Jetzt rede ich! Die Auster im Exklusiv- Interview
von Sebastian Bütow- Schon seit der Antike wird Ihnen eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben. Mal ehrlich, Mythos oder Wahrheit?
Diesen Ruf habe ich der griechischen Mythologie zu verdanken, die Liebesgöttin Aphrodite entsprang aus mir. Daher also auch der Begriff Aphrodisiakum. Und dann war da noch Casanova, der total auf mich abfuhr. Er schlürfte nach eigenen Angaben täglich 50 Austern am Tag, um sich für seine Aufgaben zu wappnen. Auch König Heinrich IV. war süchtig nach mir. So viel zum Mythos. Ob da wirklich was dran ist? Finden Sie es heraus! (Lacht.) Aber jetzt mal im Ernst: In mir steckt unter anderem sehr viel Zink, das wichtig ist für den Aufbau des männlichen Sexualhormons Testosteron. - Was sagen denn die Wissenschaftler?
Die meisten sagen, das mit der potenzsteigernden Wirkung sei Kokolores, nichts als Placebo. Aber es gibt auch Studien, die zu dem Ergebnis kamen, dass einige Muschelarten – auch die Kollegen Mies- und Venusmuscheln – den Sexhormonhaushalt aufpimpen. - Ihr Nährstoffgehalt gilt als sensationell.
Da muss ich Ihnen ganz unbescheiden sagen: Das ist er tatsächlich! Kaum Kalorien, wenig Fett – dafür Mineralstoffe und Vitamine ohne Ende. Es gibt sogar Ernährungsschlauberger, die behaupten, dass man nur von mir und Wasser leben könnte, ohne dass es dem Organismus an irgendetwas fehlen würde. Welches Nahrungsmittel kann das schon von sich behaupten? - Bitte verraten Sie uns, wie man Sie richtig isst, Pardon: schlürft.
Jetzt haben Sie aber gerade noch die Kurve bekommen! Am wichtigsten ist in der Tat, dass man mich schlürft und nicht schluckt, ansonsten verschenkt man das Geschmackserlebnis. Kaut mich langsam und bedächtig! Je länger Ihr mein Fleisch im Mund behaltet, desto intensiver entfaltet sich mein Geschmack: Echte Experten schmecken meine Herkunft. - Worauf kommt es am meisten an, wenn man Sie genießt?
Auf die Frische! Beim Kauf sollte ich noch geschlossen sein, beim Klopfen gegen meine Schale wieder schließen. Wichtig für den Verzehr: Bitte entsorgen Sie mich, wenn ich nicht fest verschlossen oder leicht geöffnet bin, dann bin ich verdorben. Geschlossen lasse ich mich in kaltem Meerwasser eigentlich noch drei bis vier Tage lagern. Aber ganz ehrlich: Genießen Sie mich so frisch wie möglich! Am besten nur mit etwas Zitrone. Und einem schönen Weißwein. Oder Champagner! - Welche Ihrer vielen Sorten sind denn die allerfeinsten?
Zur Crème de la Crème meiner Wenigkeit zählen Gillardeau, Belon und Pied de cheval. Spéciales de claire gelten unter Feinschmeckern aufgrund ihres reinen Geschmacks als besonders köstlich, Marennes-Oléron von der französischen Atlantikküste als überdurchschnittlich gut. - Bei Austern denken die meisten an Frankreich. Ist das eigentlich noch aktuell?
88 Prozent der europäischen Austern kommen aus Frankreich, die Jahresproduktion beträgt rund 80.000 Tonnen. Qualitativ zählen sie nach wie vor zu den besten der Welt. Den Weltmarkt dominiert China, global kommen 80 Prozent aller Austern von dort. Wussten Sie, dass mittlerweile über 95 Prozent meiner Kollegen in Farmen gezüchtet werden? In Frankreich sind jetzt Austern-Automaten der Hit, da werde ich immer öfter in gekühlten Zwölfer-, 24er-, 36er- oder 48er-Packungen angeboten. Einfach vorbestellen und dann mit einer speziellen Codenummer auch nachts aus dem Automaten ziehen. Köstlich, oder?
Auster, wir danken Ihnen für das Gespräch.