Der Champagner im Exklusiv-Interview
Jetzt rede ich!
von Sebastian BütowSilvester klopft langsam, aber sicher an die Tür. Ein besonderer Tag für Sie?
Harald Juhnke hat ja mal gesagt: »Ich hasse Silvester, dann saufen auch die Amateure.« (Lacht.) Für mich ist das natürlich eine wunderbare Sache, ein Ereignis, an dem viele Menschen an mich denken und dann auch ein paar Scheinchen für mich in die Hand nehmen. Silvester muss es prickeln, die Korken müssen knallen! Deshalb halte ich mich für ziemlich alternativlos am 31. Dezember.
Wirklich? Immer wieder hört man Sprüche wie:
»Ich kenne da einen ganz exquisiten Winzersekt, der kann es ganz locker mit einem guten Champagner aufneh…«
Ach, hören Sie doch auf. Es gibt auch Leute, die ihren Opel für eine Design-Offenbarung halten. Jeder darf seine Meinung frei äußern, und das ist auch gut so. Aber im Ernst: Ich schließe nicht aus, dass es für Champagner im Bereich bis – sagen wir mal – 50 Euro preiswerte Alternativen gibt. Aber nur Champagner ist Champagner!
Wie meinen Sie das genau?
Wie Sie sicherlich wissen, ist mein Name sehr geschützt, und das nicht ohne Grund: Wer mich kauft, hat garantiert eine gewisse Qualität in der Flasche. Ich garantiere Ihnen: Im anspruchsvollen und somit hochpreisigen Bereich, machen wir uns nichts vor, kann keiner mit mir mithalten. Zu einem wunderbaren Dom Pérignon oder einem Bollinger Grande Année gibt es nun wirklich nichts Vergleichbares.
Im vergangenen Jahr haben Sie für einige erfreuliche Schlagzeilen gesorgt.
Das kann man wohl sagen! Meine Heimat wurde von der UNESCO offiziell zum Weltkulturerbe erklärt. War ja auch überfällig! Und in Sachen Absatz und Umsatz war 2015 ein Rekordjahr. Weltweit wurden über 300 Millionen Flaschen verkauft. Fast so viele, wie die USA Einwohner haben.
Lassen Sie uns über Ihre bewegte Geschichte sprechen. Seit wann gibt es Sie überhaupt?
Jetzt muss ich ein bisschen ausholen. Die Tradition des Weinbaus existiert in meiner nordfranzösischen Heimat seit Ankunft der Römer, die Weingüter bis zum fünften Jahrhundert kultivierten. Im 17. Jahrhundert begann man, den Wein direkt auf dem Gut in Flaschen abzufüllen – damit er länger frisch blieb. Die Flüssigkeit gärte in den Flaschen weiter, bildete Gase, die die Flaschen in den meisten Fällen zum Explodieren brachten oder von innen entkorkten. Diese Phase war sozusagen meine Geburtsstunde.
Kurz notiert: Der CHAMPAGNER
Nur die edelsten Trauben aus der Champagne dürfen verwendet werden. Eine Mindestlagerzeit von 15 Monaten ist vorgeschrieben. Champagner der Spitzenklasse lagern sogar bis zu fünf Jahre in dunklen Kellern. Ein guter Sekt begnügt sich dagegen mit neun Monaten. Die feinsten Perlen entstehen durch einen besonders hohen Aufwand bei der Lagerung und Aufbereitung. Je kleiner und zahlreicher die Perlen sind, desto feiner der Champagner. Aber ein guter Winzersekt, der länger als neun Monate gereift ist, kann mit seinem großen Vorbild durchaus mithalten.
Bitte fahren Sie fort! Wie ging es weiter mit Ihnen?
Nun, die vielen kaputten Flaschen hätten beinahe dafür gesorgt, dass meine Karriere früh wieder vorbei war. Aber trotz der vielen Scherben fand mein edler Geschmack seine Fangemeinde, vor allem die Engländer liebten mich. 1728 wurde durch einen Erlass des Königs erwirkt, dass Wein und insbesondere auch Champagner auch in Flaschen – und nicht nur in Fässern – transportiert werden durften. Das erwies sich als Vorteil im Handel mit mir.
Waren Sie denn schon immer ein Edelgetränk für die High Society?
(Lacht.) Nein! Ganz ursprünglich galten »Weine mit Kohlensäure« sogar als B-Ware, als Arme-Leute-Fusel! Erst Ludwig XIV., der gute alte Sonnenkönig, machte mich so richtig salonfähig. Der war ja bekannt für lässige, ausschweifende Orgien und erkannte, dass die Kohlensäure in mir nicht das Schlechteste ist, wenn man rauschende Partys will. Er war der Erste, der mir den Luxus-Stempel aufdrückte, und dafür bin ich ihm dankbar.
Letzte Frage: Taugt ein Löffel in der offenen Flasche wirklich, um Sie länger prickelnd zu halten?
(Überlegt kurz.) Eigentlich ist diese Frage meiner nicht würdig! Aber okay: Ein Löffel aus echtem Silber sorgt tatsächlich dafür, dass die Kohlensäure länger in mir bleibt. Aber einfache Metall- oder Plastiklöffel? So was hat in mir wirklich nichts zu suchen. Und Löffel hin oder her, bitte nicht länger als einen Tag, das müssen Sie mir versprechen!
Champagner, wir danken Ihnen für das Gespräch.