Der Mais im Exklusiv-Interview
von Sebastian BütowWenn der Sommer langsam Goodbye sagt, beginnt Ihre Erntezeit. Sind Sie schon aufgeregt?
Ehrlich gesagt hält sich das bei mir in Grenzen. Ich erlebe dieses Prozedere seit acht- oder neuntausend Jahren, man gewöhnt sich daran. Aber ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass ich weltweit nicht nur die größte, sondern auch die erfolgreichste Getreideart bin. Über 800 Millionen Tonnen werden jährlich von mir produziert, das ist eine Menge Holz!
Wo fühlen Sie sich heimisch?
Ich würde sagen, als Weltmann mit amerikanischen Wurzeln. In den USA ist der Maisanbau am weitesten verbreitet. Im »Corn Belt« (Maisgürtel, d. Red.) wird ein Drittel bis die Hälfte des gesamten Maises der Erde auf gigantischen Feldern angebaut. Der Maisgürtel liegt im Mittleren Westen, erstreckt sich über die Bundesstaaten Iowa, Indiana, Illinois und Ohio.
Ursprünglich kommen Sie aber aus …
… Mexiko. Die Speisen dort präge ich bis heute wie kein anderer. Ohne mich hätten die Amigos echt Probleme, so wie ihr ohne Kartoffeln. (Lacht.) Als der Christoph (Kolumbus, d. Red.) mich in der Karibik entdeckt hat, war es für ihn wie Liebe auf den ersten Blick, er schipperte mich nach Spanien. Da habe ich mich auch sehr wohlgefühlt. Bei euch hat’s ein bisschen gedauert.
Erst einige Jahrhunderte später hat der Maisanbau auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz funktioniert. Woran lag das?
An den Temperaturen! Erst in den 1960er-Jahren, als neue, weniger kälteempfindliche Züchtungen emporkamen, konnte ich in Mitteleuropa durchstarten und landwirtschaftlich angebaut werden. Es freut mich, dass ich von euch so viel Liebe bekomme.
Wie meinen Sie das?
Im Radio höre ich ständig Songs wie »Mais, Mais, Baby«, »Like Mais in the Sunshine« oder »Baby, es gibt Mais!«. Es heißt immer, ihr wärt so kartoffelvernarrt, aber sind wir doch mal ehrlich: Der ollen Knolle hab ich doch längst den Rang abgelaufen.
Jetzt vergleichen Sie aber Äpfel mit Birnen. Die Kartoffel ist ein Gemüse, Sie sind ein Getreide.
Ein ziemlich zeitgemäßes Getreide! Immer mehr Leute stellen ihre Ernährung um, schicken den Weizen zum Teufel, weil sie mit Gluten nichts mehr zu tun haben wollen. Bei mir haben sie in dieser Hinsicht nichts zu befürchten!
Auch ich habe kürzlich meine Ernährung umgestellt, die Chips liegen jetzt links vom Laptop. Warum sind Nachos eigentlich dreieckig?
Weil sie traditionell aus Tortillas, den runden mexikanischen Teigfladen, geschnitten wurden. Sehr lobenswert, dass Sie Maischips bevorzugen, die enthalten nicht so viel Fett wie die vom Kollegen Kartoffel.
Woran liegt das?
Ein weiterer Pluspunkt meinerseits: Maismehl saugt beim Frittieren einfach weniger Fett auf.
Aktuell legen Sie auch als kompostierbare Verpackung eine steile Karriere hin.
Ja, der Plastikmüll verschmutzt bekanntlich die Meere, überfüllt die Deponien. Aus meiner Stärke werden als Alternative auch Joghurtbecher und viele andere Verpackungen hergestellt.
In nahezu jedem Kino sind Sie der King. Die Welt ist im Wandel, aber seit es Filmtheater gibt, gehören eine Tüte Popcorn oder eine Portion Nachos mit Käsesoße einfach dazu. Wie haben Sie das geschafft?
Zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise in den USA war Popcorn ein günstiges Nahrungsmittel, die Leute nahmen es mit ins Kino. Erst haben die Kinobesitzer es verflucht, um dann selbst damit Kasse zu machen. An dieser Symbiose hat sich bis heute nichts geändert: Die Leute sind einfach so konditioniert, dass sie neben den Kinokarten eine Tüte Popcorn dazukaufen. Ich find’s köstlich!
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.