art-Malers Alex Katz. Und das Langham, Sydney verfügt über eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Australiens, kuratiert von Sotheby’s. Dabei geht es nicht um Kunst allein, sondern ihren Bezug zu jenem Ort, an dem sich das ausstellende Hotel befindet. Sie lädt das Haus kulturhistorisch auf.
Große Herausforderung für das Interiordesign
Nun also die Residence in München, in der das seit 260 Jahren ausnahmslos handgefertigte und -bemalte Nymphenburg-Porzellan seinen großen Auftritt hat. Ganz bewusst. Als Gästehaus der Manufaktur geht es schließlich darum, dessen Zugehörigkeit zu zeigen. Aber noch mehr. Gäste sollen die Vielfalt des Porzellans und seine individuellen Nutzungsmöglichkeiten erleben – die große Aufgabe für das Interiordesign der insgesamt vier Schlafzimmer, drei Salons, sieben Bäder, Büro-, Fitness- und Heimkino-Räumlichkeiten, des Esszimmers, Kinderzimmers und der Küche.
Obwohl die beiden Münchner Innenarchitekten Stefan Mauritz und Thomas Mang schon seit ihren frühen Projekten mit Nymphenburg-Porzellan arbeiten, erreichte dieser Auftrag doch eine ganz neue Dimension. »Die größte Herausforderung lag darin, zu zeigen, wie man Nymphenburg-Porzellan wirklich in alle Wohn- und Lebensbereiche integrieren und damit ›im Alltag leben‹ kann«, erinnern sie sich. »Herausforderung und Ehre zugleich.« Aus den rund 40.000 Formen und Entwürfen der Manufaktur wählten die Architekten und Interiordesigner sorgfältig Objekte aus, die die Bandbreite der Produktion repräsentieren sollen. So finden sich auf Kommoden, Couchtischen und in den Regalen der Salons verschiedene Tierplastiken, darunter farbig glasierte Hundeskulpturen im Herren- und bunte Papageien-Vögel im Damensalon. Im Hauptwohnzimmer stehen Pfau und Papagei in den Fenstern zu beiden Seiten der Balkontür und blicken auf die Schlossanlage. Mal ein Kerzenständer hier, mal zwei Eivasen dort. Auf einem Beistelltisch arrangiert ein Tablett mit Teekanne und zwei Tassen des Service »Lightscape« aus hauchdünnem Porzellan in Form gefalteten Papiers. Die Grenzen zwischen Nutz- und Schmuckobjekt verschwimmen. Und immer wieder begegnet man Rhinozeros Clara, einem der ältesten Motive der Manufaktur, gefertigt nach dem Originalentwurf von 1770.
Eine Besonderheit lag für MangMauritz in der Neugestaltung der Bäder. Dafür griffen sie verschiedene Dekore und Themen aus der Historie der Manufaktur auf, kombinierten sie mit anderen Formen und Oberflächen und setzten sie so neu in Szene. »Diese Optik gab es so bei Nymphenburg bisher nicht«, erzählen sie. Da flattern nun zum Beispiel in einem der Bäder unzählige Schmetterlinge über die Wandkacheln und Teller-Lampenschirme aus Porzellan. Eigentlich ist es das Dekor »Papilio« des Service Lotos. Ein paar Falter sitzen sogar in den Porzellanwaschbecken. In der Duschkabine eines anderen Badezimmers schwimmen Fische in leuchtendem Rot und Blau-Grau mit zarten, fast durchsichtigen Flossen über die weißen Biskuitfliesen. Ebenfalls eine Sonderanfertigung. Prunkvoll dagegen die Duschfliesen im Spa mit blau-gold verzierten Schloss- und Landschaftsveduten, eingerahmt von erhabenem Perlstab. Die Verzierung ist dem im 18. Jahrhundert entworfenen Bayerischen Königsservice entlehnt, das bis Anfang des 20. Jahrhunderts ausschließlich dem Haus Wittelsbach vorbehalten war.
Porzellan war nur ein Teil der Gestaltungsidee
Die Allgegenwart des Porzellans war der eine Teil der übergeordneten Gestaltungsidee, erklärt Thomas Mang. Aber natürlich braucht man dafür auch einen adäquaten Rahmen, genauer gesagt »ein Farbkonzept, das der einzigartigen Lage von Nymphenburg am Rand der pulsierenden Großstadt und zugleich inmitten überwältigender Natur Rechnung trägt«. Zu den Leitfarben Schwarz, Weiß und verschiedenen Grüntönen setzte das Architekten-Duo immer wieder andersfarbige Akzente. Die Themen der Räume beziehen sich auf die Geschichte des Hauses und seine besondere Lage – im Kontrast dazu stehen die modernen, eher abstrakten Muster der ausgewählten Stoffe und Tapeten als »urbane Anbindung«. Ein Spagat zwischen Örtlichkeit, Tradition, Moderne und Wohnlichkeit. Ausgefüllt mit hochwertigen Designermöbeln.
Nicht zu vergessen all jene Standards und Annehmlichkeiten, die Gäste in einem Fünf-Sterne-Luxushotel erwarten, wie etwa ausgefeilte Gebäude-, Kommunikations- und Wellness-Technik. All das musste sich nahtlos in die Räumlichkeiten einfügen und gleichzeitig die hohen Denkmalschutzauflagen erfüllen. Daher behielt man die historisch vorgegebene Raumaufteilung, die hohen Decken und Stuckaturen bei, berichtet Stefan Mauritz, »um den herrschaftlichen Grundcharakter des Gebäudes nicht zu beeinträchtigen«, und verbaute eine »unsichtbare« Klimaanlage und Konferenztechnik. Für das Lichtkonzept der Züricher Firma Lichtkompetenz wurden die Zimmerdecken jedoch teils abgehängt. Über zwei Jahre dauerten die Renovierungsarbeiten.
Eine Besonderheit findet sich außerhalb des Hauses
So ein Projekt zum Leben zu erwecken, »ist ein sehr emotionaler Prozess«, stimmen Thomas Mang und Stefan Mauritz überein. Ein feierlicher Etappensieg war die Fertigstellung des Majolika-Gartens, ein Schmuckstück im wahrsten Sinne, das reichlich Privatsphäre bietet. Raus aus der Küchentür, thronen zwei große blau-gelb bemalte Papageien auf Sockeln links und rechts der Stufen, die von der Terrasse hinunter zu einem im Boden eingelassenen hellblauen Wasserbecken führen. Eingerahmt wird es von zehn hohen Säulen, fünf auf jeder Seite. Vögel, Sockel, Säulen und Brunnenkacheln sind aus Majolika hergestellt – Terrakotta, die nach dem ersten Brand mit weißer Zinnglasur überzogen und mitunter farbig bemalt wird. Nach erneutem Brand scheint der rotbraune Untergrund leicht durch.
Dieser besonderen Optik haben sich MangMauritz auch für das Interior-design bedient. Der Küchenboden ist mit weiß glasierten Relieffliesen aus Majolika gekachelt. Eine Spezialanfertigung. Und das Treppenhaus ziert eine weiß glasierte Majolika-Frauenskulptur, die weibliche Allegorie des Kontinents Asien. Hinter ihr an den sandfarbenen Wänden leuchten warm »Spilla«, Lampen in Blütenform aus feinem, mattweißem Biskuitporzellan.
Die Faszination für den Werkstoff Porzellan und seine virtuose Verarbeitung in Nymphenburg hat die regionalen Grenzen schon lange verlassen. Viele Objektentwürfe stammen von international angesehenen Designern und Künstlern, mit denen die Manufaktur regelmäßig zusammenarbeitet. Kein Wunder also, dass die limitierten Stücke auch die Villa schmücken. Da entdeckt man zum Beispiel Damien Hirsts anmutige wie erschreckende Pferdeskulpturen »Myth & Legend«, im Kinderzimmer bringen einen die Zirkusfiguren der Bildhauerin Luise Terletzki-Scherf zum Lächeln, und Fotograf Nick Knight verzaubert mit seiner sakralen Interpretation von Topmodel Kate Moss.
Kunst als verbindendes Element
Die offensichtliche Nähe zur Kunst sei sicherlich ein Anknüpfungspunkt für beide Seiten gewesen, blickt Stefan Leser, CEO der Langham-Gruppe, auf die Anfänge der Zusammenarbeit mit der Manufaktur zurück – für ihn »ein unheimlich spannendes Thema«. Und sicher, die Geschichte und Einzigartigkeit dieses Anwesens, seine Verbindung zum Schloss und zur Porzellanwerkstatt, aber auch die Möglichkeit, durch eine Partnerschaft die Bekanntheit der Manufaktur vielleicht sogar noch ein wenig zu steigern – all das machte
letztlich die Entscheidung für das Projekt aus. »Aber natürlich habe ich da auch mein Herz ganz massiv gespürt«, gibt der gebürtige Franke schmunzelnd zu. 2018 kam er zu Langham und leitet seither von Hongkong aus die Geschicke der Hotelgruppe. Besonders ist das Projekt aber auch, weil die Nymphenburg Residence das erste Haus der Marke in Deutschland ist. Das zweite in Europa, nach dem bereits 1865 eröffneten Grandhotel The Langham, London.
Über die Porzellanstücke sagt Leser, »das ist Handwerkskunst in höchster Vollendung. Ein Kulturgut«. Vor allem die Lithophanien »lösen in meinem Kopf immer einen Aha-Effekt aus« – durchscheinende Reliefbilder, die erst durch Hinterleuchten ihre Tiefe erhalten. Wie der strahlende Wolkenhimmel über dem Konferenztisch oder das Tegernseer Bergpanorama in der Sauna. Tatsächlich gleicht jeder Gang durch die Räume der Residenz einer Entdeckungsreise, auf der man immer wieder Neues erspäht. Ein begehbares Wimmelbild, an dessen künstlerischer Vielfalt sich das Auge nicht sattsieht.
Die Langham Nymphenburg Residenz ist eine Symbiose aus erlesener Handwerkskunst, Design und Gastfreundlichkeit. Ihr Luxus definiert sich durch Ausstattung und Fünf-Sterne-Service, aber auch durch die Zugehörigkeit des Palais zum Schlossensemble. Durch die unverstellte Aussicht auf Schloss Nymphenburg. Nicht umsonst ist das Bett in der Mastersuite auf die Palastanlage ausgerichtet. Und diese royale Atmosphäre bleibt auch spürbar, wenn sich die Vorhänge für die Nacht schließen.