Der Glückskeks im Exklusiv- Interview
Jetzt rede ich!
von Sebastian BütowDieser Keks kann Spuren von Glück enthalten.
Sie gehören zum Inventar von China-Restaurants wie Essstäbchen – obwohl Sie gar nicht aus China stammen, wie die meisten vermuten.
Tja, den meisten Menschen bin ich nun mal aus Lokalen mit fernöstlicher Küche bekannt. Die Pointe dabei ist, dass ich erst in den Neunzigerjahren nach China gelangt bin! Bis dahin war ich dort völlig unbekannt.
Wer hat Sie denn erfunden?
Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Geschichten und Theorien dazu kursieren. Die meisten davon klingen ziemlich schräg.
Dann schießen Sie mal los.
Meine Lieblings-Entstehungsgeschichte soll sich im 13. Jahrhundert abgespielt haben, und zwar in China! Ein armer Prinz liebte die Tochter des Herrschers. Diese war jedoch einem reicheren Prinzen versprochen und musste diesen heiraten, um die Länder der beiden großen Herrscher zu vereinen. Die Tochter durfte ihre große Liebe nicht wiedersehen. Daraufhin schickten sich die beiden unglücklichen Liebenden immer wieder Nachrichten, versteckt in Gebäck. So planten sie auch ihre gemeinsame Flucht – und lebten schließlich glücklich zusammen.
Wow, was für eine Geschichte! Haben Sie noch eine auf Lager?
Jetzt mal im Ernst, mit großer Wahrscheinlichkeit stamme ich aus Japan. Mein Durchbruch gelang mir in Kalifornien, Anfang des 20. Jahrhunderts: Japanische Einwanderer brachten mich dorthin und verteilten mich in Teehäusern, wenn die Gäste bezahlten. Viele Restaurants klauten die Idee, ich wurde zum Megastar. Sie müssen mir bitte nachsehen, dass es Spaß macht, mit meiner nicht genau ergründbaren Herkunft zu kokettieren. Mehr möchte ich nicht verraten, Legendengeheimnis und so, verstehen Sie? Ich bin so ziemlich das einzige Lebensmittel, das wirklich etwas mitzuteilen hat. Aber ich bewahre mir aus guten Gründen gewisse Geheimnisse …
Verstehe. Wer produziert eigentlich die meisten Glückskekse?
Die Antwort wird Sie vielleicht überraschen. Es ist ein Landsmann von Ihnen! Der Unternehmer Ralph Schäfer backt in seiner Spezialbäckerei in Bad Abbach (bei Regensburg, Anm. d. Red.) die meisten Exemplare meiner Wenigkeit. Aktuell rund zwölf Millionen pro Jahr, er gilt als einer der weltgrößten Hersteller. Dass Schäfer so erfolgreich wurde mit mir, hat er dem Topmodel Naomi Campbell zu verdanken.
Wie bitte? Kommt jetzt wieder so eine schräge Story wie mit der Prinzessin?
Es war so: Ende der Achtzigerjahre erhielt Schäfer als Süßwarenhersteller den Auftrag, für eine Werbekampagne mit Naomi Campbell unter dem Motto »be happy« mehr als eine Million Glückskekse zu liefern. Schäfer bemängelte den pappigen Geschmack der zugekauften Glückskekse. Und so tat er sich mit einem befreundeten Bäcker zusammen, um dem Glück einen feineren Geschmack zu verleihen.
Die meisten lieben Sie für Ihre Texte im Inneren der Kekse. Haben Sie einen Lieblingsspruch?
Hmmm… (Überlegt.) »Nimm dir noch einen Keks!« hat mir gut gefallen. Und »Alkohol löst keine Probleme, aber das tut Kamillentee ja auch nicht« war für mich eine wegweisende Erkenntnis.
Gibt es den Beruf »Glückskekse-Texter« wirklich?
Klar! Vielleicht wäre das ja mal eine Abwechslung für Sie? Der US-Marktführer »Wonton Food« zählt 15.000 verschiedene Sprüche in seiner Datenbank und bezahlt für diese auch professionelle Texter. Die Texte richten sich nach dem Zeitgeist, fernöstliche Weisheiten sind nicht mehr so angesagt.
Glückskeks, wir danken Ihnen für das Gespräch.