Die Süßkartoffel im Exklusiv-Interview
Jetzt rede ich!
von Sebastian BütowKürzlich haben Sie wieder für Schlagzeilen gesorgt, weil Sie nun auch großflächig in Deutschland angebaut werden sollen. Eigentlich gelten Sie ja als tropisches Gemüse, das bei Minusgraden nicht gedeihen kann, oder?
Das ist richtig, Ihr Mitteleuropäer fahrt ja immer mehr auf mich ab, so langsam verliere ich meinen Status als exotisches Ab-und-zu-Gemüse. Sie meinen bestimmt die Berichterstattung über das Projekt mit meinem Anbau in Mecklenburg-Vorpommern.
Genau. Sogar das »heute-journal« im ZDF hat darüber berichtet.
Da sehen Sie mal! Ich werde immer relevanter, sag ich doch! Die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Güstrow-Gülzow startete eine Versuchsreihe. Endlich ist es so weit, die wollen mich im kalten Deutschland anbauen!
Dazu muss man wissen, dass Sie meist importiert werden und bisher nicht im großen Stil bei uns angebaut worden sind. Doch wegen des Klimawandels und wärmerer Temperaturen hofft man jetzt auch hierzulande auf erfolgreiche Ernten.
Ich bin gespannt. Es ist ja so: Je eher die Temperaturen im Frühjahr steigen und je später sie im Herbst dann wieder absinken, desto größer stehen die Chancen. Wissenschaftler sind sich sicher, dass es mit bestimmten Sorten von mir klappen wird. Erste Freiland-Tests der Uni Weihenstephan-Triesdorf haben gezeigt, dass die Sorten »Beauregard« und »S8« besonders ertragsstark sind, auch in kälteren Gegenden. Wie bei meinem Namensvetter gibt es auch von mir die verschiedensten Typen. Die wollen auch erforschen, ob mein Blattgrün genutzt werden kann. Das wird in einigen afrikanischen Ländern wie Spinat zubereitet.
Sie werden Ihren Erfolg also Folgen des Klimawandels zu verdanken haben?
Klimawandel hin oder her – die Leute mögen mich und es ist an der Zeit, dass ich auch bei euch angebaut werde! In den letzten Jahren habe ich mich bei euch aus dem Nischen-Dasein befreit, bin mega-angesagt. Von Jahr zu Jahr steigt mein Import im zweistelligen Bereich an. Meine Fans sollen ruhig noch mehr von mir bekommen. Und wenn ich nicht mehr Tausende Kilometer transportiert werden muss, ist das doch auch gut für die Umwelt.
Wo kommen Sie ursprünglich her?
Laut Alexander von Humboldt stamme ich in meiner Urform aus Mittelamerika. Als Kolumbus nach Amerika kam, wurde ich schon längst angebaut. Dank freigelassener Sklaven startete ich von dort meinen Siegeszug in die große weite Welt, zuerst ging’s nach Afrika. Die Sklaven gaben mir den Namen »Nyami«, deshalb nennen mich die Südstaatler heute noch »Yam«.
Heute sind Sie berühmt auf der ganzen Welt.
Das kann man wohl sagen. Mehr als 100 Millionen Tonnen werden weltweit von mir geerntet, den größten Anteil hat China. Und in den Charts der Weltproduktion von Wurzel- und Knollenpflanzen stehe ich auf dem dritten Platz!
Wer ist noch vor Ihnen?
Die Kartoffel und Maniok.
Warum tragen Sie eigentlich die Kartoffel im Namen, wenn Sie kaum etwas gemeinsam haben?
Das ist eine berechtigte Frage, weil wir uns so ähnlich sind wie Äpfel und Birnen. Die Kartoffel zählt ja zur Familie der Nachtschattengewächse, ich dagegen gehöre zu den sogenannten Windengewächsen. In vielen Ländern bin ich die Königin der Beilagen. Wer in den USA etwas auf sich hält, serviert mich zum Thanksgiving-Truthahn. Ich kann mehr als nur Pommes und werde auch bei euch mit meiner Vielfalt durchstarten!
Süßkartoffel, wir danken Ihnen für das Gespräch.