Die Trüffel im Exklusiv-Interview
von Sebastian BütowWenn jemand die Bezeichnung »Delikatesse« verdient, dann Sie. Würden Sie das so unterschreiben?
Mit diesem Begriff kann ich ehrlich gesagt nicht so viel anfangen, damit schmückt sich heutzutage jede zweite Leberwurst. Richtig ist, dass ich eine Magie mitbringe, die sonst kein Lebensmittel zu bieten hat. Ich veredele die Speisen, die mit mir zubereitet werden, und zwar so maßgeblich, dass Spitzenköche und Feinschmecker mich als Tuner Nummer eins der gehobenen Küche betrachten. Das gilt allerdings nur für Trüffel, die kulinarisch auch wirklich wertvoll ist.
Wie behandelt man Sie grammatikalisch richtig? Heißt es »der« oder »die« Trüffel? Lautet die Mehrzahl »Trüffel« oder »Trüffeln«?
Da kann man nichts falsch machen, weil der Duden alle diese Varianten erlaubt. Unter Fachleuten ist es allerdings immer die Trüffel.
Werden Sie wirklich noch vom legendären Trüffelschwein aus der Erde ausgebuddelt?
Nein, fast gar nicht mehr! Ich vermehre mich, wenn ich von Schweinen gefressen und wieder ausgeschieden werde. Weibliche Schweine sind scharf auf mich, weil mein Duft dem Sexualhormon männlicher Schweine ähnelt. Daher stammt also der Mythos vom Trüffelschwein. Sauen finden die Trüffeln, graben sie aus. Das Problem dabei ist, dass sie sehr stürmisch werden und mich auffressen. Damit die Trüffel-Bauern nicht leer ausgehen, stecken sie den Schweinen einen Maiskolben in den Mund. Die weitaus effektiveren Trüffelschweine sind: Hunde.
Weil sie die Trüffeln nicht verschlingen?
Sie sind dafür natürlich prädestiniert mit ihrem Geruchssinn, werden speziell dafür trainiert und sind in der Lage, größere Mengen an Trüffeln zu finden. So ziemlich jeder Hund kann dafür ausgebildet werden. Und richtig: Im Gegensatz zu Schweinen haben die Fellnasen kaum Interesse daran, mich aufzufuttern. Nur noch in wenigen Gebieten suchen heute Schweine nach mir, und das hat meistens nostalgische und touristische Gründe.
Apropos Gebiet – wo findet man die meisten weißen Trüffeln, also die edelsten Vertreter Ihrer Art?
In Molise, einer italienischen Region an der Adria. 40 Prozent der italienischen weißen Trüffeln stammen aus den Wäldern dieser Gegend.
Ein Kilo davon kann auch mal fünfstellig kosten. Was war der bisher höchste Preis, der für Sie bezahlt wurde?
Die Rekordsumme wurde 2016 auf der Trüffelmesse im italienischen Alba erzielt. Eine Gruppe Hobbyköche aus Hongkong blätterte für eine 900-Gramm-Trüffel sage und schreibe 100.000 Euro hin! Es handelte sich um eine Alba-Trüffel aus dem Piemont, die allerfeinste und teuerste Sorte meiner Wenigkeit. Günstiger werde ich in Zukunft eher nicht. Die Nachfrage steigt enorm, aber die Ernten fallen in Europa immer geringer aus.
Sie sind sündhaft teuer – es gab Zeiten, in denen Sie buchstäblich als Sünde galten…
Ja, ich kann mich erinnern. Im späten Mittelalter hetzten die Priester gegen mich, meine angebliche aphrodisierende Wirkung passte nicht in ihr Konzept. (Lacht.)
Was halten Sie von den preiswerteren chinesischen Trüffeln, die den teuren Périgord-Trüffeln zum Verwechseln ähnlich sehen?
Ich bitte Sie! Optisch sind sie von feinen schwarzen Trüffeln in der Tat nicht zu unterscheiden – geschmacklich liegen Welten dazwischen. Gehen Sie lieber zu McDonald’s, bevor Sie sich das antun. Experten teilen mich in drei Gruppen ein: kulinarisch wertvoll, kulinarisch vertretbar und kulinarisch wertlos. Die China-Ware zählt zu Letzterem, wird von Fälschern gerne auch mal mit künstlichen Aromastoffen bearbeitet. Es ist schon unglaublich, wie die Trüffelmafia einen übers Ohr hauen will.
Trüffel, wir danken Ihnen für das Gespräch.