Haus der Dichter und Denker
Hotel Elephant Weimar als Kulturhotspot und Wohnzimmer in Weimar
von Karoline GiokasHier steht eine bronzene Aktskulptur, dort ziert ein großes Historienbild in Öl die Wand, und im Regal, das gleichzeitig als Raumteiler dient, reihen sich Werke von Dichtern wie Goethe und Schiller, aber auch von Forschern und Philosophen wie Johann Gottfried Herder aneinander. Ein bisschen fühlt es sich an, als sei man zu Besuch in einem kunsthistorischen Museum, sobald man das Hotel Elephant Weimar betritt.
Kunst wird nämlich im gesamten Haus präsentiert, das direkt am historischen Marktplatz der Stadt liegt. So zeigt beispielsweise eine Fotocollage in der Hotelbar Thomas Mann während seines Besuchs zur Wiedereröffnung des Hotels im Jahr 1955 sowie Fotos der Romanverfilmung zu »Lotte in Weimar« von 1974. Im großen Lichtsaal mit der imposanten Glasdecke nehmen die Gäste auf filigran geschwungenen Sofas und Sesseln Platz inmitten von üppig in Petersburger Hängung angeordneten Kunstwerken vergangener Jahrzehnte, und in den Suiten und Zimmern sind Arbeiten von bekannten Musikern, Filmstars und anderen Berühmtheiten wie Udo Lindenberg, Armin MuellerStahl und Lyonel Feininger echte Eyecatcher.
Kulturbegeisterte, hereinspaziert!
»Früher zierten die unzähligen Lithografien, Drucke, Radierungen und Pastelle vor allem die Hausgänge und waren vorwiegend den Gästen der gebuchten Zimmer vorbehalten. Heute darf sie jeder in Augenschein nehmen«, so Arcona-Geschäftsführer Alexander Winter. Das ist sogar explizit erwünscht, denn im Rahmen der letzten Renovierung hat sich das Traditionshaus komplett neu ausgerichtet.
2017 wurde das Elephant vom bisherigen Eigentümer, der Schörghuber Unternehmensgruppe, verkauft. Neuer Besitzer ist die in München ansässige Hirmer-Gruppe, Betreiber ist die Rostocker Firma Arcona Hotels & Resorts, welche erst 2019 insgesamt 17 ihrer Stadthotels an Vienna House verkauft hat, um sich auf ein erlesenes Portfolio von Häusern mit außergewöhnlichem Charme in Deutschland und Österreich zu konzentrieren. »Jedes ist ein Einzelstück mit ganz eigener Geschichte«, betont Winter. So wie das geschichtenumwobene Hotel Elephant Weimar, das nun als Franchise-Haus unter dem Softbrand Autograph Collection von Marriott International firmiert.
Ein Ort der Begegnung
Als Hotel mit bewegender Vergangenheit (mehr zur Geschichte im Kasten) soll das Hotel fortan als Kulturtreffpunkt die lange Historie des Gebäudes sowie der Gäste mit einer anspruchsvollen Gastronomie vereinen. Anfang 2018 beschloss der Investor daher Modernisierungsmaßnahmen, die sich über insgesamt neun Monate erstreckten. Mit der Renovierung wollte man jedoch die großartige über 300-jährige Geschichte keineswegs über Bord werfen noch sich auf ihr ausruhen. »Im Gegenteil, sie soll neu erblühen, gebührend gehegt und gepflegt werden«, erklärt Arcona-Geschäftsführer Alexander Winter in unserem Gespräch.
Im Oktober 2018 war es dann so weit, das Hotel Elephant Weimar öffnete erneut seine Pforten – um diese im März 2020 coronabedingt wieder zu schließen. »Es war furchtbar, den kompletten Betrieb runterfahren zu müssen«, erinnert sich Winter. »Trotzdem haben wir auch während der Pandemie den Kontakt sowohl zur Stadt und als auch den Gästen gehalten.«
Seit der Wiedereröffnung präsentiert sich das Boutiquehotel schließlich als führendes Haus am Platz, sozusagen als Mittelpunkt der Stadt – der knapp 200 Quadratmeter große Lichtsaal spielt hierbei eine entscheidende Rolle: »Früher stand unser preisgekröntes Restaurant im Fokus, der lichtdurchflutete Saal war aber ein wenig beachteter Bereich, der fast ausschließlich für große Veranstaltungen Einsatz fand.« Heute ist er das neue Zentrum des Hauses und für jedermann zugänglich. »Das Hotel Elephant Weimar ist ein Haus der Geschichte, der Geschichten und Geschichtenerzähler. Durch unser neues Konzept kann nun jeder seine eigene Elephant-Geschichte erleben und diesen besonderen Ort, den legendären Klassiker, neu entdecken.«
Touristenströme, die das tägliche Geschäft des Hauses aufhalten könnten, fürchtet Winter keineswegs. »Wir zählen sehr viele belesene und wiederkehrende Gäste, die mit dem Haus würdevoll umzugehen wissen, zu unserer Klientel.« So soll der Lichtsaal durch Kulturveranstaltungen pulsieren und damit zu einem neuen Ort des Erlebens für alle Kulturbegeisterten werden. Der Fokus liegt auf feinen, kleinen statt üppigen Events.
Weimar als Kulturhotspot
Das Programm hierfür plant Claudia Dell, Kulturmanagerin des Hauses, mit reichlich Erfahrung aus der Kulturszene im Gepäck. Den Lichtsaal bezeichnet sie als ihre Spielwiese, auf der sie tagsüber inkognito arbeitet und sich Überraschungen für die Gäste überlegt. »Das Reizvolle für mich ist, mit der neuen dezidierten Öffnung nach außen und dem Einladen der Anwohner der Stadt, einen Ort zu schaffen, an dem die Weimarer mit den Gästen ins Gespräch kommen können.« Ihr Anspruch ist es, Weimarer Künstler ins Haus zu holen und, neben den kulinarischen und sprachlichen Eindrücken Thüringens, durch ein Programm aus Musik, Kunst, Literatur, Architektur und Design zu begeistern – seit jeher die tragenden Säulen des Hauses.
Dafür organisiert sie beispielsweise gemeinsam mit dem Bachfestival der Stadt, der Bach Biennale, Lunchkonzerte nach Londoner Vorbild, bei denen junge Künstler und Studierende des Instituts für Alte Musik der nebenliegenden Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar 30-minütige Musikprogramme rund um Bach sowie Barockmusik unterschiedlicher Couleur vortragen – im Anschluss dürfen alle Musikbegeisterten gleich im Restaurant AnnA und auf der idyllischen Gartenterrasse Feines aus der Küche genießen.
Einzigartig in all seinen Facetten
Insgesamt verfügt das Hotel Elephant Weimar über 99 Zimmer in sechs Kategorien, vom Classic Zimmer mit 15 Quadratmetern bis zur 100 Quadratmeter umfassenden Executive Suite. Alle Räume wirken leicht und hell und strahlen durch das harmonische Ensemble aus Naturfarben, Möbeln und Deko in wertigem Design zeitlose Eleganz aus. Als ausgefallenes Statement an das Reisen vergangener Zeiten treffen Gäste in manchen der Zimmer zudem auf einen extra angefertigten Überseekoffer, der modernes TV-Entertainment, eine Minibar und einen Sekretär verbirgt.
Neben der allgemein an den Art-déco- und Bauhaus-Stil angelehnten Inneneinrichtung bietet das Portfolio drei Themensuiten, welche die großen Namen früherer Gäste und wichtiger Persönlichkeiten tragen: die Thomas-Mann-, die Walter-Gropius- sowie die Lyonel-Feininger-Suite.
Die Designer und Innenarchitekten gaben nicht nur den Zimmern und Aufenthaltsräumen ein neues Gesicht, auch das kulinarische Angebot wurde überarbeitet. Das Restaurant AnnA versteht sich nun nicht mehr ausschließlich als exklusives Gourmet-, sondern eher als urban-legeres, stilvolles und geschmackssicheres Restaurant mit insgesamt 90 Sitzplätzen. »Wir möchten keine spießige Atmosphäre, sondern ein Ambiente bieten, in dem die Gäste anspruchsvolle Gastronomie genießen können und sich dabei gerne unterhalten«, betont Winter ausdrücklich.
Küchenchef Johannes Wallner bringt hierfür eine authentische, unkomplizierte Küche auf die Karte und spielt vorrangig mit frischen regionalen und saisonalen Produkten sowie Einflüssen aus der ganzen Welt. Das Restaurant AnnA empfängt externe Gäste täglich ab 12 Uhr, die Hausgäste werden montags bis freitags von 6.30 bis 10.30 Uhr und am Wochenende von
7 bis 11 Uhr mit einem umfangreichen Frühstück verwöhnt.
Freude am Genuss im Fokus
Feinkost-Fans können besondere Augenblicke und Erlebnisse in der Bar und Weinkost des Hauses erfahren. Letztere kann man sich als eine Art Inhouse-Shop vorstellen, der feine Spirituosen, ausgewählte Leckereien zum Mitnehmen, Hausgemachtes und Geschenke anbietet, die die Erinnerungen an das Hotel Elephant Weimar lebendig halten. Auf der angeschlossenen Marktterrasse heißt es »sehen und gesehen werden« und am Abend wird die Bar zum Kommunikations-Treffpunkt.
In Kooperation mit Köchen und verschiedenen Weingütern hat das Boutiquehotel eine Veranstaltungsreihe etabliert: »Elephant’s Finest« steht einerseits für Kochevents (»Geschmackssache«) und außerdem für Weinverkostungen (»Weintalks«), die seit Juli 2021 jeden letzten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr wieder fest zum Programm gehören.
Für Tagungen und größere Events stehen nach wie vor rund 430 Quadratmeter Veranstaltungs- und Bankettfläche zur Verfügung, beispielsweise in der Beletage und im Kaminzimmer sowie dem Salon Carl August.
Große Jubiläumsfeier wird nachgeholt
2021 sollte für das Elephant eigentlich ein ganz großes Jahr werden. Von der Logistik über das Programm bis zur Gästeliste – alles war schon für die Jubiläumsfeier zum 325. Geburtstag geplant. »Keine Frage, wir hätten den 17. Februar sehr gern gemeinsam mit all unseren Gästen im Rahmen eines besonderen Kunst- und Kulinarikprogramms begangen, wir müssen uns aber noch gedulden«, so Winter. Stattdessen wurde ganz leise gefeiert, zum Beispiel mit der Präsentation einer speziellen Abfüllung des Weingutes Bickel-Stumpf, mit limitierter Edition von 400 Flaschen Riesling, die über den Shop angeboten wurden. Nach-geholt wurde die Feier direkt an Goethes Geburtstag, dem 28. August – mit einem umfassenden kulturellen sowie kulinarischen Programm. Der Dichterfürst selbst hat an diesem Ort bereits seinen 80. Geburtstag mit viel Madeira begossen. Von nun an wird wieder zusammen gefeiert und das Team um Hoteldirektor Stefan Schwind blickt erst einmal wieder belebteren Zeiten entgegen. »Wir freuen uns jetzt darauf, Stück für Stück zur Normalität zurückzufinden.«
Eine Vergangenheit wie keine andere
1542 wurde das Haus des Elephant im Zentrum der Kulturstadt erstmals urkundlich erwähnt und gehört damit als Gasthaus zu den ältesten Deutschlands. Am 17. Februar 1696 erhielt dort am Markt 19 der fürstliche Mundschenk Christian Andreas Barritig, ein Hofbediensteter, der für die Versorgung mit Getränken zuständig war, die Konzessionsurkunde für das Wirtshaus Elephant. Er besaß bereits den benachbarten Gasthof »Zum schwarzen Bären« und baute das Haus mit der Nummer 19 kurze Zeit später zum Quartier für Kaufleute und Reisende aus. Es wird gemunkelt, dass die Gebäude aufgrund des zu dieser Zeit noch weit verbreiteten Analphabetismus der Einfachheit halber Tiernamen erhielten, welche mittels grafischer Elemente dargestellt wurden. Barritigs zweites Haus durfte jedoch ruhig ein pompöserer, exotischerer Name zieren, der zudem an das Reisen in ferne Länder erinnert: So kam das Haus zu seinem Namen.
Bereits 1711 empfahl der Geograf und Universalgelehrte Johann Gottfried Gregorii in seinem Regional- und Reiseführer die Übernachtung im Logierhaus Elephant und sorgte damit für den Besuch zahlreicher Dichter und Musiker im Gasthof. Hier tafelten schon bald die »großen Klassiker« Wieland, Herder, List und Wagner. 1741 wurde das Elephant zur Poststation, wechselte immer wieder die Besitzer und zählte Schiller und Goethe zu seinen Nachbarn. Auch die weltberühmte Herzogin Anna Amalia Bibliothek befindet sich nur zwei Gehminuten vom Traditionshaus entfernt. Von 1893 bis 1933 leitete Paul Leutert das Hotel, begrüßte unter anderem Lyonel Feininger sowie zu Bauhaus-Zeiten Walter Gropius und Johannes Itten mit ihren Ehefrauen.
Im Sommer 1937 dann musste das historische Haus einem Neubau weichen – Adolf Hitler drängte zu einem politisch motivierten Abriss und Wiederaufbau des »modernsten Hotels Europas«, das schließlich Ende 1938 wiedereröffnete. Nach der Niederlage der Nationalsozialisten wurde das Hotel 1945 zum Militärquartier, erst für die amerikanischen, dann die russischen Streitkräfte. Von 1945 bis 1951 war das Haus für Zivilisten geschlossen und diente als Internat für angehende Russischlehrer, bevor es ab 1955 erneut als Hotel fungierte, indirekt beeinflusst durch den Besuch des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, der dem Hotel in seinem Roman »Lotte in Weimar« ein literarisches Denkmal setzte, indem er Goethes Jugendliebe dort übernachten lässt.