Hotelgeschichte zum Anfassen
Eine Legende, die nie stillsteht
von Karoline GiokasEs geht nicht nur um ein perfekt inszeniertes Ambiente, um luxuriöse Architektur und edle Amenities, es geht um viel mehr: Im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg wird seit 1897 europäische Grandhotellerie zelebriert. »Das Entscheidende sind die Menschen, die dahinterstehen und das Hotelerlebnis jeden Tag überhaupt möglich machen«, betont Ingo C. Peters, Hoteldirektor des Hauses, gleich zu Beginn unseres Gesprächs.
Insgesamt 300 Mitarbeiter sind derzeit in dem eleganten Hotel an der Hamburger Binnenalster in unmittelbarer Nähe vieler kultureller und architektonischer Sehenswürdigkeiten, zahlreicher Shoppingmöglichkeiten sowie der Messe und des Congress Centrums beschäftigt. Allein 60 davon sind Auszubildende. Peters, der seine Hotellaufbahn 1982 einst selbst in dem Traditionshaus begonnen hatte, kennt jeden seiner Kollegen beim Namen. »Sie machen das Haus überhaupt erst zu etwas so Besonderem«, so der gebürtige Hamburger. Eine große Tafel am Personaleingang veranschaulicht zudem, wie lange ein Mitarbeiter dem Hause zugehörig war – teilweise sogar bis zu 45 Jahre, bis sie schließlich in Rente gegangen sind oder ihre Hotelkarriere aus anderen Gründen hier beendet haben.
Basis für eine glorreiche Zukunft
»Nichts ist einstudiert, alles kommt von Herzen und springt direkt auf den Gast über« – wer schon einmal das Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg besucht hat, kann diese Aussage sicher nachempfinden. Denn gleich beim Betreten der modernen und zugleich stilvollen Lobby erfährt man ganz automatisch den »einzigartigen Spirit des Familienzugehörigkeitsgefühls«, wie ihn Peters selbst nennt. »Ich glaube, das verdanken wir dem Umstand, dass die Führung des Hauses sich knapp 100 Jahren in Familienhand befand.«
Dabei war zu Beginn der über 125-jährigen Geschichte des Hansehauses nicht alles so harmonisch: Als sich der Stuttgarter Kaufmann Friedrich Haerlin das in Konkurs gegangene »Hotel zu den vier Jahreszeiten« 1897 zu seinem 40. Geburtstag kaufte, durfte er es nämlich nicht einfach eröffnen. Als Schwabe war er den Behörden ein Dorn im Auge und bekam umfassende Auflagen zur ordnungsgemäßen Sanierung inklusive Hygiene- und Brandschutzauflagen auferlegt.
»Dann sagte er sich, ‚wenn schon, denn schon‘, und investierte in hochwertigste Verarbeitung sowie beste Materialien«, schildert Peters. Haerlin dachte langfristig, wollte, dass auch die nächsten Generationen von seinen Entscheidungen zehren konnten. Zudem wollte er seinen Mitbewerbern immer einen Schritt voraus sein. Beispielsweise war sein Hotel eines der ersten der Stadt, das seinen Gästen fließendes Wasser sowie elektrischen Strom in den Zimmern bot. Ebenso ließ er als Pionier den ersten vollelektrischen Fahrstuhl im Hotel einbauen und ersetzte die lautstarke Roomservice-Anlage, welche den einen oder anderen Gast morgendlich durch tosenden Glockenlärm aus dem Schlaf riss, durch eine moderne Signalleuchten-Anlage. Roomservice, Housekeeping, Gepäckservice wurden fortan durch ein Ampelsystem mit Signalleuchten koordiniert und gesteuert.
Neuer Glanz für historische Mauern
»Haerlin war ein Vorreiter mit seinen Ideen und Innovationen. Diese Strategie versuchen wir weiterzuführen«, bestätigt Hoteldirektor Ingo C. Peters. So wurde innerhalb der letzten Jahrzehnte jeder Quadratmeter des Hotels umgestaltet: Bis Anfang 2015 bekamen die 156 eleganten Zimmer und luxuriösen Suiten sowie die Gästeflure aller fünf Etagen ein neues Design und zeigen sich seither in sechs verschiedenen Farbkonzepten, innerhalb derer sich der exklusive Einrichtungsstil in hellen Crème-Nuancen in Kombination mit starken Akzentfarben wie Gold, Kiwi, Taubenblau, Karminrot, Brombeere oder Flieder präsentiert. Der neue Einrichtungsstil ist frisch und unkonventionell, bleibt dabei jedoch klassisch und zeitlos elegant. Kein Zimmer ist identisch, keine Etage folgt der gleichen Aufteilung. Das Interieur von Designern wie Jan Kath soll inspirieren, ist durchdacht bis ins kleinste Detail von der Beleuchtung bis zur Dekoration. Aktuell wird die 260 Quadratmeter große Präsidentensuite mit ihren vier separaten Schlafzimmern, einem großzügigen Salon und privatem Konferenzraum umgestaltet.
Den Spa- und Fitnessbereich in der fünften Etage vergrößerte man um mehr als das Doppelte auf fast 1.000 Quadratmeter. Auf bisher ungenutzten Dachböden und Lagerflächen wurde das Fitnesscenter einquartiert und auf der zusätzlich gewonnenen Fläche ein Ruheraum mit zentral platziertem Echtholz-Kamin geschaffen, der einen direkten Zugang zur ebenso neu gestalteten 300 Quadratmeter großen Dachterrasse mit Blick über die glitzernde Silhouette der Hansestadt bietet.
Herrschaftlicher Empfang
Seit der Wiedereröffnung nach dem Corona-Lockdown beeindruckt nun auch die Empfangshalle des Grandhotels Gäste aus aller Welt in einem ganz anderen Look. Neuer Blickfang ist hier der Empfangstresen: Als Hommage an die Gründerzeit wurde er aus glänzendem dunkelbraunem Nussbaumholz und hellem Marmor an seinen ursprünglichen Platz zurückverlegt – neben dem Eingang des Restaurants Haerlin, wo er schon beim Betreten des Hotels direkt zu sehen ist. Die historischen Zimmerschlüssel, eine wahre Tradition im Hotel Vier Jahreszeiten, wurden an der Rückwand der Rezeption liebevoll in Szene gesetzt.
Das Farbkonzept schafft mit seiner einzigartigen Symbiose aus Creme-, Gold- und Aqua-Tönen ein exklusives Ambiente – Inspiration dafür boten die Farbwelten von herrschaftlichen Schlössern an den Küsten von Nord- und Ostsee. Durch große Fenster fällt viel Licht ins Innere, die Reflexionen von Wasser und Sonne sorgen für ein grandioses Lichtspiel. Akzente von Vanille, Zimt und Kaffee symbolisieren die Bedeutung des Gewürzhandels für den Hamburger Hafen als Tor zur Welt und sorgen für eine farblich stimmige Abrundung.
In puncto Möblierung glänzt die runderneuerte Empfangshalle mit eigens angefertigten Polstermöbeln, deren Stoffbezüge mit einer speziellen Art von Marmorierung und sanften Goldfäden ein elegantes Wohngefühl erzeugen. Stengelfransen wie auch von Hand gefertigte Glasperlenketten und -applikationen zieren Sessel, Sofas und Gardinen und erinnern damit an alte Nähkunst. »Ein echter Blickfang ist die Lamellenwand aus 50.000 Glasmurmeln, die das spiegelnde Sonnenlicht draußen auf der Binnenalster einfängt und sich passend zur jeweiligen Tageszeit dreimal am Tag dreht«, erklärt Peters und ergänzt schmunzelnd. »Gegen 18 Uhr verwandelt sie sich zu einem großen Facettenspiegel, der unseren Gästen einen letzten Blick auf ihr Outfit gewährt, bevor sie zum Dinner schreiten.« Hinsichtlich der Beleuchtung vertraut das Hotel auf italienisches Handwerk: Die Tischlampen aus mundgeblasenen Glaskugeln stammen aus Venedig, die Kronleuchter aus Florenz.
Eine handverlesene Auswahl an Hamburger Literatur vervollständigt das Konzept. Sie ist eingefasst in Tische und Wände, die Gäste entdecken unter anderem Werke zu Hamburger Persönlichkeiten, Architektur und Zeitgeschichte. »Die neue Empfangshalle bietet unseren Gästen eine unvergleichliche Erlebniswelt, welche die Tradition und Historie des Hotel Vier Jahreszeiten mit kosmopolitischem Lifestyle verbindet.«
Wo Gäste Könige sind
Ein ähnlich kosmopolitischer Gedanke wurde für die neue Concierge-Loge im Stil eines Pariser Zeitungskiosks aufgegriffen. Reisende erhalten hier nicht nur Tageszeitungen aus aller Welt, sondern genießen in erster Linie die individuelle, außergewöhnlich persönliche Beratung. Jüngst wurde sogar der sogenannte Royal Service ins Leben gerufen, der sich an königlichen Standards orientiert und den Gästen eine erstklassige Rundumbetreuung bietet.
»In Zeiten, in denen Self-Check-ins selbstverständlich sind und der Zimmerservice teils via Automaten und Roboter geregelt wird, legen wir auf den individuellen Service am Gast besonders hohen Wert«, so Peters, der selbst einst als Page des Hauses von der Pike auf gelernt hat, die Wünsche der Gäste von ihren Augen abzulesen. Die erstmalige Einrichtung eines ganz eigenen Concierge-Bereichs verdeutlicht damit einmal mehr den hohen Stellenwert. »Das Team um Chefconcierge Dirk Bossmann ist hier ganz für sich, ohne dass jemand reinfunkt.«
Für die Zukunft gewappnet
Natürlich und vor allem ist auch beim gastronomischen Angebot die Zeit nicht stehengeblieben. Sich jedoch für eine Favoriten-Lokalität zu entscheiden fällt nicht gerade leicht: Im Nikkei Nine, bis 2013 bekannt als Gault & Millau-prämiertes euroasiatisches Spezialitätenrestaurant Doc Cheng’s, wird japanische Cuisine mit feinem Einschlag der peruanischen Küche zelebriert. Auch fürs Auge ist gesorgt, denn die Speisen des koreanischen Chefkochs Song R. Lee werden auf dem japanischen Robata-Grill in einer begehbaren Show-Küche über offenem Feuer gegrillt. Bei den Hamburgern wie internationalen Gästen ist das Nikkei Nine aufgrund seiner stylischen Clubatmosphäre mit DJ-Begleitung ein beliebter Treffpunkt.
Weltweit bekannt ist das Restaurant Haerlin im Erdgeschoss des Hotels, da es nicht nur den Namen des Gründers Friedrich Haerlin trägt, sondern sich mit zwei Michelin-Sternen, 19 Gault-Millau-Punkten sowie zahlreichen anderen bekannten Auszeichnungen schmückt. Seit 2002 tragen die
Gourmetmenüs die Handschrift von Christoph Rüffer, der in seinen fantasievollen Kompositionen frische, saisonale Produkte aus der Region vereint und die Gäste mit gekonnt kombinierten Aromen und spannenden Texturen überrascht.
Eine Etage tiefer liegt Rüffers Chef’s Table – steht aber nicht etwa, wie sonst oftmals üblich, vor der Küche, sondern liegt inmitten des neu gestalteten Küchen-Eventbereichs in einem eigenen Raum im Zentrum des Arbeitsgeschehens der Hearlin-Küche. Bis zu acht Gäste können hier bei Champagneraperitif oder Gourmetdinner Platz nehmen und den Köchen durch die großen, verschiebbaren Panoramafenster auf die Finger schauen.
»Mit der Etablierung des Chef’s Table und unseren Erlebnisküchen haben wir uns im Hintergrund optimal für die Zukunft des Eventgeschäfts aufgestellt«, erklärt Peters und führt aus: »Gäste wünschen heute Transparenz und lieben es, hinter den Kulissen hautnah am gastronomischen Geschehen dran zu sein.« Insgesamt 600 Quadratmeter auf sechs Küchen verteilt dürften dafür nun reichlich Potenzial bieten.
Allesamt wurden natürlich optisch nach verschiedenen Themen designt, beispielsweise die Schlachterei als urige Jagdhütte mit Kuckucksuhr und Deckenlampen aus Horn oder die Patisserie, welche mit ihrem verspielten Interieur, funkelnden Kronleuchtern und Gerätschaften im Retro-Stil an die opulenten Räumlichkeiten des Versailler Schlosses des Sonnenkönigs erinnert.
Wo Peters am liebsten isst? »Auch wenn das Haerlin weltweit einen respektablen Ruf genießt, ist der Jahreszeiten Grill ganz klar mein Favorit. Wo sonst kann man schon noch den unvergleichbaren Charme der goldenen Zwanziger genießen, während die Zubereitung des Gerichts, wie beispielsweise das Tranchieren der Ente direkt am Tisch, vor den Augen zelebriert wird?«
Hanseat Peters erinnert sich, als ob es gestern gewesen wäre, an den Moment, als bei den Renovierungen vor einigen Jahren hinter alten Gipskarton-Wandplatten die Originalwände des Grills aus kaukasischem Nussbaumholz wiederentdeckt wurden. »Daraufhin haben wir alte Zeichnungen des Restaurants herausgekramt, wie es vom Berliner Art-déco-Architekten Professor Emil Fahrenkamp einst entworfen worden war, und haben sowohl die Decken und den Stuck als auch die Säulen und Intarsien wiederhergestellt. Selbst der alte Holzfußboden im Schachbrettmuster, der unter dem alten Teppich zum Vorschein kam, wurde liebevoll restauriert.
Größer, exklusiver, spektakulär
Nicht zuletzt ergänzt seit Ende 2021 der neue Weinkeller als besonderes Highlight das Event-Angebot des Hotels Vier Jahreszeiten. Die Erlebniswelt für Wein- und Champagnerliebhaber gilt mit ihren 500 Quadratmetern unter dem Alsterspiegel sogar als einer der größten und exklusivsten Weinkeller Europas. Von hier aus werden nicht nur die neun Restaurants und Bars im Haus jährlich mit rund 120.000 Flaschen bedient, die Location ist auch exklusiv buchbar beispielsweise für Empfänge und Degustationen – für Private-Dining-Anlässe steht eine Eventfläche mit einer Kapazität von bis zu 16 Personen zur Verfügung.
Durstig bleibt sicher keiner, denn insgesamt lagern hier rund 100.000 Flaschen mit einem Gesamtwert von circa 2,5 Millionen Euro. Für den geschäftsführenden Direktor Ingo C. Peters geht damit ein langgehegter Traum in Erfüllung: »Ich wünsche mir schon seit meiner Rückkehr ins Hotel Vier Jahreszeiten, diesen historischen Teil unseres Hauses in seiner ganzen Vielfalt und Größe für unsere Gäste erlebbar zu machen. Er liegt unter dem Alsterspiegel und den Colonnaden – der ältesten Einkaufsstraße Deutschlands. Die Geschichte reicht zurück bis 1897, ins Gründungsjahr des Hotels.«
Verständlich, immerhin gibt es hier einzigartige Raritäten zu entdecken. Zum Schutz vor der englischen Besatzungsmacht wurde der Keller nämlich 1945 komplett zugemauert und somit der wertvolle Bestand gerettet. Die beiden größten Flaschen des Weinkellers, ein Chardonnay des Weinguts Dreissigacker in Rheinhessen sowie ein »Jahreszeiten Cuvée Le Ponnant« des Weinguts La Ferme du Mont an der Rhône, haben beide ein Fassungsvermögen von jeweils 18 Litern. Die teuerste Flasche im Verkauf ist aktuell einer der edelsten Pinot-noir-Rotweine der Welt der berühmten Domaine de la Romanée-Conti, Jahrgang 2014, für 14.000 Euro pro Flasche. Die älteste verkäufliche Flasche stammt aus dem Jahr 1943 – ein »Château Latour 1erCru Classé«.
Und es geht weiter
»Wir stehen nie still«, resümiert Ingo C. Peters die Entwicklung »seines« Hauses in den vergangenen Jahrzehnten. »Nicht einmal während der beiden Weltkriege wurde der Betrieb eingestellt. Erst Corona hat es geschafft, den Publikumsverkehr lahmzulegen.« Dass es aber auch keine Pandemie schafft, den absoluten Stillstand zu erwirken, zeigen nicht nur die aktuell anhaltenden Umgestaltungsarbeiten der kompletten Präsidentensuite, sondern vor allem die Freude über den diesjährigen 125. Geburtstag des Hotel Vier Jahreszeiten. »Hierfür haben wir verschiedenste Events unter dem Motto ,vier Jahreszeiten‘ geplant, bei denen unseren Gästen unter anderem erstmalig auch ganz exklusive Blicke hinter die Kulissen gewährt werden sollen – vom Keller bis zum Dach waren alle Bereiche einsehbar.«
Für den Hoteldirektor, der schon in der ganzen Welt zu Hause war, dessen Herz aber letztlich immer für seine Heimatstadt schlug, könnte es keine erfüllendere Tätigkeit geben: »Dieses Hotel ist kein Job, sondern eine Lebensaufgabe und diese ist nie zu Ende – man arbeitet mit Herzblut immer weiter.«