Der Herr der guten Schlossgeister
Hotelier Bernd Reutemann setzt auf kleine Dinge, die große Wirkung erzielen ...
von Daniela MüllerEs sind definitiv gute und fleißige Schlossgeister, die im alten Bischofschloss in Markdorf umgehen. Sie bemalen Frühstückseier mit einem Lachgesicht, legen Gute-Nacht-Geschichten aufs Kopfkissen oder stellen Schmunzelschilder unters Gästebett, z. B. mit der Aufschrift »Machen Sie Sport oder suchen Sie etwas?«. Und sorgen auf diese Weise dafür, dass die Hotelgäste mit unvergesslich positiven Erinnerungen nach Hause zurückkehren. Wie man auf so was kommt? »Dafür muss ich nur achtsam durch die Welt gehen und beobachten«, verrät Bernd Reutemann, der nicht nur gemeinsam mit seiner Schwester Gerda das Hotel betreibt, sondern auch als sogenannter »Beratender Unternehmer« sehr erfolgreich Seminare zu den Themen Servicedesign und Unternehmenskultur anbietet.
Wein statt Wollmäuse
Die Idee für besagtes Schild unter der Schlafstätte entstand beispielsweise, so berichtet Reutemann, auf einem seiner Seminare: »Die Teilnehmer klagten darüber, dass die Gäste immer mehr Sauberkeitsmängel unter den Betten ausmachten.« Eine Ehrensache, dass die Gäste in seinem Hotel zwar keine Wollmäuse unter dem Bett finden, dafür ist die Mühe, unter die Schlafstätte zu kriechen, dennoch nicht umsonst: Neben dem Schmunzeleffekt wartet in einem Zimmer nämlich ein ganz besonderes Schild mit der Aufschrift »Herzlichen Glückwunsch! Sie haben eine Flasche Wein gewonnen – bitte melden Sie sich beim Schlossgeist an der Rezeption« auf seinen Finder.
Wir geben den Leuten kleine, positive Erinnerungen, die sie
in angenehmen Zusammenhängen von früher kennen
»Das ist unsere empirische Messeinrichtung«, lacht der Hotelier. »Dank dieser können wir nachweisen, dass etwa 60 Prozent der Gäste tatsächlich unter das Bett schauen!« Dabei geht es längst nicht nur um den Überraschungsmoment – vielmehr spielt der Vollblut-Gastgeber mit dieser kleinen Maßnahme zwei Trumpfkarten beim Gast aus: Er strahlt Kompetenz aus, denn unter dem Bett ist es natürlich sauber, und er überrascht durch eine Aktion, die ihn beim Gast sympathisch wirken lässt – zwei wichtige Voraussetzungen, die das Mindness Hotel bei seinen Gästen zu einem echten »Love Brand« macht.
»Retrovation« oder ein Hauch der guten alten Zeiten
Doch es sind nicht allein die vielen kleinen Überraschungen, mit denen das Hotel bei seiner Klientel punktet. Bewusst setzt der Hotel-Chef auf den »Retrovation«-Trend – einen Mix aus Retro und Innovation. Soll heißen: In der Vergangenheit als angenehm empfundene Dinge werden innovativ in der Gegenwart eingesetzt. So gibt es in der Tagungspause die einst überaus beliebten Mohrenkopfsemmeln, einige Zimmer warten mit Plattenspielern auf, als Deko ziert ein Bonanza-Rad die Lobby – und so mancher Manager wacht im Mindness Hotel das erste Mal in seinem Leben in einem rosa Prinzessinnenzimmer mit echtem Himmelbett und Freundschaftsbüchern aus den 80ern auf.
»Wir geben den Leuten kleine, positive Erinnerungen, die sie in angenehmen Zusammenhängen von früher kennen – oder schenken Erfahrungen, mit denen niemand rechnen würde«, berichtet Bernd Reutemann. Dass der gelernte Koch bei der Auswahl und Produktion der Speisen, die im Mindness Hotel auf dem Tisch landen, ebenso auf die guten alten Werte der frischen, regionalen Küche setzt, versteht sich.
Die Extrameile für den Gast
Reutemann bezeichnet sich selbst als »Querdenker« – und er ist stets bereit, eine »Extrameile« für seine Gäste zu gehen. Soll heißen: Er will besser sein als nur gut. Und ausschließlich Spitzenleistungen abliefern. Seine wichtigste Waffe dabei: der gesunde Menschenverstand. »Ich brauche keinen Trend- oder Zukunftsforscher, um zu wissen, was sich meine Gäste oder meine Mitarbeiter wünschen. Dafür muss ich nur achtsam sein und ihnen mit Wertschätzung begegnen«, resümiert der Hotelier sein simples Erfolgsrezept. Dass es funktioniert, davon zeugen die Beliebtheit seines Hotels bei Jung und Alt sowie zahlreiche Auszeichnungen, die Reutemann in den vergangenen Jahren in Empfang nehmen durfte. Dazu zählen die mehrfachen Würdigungen als bestes Dienstleistungsunternehmen Baden-Württembergs, Tagungshotelier des Jahres und Top-Tagungshotel in Deutschland.
Ausgezeichnete Gastgeber-Gene
Die Tugend der Gastfreundschaft bekam Bernd Reutemann quasi in die Wiege gelegt: Seine Eltern besaßen ein kleines Gasthaus mit Metzgerei und Kegelbahnen. »Meine Hausaufgaben habe ich meistens am Stammtisch gemacht, und meine Häkelarbeiten hat die Bedienung erledigt«, schmunzelt der 47-Jährige. Seine Mutter, betont er, sei Gastgeberin aus Leidenschaft gewesen, trotz der harten Arbeit, der sie und der Vater sich mit Leib und Leben verschrieben hatten. Das habe ihn geprägt.
Noch eine weitere Person beeindruckte den gebürtigen Meckenbeurer nachhaltig: Edouard Golenser, heute Ritter der Ehrenlegion, damals Reutemanns Sportlehrer. »In der ersten Sportstunde kündigte er an, dass vergessene Sportkleidung das Turnen in Unterhose zur Folge hätte. In der zweiten Stunde traf es einen Klassenkameraden. Da wussten wir alle: Der zieht das durch. Seinen Turnbeutel hat keiner mehr vergessen«, sagt der Hotel-Chef und lacht. Von Golenser habe er die Notwendigkeit gelernt, im Leben konsequent zu sein – auch bei seinen Mitarbeitern. »Fair, aber konsequent«, fügt er hinzu. Und noch ein Satz des gebürtigen Franzosen während eines Fußballtrainings klingt bei ihm noch heute nach: »Reutemann, du wirst irgendwann besser sein als das Naturtalent der Klasse. Du hast zwar nicht sein Talent, aber du bist ein Ackerer, und du bist fleißig. Merk dir: Der Fleißige wird das Talent immer schlagen!« Reutemann hat es sich gemerkt.
Andere Länder, andere Denkweisen
Was auch immer aus dem damaligen Fußballtalent wurde, Bernd Reutemann hat es geschafft, mit Fleiß und einer gehörigen Portion Gastgebertalent seinen Weg zu machen. Nach der Kochlehre zog es ihn zunächst in die weite Welt: die USA, Hawaii, Asien, Neuseeland. Nicht nur fremde Länder lernte er dabei kennen, sondern ganz unterschiedliche Küchen und Denkweisen. In Neuseeland gab es damals z. B. bereits viele »Organic-Produkte«, und die vegane Ernährung war dort 1992 schon ein Thema. »Auch diese Zeit hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin«, so der Hotelier. Wieder in Deutschland, perfektionierte er an der Hotelfachschule Heidelberg seine unternehmerischen Talente und wurde Leiter der DEHOGA-Beratung in Stuttgart, schließlich machte er sich selbstständig. Es war eines seiner Beratungsobjekte, das ihn zum Schlossherrn machte.
Hotel muss dem Rathaus Platz machen
»Ich hatte ein Exposé erstellt und ging damit zum damaligen Eigentümer des Bischofschlosses, Albert Weber«, erzählt Reutemann. »Er fand mein Konzept so gut und nachvollziehbar, dass er mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könne, es umzusetzen.« An der Ehre gepackt, schritt er zur Tat. Der Rest ist Schlossgeschichte. Leider ohne Happy End – denn Ende des kommenden Jahres müssen das Hotel und seine Schlossgeister, wie Reutemann seine Mitarbeiter liebevoll nennt, umziehen. Die Stadt hat das Gebäude gekauft und plant nun, das Rathaus in das imposante Gebäude im Herzen der Markdorfer Altstadt zu verlegen.
Gerne hätte der Hotelier das verhindert, jedoch sprachen unternehmerische Gründe dagegen. »Wir haben das Hotel 14 Jahre aufgebaut und zu dem gemacht, was es heute ist. Natürlich fällt es uns da nicht leicht, es aufzugeben«, sagt er. Allerdings wäre ein weiteres Engagement seinerseits mit Expansionsplänen verbunden gewesen, deren notwendige Rahmenbedingungen die Stadt nicht möglich machen konnte. Nun will er seine Pläne an einem anderen Ort – nahe gelegen, wie er verrät – umsetzen. Größer und anders solle es werden. Und auch seine Schwester Gerda werde wieder als Geschäftspartnerin im Boot sein. »Ich sehe es positiv. Für mich müssen Dinge »unique«, einzigartig, sein und Spaß machen. Schloss haben wir jetzt schon ganz schön lange gemacht. Etwas Neues reizt uns deshalb sehr.«
Volles Programm, bis zum Schluss
Wer jetzt denkt, im Mindness Hotel Bischofschloss beginnt angesichts dieser Tatsachen bereits der Ausverkauf, irrt gewaltig. Bis zum Schluss möchte Bernd Reutemann für seine Gäste das volle Programm bieten. Weder im Service noch bei der Ausstattung oder in der Küche wolle man nachlassen – mit dem Ziel, am letzten Tag im Bischofschloss noch unter den Top-3-Tagungshotels zu sein. Gerade haben er und seine Schwester in neue Teppiche investiert. »Betriebswirtschaftlich ist das natürlich ein Blödsinn«, weiß er. »Aber es ist einfach notwendig, und wir können da nicht anders, sonst wären wir nicht mehr zufrieden mit dem, was wir tun.«
Arbeitsverträge in Landessprache
Seine 40 Mitarbeiter, die guten Schlossgeister, wollen ihm ebenfalls die Treue halten. Das Personal war grundsätzlich über alle Entwicklungen informiert – ein Zeichen der Wertschätzung, die der Hotelier seinen Angestellten entgegenbringt. »Meine Leute vertrauen mir und wissen, dass ich sie niemals enttäuschen würde«, ist sich Reutemann sicher. »Alle wollen bei uns bleiben.« So viel Zusammenhalt spricht für gute Führungsarbeit, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Wie für seine Gäste, geht er für seine Mitarbeiter »gerne eine Extrameile«. Persönliche Geburtstagsglückwünsche, aufmunternde Worte am Prüfungstag – notfalls per SMS –, das ist ein Muss für den bodenständigen schwäbischen Unternehmer. Alle Arbeitsverträge sind außerdem in der Landessprache des jeweiligen Angestellten verfasst. »Das ist doch nicht viel Aufwand, und doch drückt es so viel Wertschätzung aus«, betont er.
»Ich würde sagen, ich bin als Chef sehr geradlinig und direkt. Ich habe mit den Mitarbeitern, die hier einen guten Job machen, viel Spaß. Ich habe wenig Spaß an den anderen – und die nicht mit mir«, bekennt Reutemann. »Ich schütze die Guten vor den Schlechten. Meine Mitarbeiter würden, glaube ich, sagen: Mit dem kannst du gut arbeiten, wenn du dich an die Regeln hältst.«
Unser Ziel ist es, am letzten Tag noch unter den Top 3 der
Tagungshotels zu sein
Mittendrin statt nur dabei ...
Die Tatsache, dass Bernd Reutemann ein Vorgesetzter ist, der mit anpackt, kommt beim Team ohnehin gut an. In der Küche, am Empfang oder wenn Not am Mann ist, auch im Housekeeping. Positiver Nebeneffekt: Der Chef ist an den operativen Prozessen in den einzelnen Abteilungen direkt beteiligt. So kann er schnell aufdecken, wo der Schuh bei Gästen oder Mitarbeitern drückt und Verbesserungen in den Abläufen notwendig sind. All den zeitfüllenden Aufgaben zum Trotz: Sein ausgeglichenes Privatleben ist dem Vater zweier Töchter wichtig. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er zusätzlich zu Hotel und Beratungsunternehmen noch eine Landwirtschaft. Wenn die Zeit es erlaubt, spielt er Tuba in einem Orchester oder produziert Schnaps in der eigenen Brennerei. All das sorgt für den notwendigen Ausgleich zum Hotelalltag. Und für einen freien Geist, dem sicher noch viele verrückte Ideen entspringen, die bei den Gästen für den ganz besonderen »Wow-Effekt« sorgen.
Little Big Things – einige Beispiele aus dem Mindness Hotel
- Im Mindness Hotel wird regelmäßig der Gast des Monats von den Mitarbeitern gewählt. Das sind Gäste, die besonders liebenswert oder sympathisch waren – oder die sich über etwas beschwert haben und dem Team des Hotels damit die Chance gaben, sich zu verbessern
- Der »Papa-hast-du-mir-was-mitgebracht-Service«: ein Korb mit kostenlosen kleinen Geschenken für Kinder aller Altersklassen
- Damit kleine Gäste sich ganz groß fühlen: eigene Meldescheine für Kinder und Cocktails speziell für Kids
- Das Single-Kissen für Alleinreisende – mit angenähtem Arm zum Kuscheln
- Webcam im Kühlhaus: Frische-Transparenz vom Feinsten
- Getränkeservice für Gäste, die im Stau stehen
- »Aktion Erstbezug«: Nach jedem Gast wird jedes Kissen und jede Decke komplett gereinigt
Mindness Hotel, Markdorf
- 4 Sterne Superior
- 44 Zimmer, individuell eingerichtet
- Restaurant mit regionaler Frischküche
- Seminare, Tagungen, Familienurlaub
Kontakt:
Mindness Hotel Bischofschloss
Schlossweg 2, 88677 Markdorf
www.bischofschloss.de, www.bernd-reutemann.de