Das »Goldene« Hotel
Seit acht Jahren bietet das Hotel Aurelio in Lech selbst für Arlberger Verhältnisse eine besondere Form von Luxus
von Clemens KriegelsteinDas österreichische Lech am Arlberg ist – speziell im Winter – wohl eines der netteren Fleckchen Erde, auf denen man seine Zeit bzw. seinen Urlaub verbringen kann. Diverse Promis und der internationale (Geld-)Adel gehören hier fast zur Standardbelegung in der Top-Hotellerie. Ab einer gewissen Anzahl von Nullen auf dem Bankkonto neigen manche Menschen allerdings dazu, nicht nur eine Suite in einem Hotel zu mieten, wenn ihnen ein Ort gefällt, sondern gleich ihr eigenes Hotel zu bauen. So wie der russische Industrielle und Milliardär Oleg Deripaska, der 2006 zwei nebeneinanderliegende Grundstücke in Lech aufgekauft hat, auf denen sich ein kleines 3-Sterne-Haus und eine Privatpension befunden haben. Zwei Jahre später wurde an dieser Stelle nach Investitionen von rund 30 Mio. Euro ein 5-Sterne-Superior-Hotel mit dem klangvollen Namen »Aurelio« (lat. für »der Goldene«) eröffnet.
Glamour auf den zweiten Blick
Das Ergebnis sieht von außen erst mal eher unspektakulär aus, und auch ein erster Blick an die Rezeption erinnert zunächst nicht daran, dass man sich gerade im »teuersten Skihotel der Welt« befindet, wie ein Hotelbuchungsportal kürzlich festgestellt hat. Protz und Prunk sehen jedenfalls anders aus. Auch mit gerade mal acht Zimmern und zwei Suiten im Haupthaus sowie einem komplett zu mietenden Chalet (20.000–44.000 Euro/Nacht, durchschnittliche Belegung: etwa acht Personen) mit weiteren neun Zimmern plus Wohn-, Essbereich und eigenem Spa im Nebenhaus setzt man hier auf die Devise »klein, aber fein«.
Keine Abschottung nach außen
So, nachdem das Finanzielle jetzt also geklärt wäre, kann man sich anderen Fakten zuwenden. Als Manager und Hoteldirektor wurde von Deripaska mit Axel Pfefferkorn ein Mann mit viel Erfahrung (Auslandsstationen u. a. Oriental, Bangkok; Half Moon Hotel, Jamaika; Ritz-Carlton, Singapur) aus einer der bekanntesten Arlberger Hoteliersfamilien verpflichtet. »Das Haus ist bewusst sehr dezent gehalten«, erklärt Pfefferkorn, »einerseits, weil es hier eine strenge Bauordnung gibt, die nicht viel Spielraum lässt. Zum Glück muss man eigentlich sagen, denn dadurch gibt es in Lech auch keine Bausünden wie anderswo. Und andererseits, weil die Leute keine Schwellenangst haben sollen. Auch die Einheimischen oder Restaurantgäste von außerhalb sollen hier jederzeit mal hereinkommen und sich das Haus ansehen.«
Was jedem Besucher dabei schnell auffällt, sind die auf Hüfthöhe und damit ungewohnt niedrig angebrachten Türgriffe. Eine Idee des Designers, der sich vorher hauptsächlich mit der Ausstattung von Jachten beschäftigt hat und keinerlei Erfahrung bei Hotels hatte, seine Ideen also unvorbelastet einbringen konnte. So hat er sich bei der Höhe der Türgriffe an einem alten englischen Längenmaß orientiert, mit dem Ziel, den Raum optisch nach oben zu strecken. Interessante Idee, die nur leider dazu geführt hat, dass neben den Türen selbst jeder Türstock nach Maß gefertigt werden musste.
Gäste aus 40 Nationen
Naturgemäß ist die Hotelklientel, die sich zu einem großen Teil aus Stammgästen aus 40 verschiedenen Nationen zusammensetzt, eher von der solventen Sorte. Internationale Unternehmer und Industrielle findet man hier ebenso wie den einen oder anderen Promi, wobei selbstverständlich niemals konkrete Namen genannt werden. Diskretion zählt – wenig überraschend – zu den wichtigen Verkaufsargumenten in dieser Liga.
»Unsere Gäste zahlen hier schon auch Geld dafür, dass sie unter ihresgleichen sind, dass man als Prominenter keine Angst haben muss, ständig mit Autogramm- oder Selfiewünschen konfrontiert zu werden. Diese Leute können sicher sein, dass nicht am Nebentisch plötzlich einer mit dem Handy einen Schnappschuss macht und den am nächsten Tag der Yellow Press schickt«, wie Pfefferkorn es formuliert. Dabei sieht er das Aurelio kaum als Konkurrenz zur etablierten Lecher Top-Hotellerie wie Post oder Almhof Schneider. Pfefferkorn: »Unsere Gäste sind eher solche, die sonst in Privat-Chalets absteigen – die größere Hotels eher meiden und auf der Suche nach Privatsphäre sind. Das ist also eigentlich eine neue Gästeschicht, die jetzt im Aurelio nächtigt.«
Mundpropaganda statt klassisches Marketing
Diese (Stamm-)Gäste sind es auch, die mittels Mundpropaganda die besten und wichtigsten Botschafter des Hauses sind und es weltweit ihren Bekannten weiterempfehlen. Denn klassisches Marketing, etwa in Form von Inseraten, gibt es keines. Umso mehr setzt Pfefferkorn auf weltweite positive mediale Berichterstattung. Gerade am Anfang sei das internationale Medieninteresse enorm gewesen, weil man hier ein für Österreich völlig neues Angebot geschaffen habe. Zudem sei man das erste 5-Sterne-Superior-Hotel in Österreich gewesen.
»Und es ist uns wichtig, in Lech zu zeigen, dass wir ein ganz normaler Betrieb sind, wo jeder willkommen ist, wo jeder hereinkommen und etwas essen oder trinken kann – entweder eine Kleinigkeit an der Bar oder vor dem Kamin oder auch das große Menü in unserem 3-Hauben-Restaurant«, erklärt der Hausherr. Selbst der Spa-Bereich steht Tagesgästen zur Verfügung. Zu dieser Politik gehören beispielsweise auch Kaffee- oder Bierpreise, die gerade für Lecher Verhältnisse erstaunlich zivil sind. Hier wird in einfacheren Betrieben bisweilen heftiger zugelangt. Auch die Weinkarte, die natürlich alles bietet, worauf der Labeltrinker von Welt plötzlich Lust bekommen könnte, ist angesichts der Positionen durchaus fair kalkuliert. Ähnliches gilt für die Barkarte (die 1,5-l-Flasche Remy Martin Black Pearl, die um 100.000 Euro feilgeboten wird, vielleicht ausgenommen).
Buchungen sogar über booking.com
Erstaunlicherweise kann man ein Zimmer im Aurelio auch ganz normal über booking.com buchen. Ein Deal des Tages, bei dem das Doppelzimmer nächste Woche nur 1.800 statt 2.000 Euro kostet? »Ich habe lange überlegt, ob ich auf diese Plattform setzen soll, aber booking.com ist inzwischen ein wichtiges Marketingtool geworden, man kann so auch Präsenz zeigen. Und: Wir wissen, wie unsere Kunden buchen, nämlich nur in Ausnahmefällen selbst. So etwas erledigen Sekretärinnen, Assistenten oder andere Angestellte. Aber diese Leute machen sich die Buchung auch so einfach wie möglich, und wenn der Auftrag lautet, ein nettes Quartier am Arlberg zu suchen, dann arbeiten die mit der Plattform, die ihnen einen möglichst guten Überblick über die hier vorhandenen Hotels gibt, und das ist eben oft booking.com«, weiß Pfefferkorn. Allerdings soll es auch schon Anfragen von Usern gegeben haben, die wissen wollten, ob beim Zimmerpreis vielleicht eine Kommastelle verrutscht sei …
Das Konzept der Positionierung, des Angebotes und nicht zuletzt auch der verlangten Preise dürfte jedenfalls stimmen, denn das Haus schreibt bereits seit mehreren Jahren schwarze Zahlen. Was auch nötig sei, wie Pfefferkorn betont, denn schließlich müsse er alle Investitionen selbst verdienen: »Ich habe leider keine Goldbarren im Keller liegen. Und auch eine Mail nach Moskau mit dem Inhalt ›please send money‹ kann ich mir sparen.« Auch daher sei die Preisgestaltung zu verstehen, da dieses Haus mit »normalen« 5-Sterne-Preisen nicht rentabel zu führen sei.
Mehr Mitarbeiter als Gäste
Was wohl auch an der Mitarbeiterstruktur liegt. 43 Mitarbeiter kümmern sich hier in der Hauptsaison um das Wohl der maximal 38 (!) Gäste, oft genug sind es aber deutlich weniger. Wie man an entsprechend ausgebildetes Personal kommt? Einerseits klassisch über Inserate, andererseits häufig über Empfehlungen von bestehenden oder ehemaligen Mitarbeitern. Pfefferkorn: »Gerade auf diese Weise wird ja von meinen Leuten quasi schon eine Vorauswahl getroffen, denn die wissen, was bei uns verlangt wird. Wer sich dann konkret für uns eignet, merke ich aufgrund seines Lebenslaufes, wo er schon überall gearbeitet hat, und natürlich beim persönlichen Gespräch.« Klar, dass hier kein Platz für Leute sei, denen man das Handwerk beibringen müsse. Es werden auch keine Lehrlinge ausgebildet. Wer im Aurelio arbeitet, muss auf seinem Gebiet ein Profi sein. Und seinen Job lieben. Untergebracht werden die Kollegen dafür in einem eigenen Mitarbeiterhaus mit Einzelzimmern und allem Drum und Dran.
Mit dem Hubschrauber zum Privatjet
Neben den Mitarbeitern sorgen aber auch drei besondere »Spezialisten« für die Entspannung der Gäste: Alpakas. Das ist eine kleine Kamelart aus den Anden, die zwar scheu, aber auch recht zutraulich ist. Manche Aurelio-Gäste würden Stunden damit zubringen, die Tiere einfach zu beobachten. Auf Anfrage könne man mit ihnen sogar Wanderungen unternehmen. Ein selbst für verwöhnte Kunden spannendes Angebot. Andere auf Wunsch organisierbare Aktivitäten wie Heliskiing, Helikopter-Shuttles zum Golfen nach Kitzbühel oder zum Shoppen nach München, Jachtausflüge, Zeppelinflüge oder auch Butlerservice zählen bei der Klientel dagegen schon fast zum Alltagsprogramm.
Pfefferkorn: »Wir bieten solche Programme halt an, und wenn jemand einen Kaviarwickel haben möchte, dann bekommt er ihn bei uns. Aber der Großteil unserer Gäste kommt nicht hierher, um irgendwelche dekadenten Geschichten zu machen. Das kennen sie ohnehin und ist nichts Besonderes für sie. Wenn dann doch ein Hubschrauber bestellt wird, dann eher, um schnell nach Zürich zu einem Geschäftstermin zu fliegen oder nach Innsbruck, wo schon der Privatjet wartet, der den Gast zu einer Besprechung nach London fliegt. Und am Abend sitzt dieser Gast dann wieder im Aurelio vor dem Kamin und entspannt sich bei einem Drink. Aber hauptsächlich wollen die Leute ihre Ruhe haben, wollen relaxen, im Sommer wandern, im Winter Ski fahren. Sie suchen gute Qualität beim Zimmer, im Restaurant und im Spa-Bereich. Und sie wollen sich geben können, wie sie sich wohlfühlen. Der eine sitzt also mit Jeans und offenem Hemd beim Abendessen, der Zweite hat vielleicht ein Sportsakko an, und wieder einen Tisch weiter sitzt
eine Frau im kleinen Schwarzen. Dabei ist keiner über den Aufzug des anderen irritiert.« Und der Klischee-Russe im Trainingsanzug? Pfefferkorn grinst: »So was findet man bei uns nicht. Wer hier absteigt, hat Niveau und internationale Erfahrung.«
»Geht nicht« gibt’s nicht
Die Probleme, die das Aurelio-Team regelmäßig am meisten ins Schwitzen bringen, sind dann auch weniger die Sonderwünsche der Gäste an sich, denn in der Regel ist die Erfüllung jedes Wunsches nur eine Frage der Zeit und der Kosten. Und Letzteres spielt in dieser Liga keine Rolle. Bleibt der Zeitfaktor. Denn hier neigen manche Aurelio-Bewohner zu Spontaneität. Da fällt einem Gast in der Früh ein, dass er am Abend gerne eine am Spieß gebratene Ziege essen oder am nächsten Tag eine Party für 15 Freunde schmeißen möchte, mit allem, was dazugehört. Dann sind Organisationstalent und gute Kontakte gefragt. Letztlich konnte aber noch (fast) jeder Wunsch erfüllt werden. Nur als ein Gast wollte, dass die Liftanlagen auch zum Nachtskifahren am Abend in Betrieb genommen werden, musste Pfefferkorn passen … »Das verstehen die Leute dann aber auch, wenn man es ihnen erklärt. Die meisten haben ein ganz gutes Gefühl dafür, was mit gutem Willen machbar wäre und was tatsächlich nicht geht«, weiß der Hotelmanager.
Aber klar, dass bei dieser Art von Hotel jede Form von notwendiger Gästebetreuung im Preis inkludiert ist. Da geht bei Bedarf schon mal der Direktor persönlich mit einem Gast eine Skiausrüstung einkaufen, und ein anderer Gast, der nur selten in Linienflugzeugen sitzt (bzw. wenn, dann zumindest nicht ohne persönlichen Assistenten), wird am Flughafen buchstäblich bis zum Gate begleitet, um sicherzustellen, dass beim Check-in alles glattgeht. Pfefferkorn: »Und klar, dass wir uns auch bei den Privatjets unserer Kunden um das Catering kümmern, das sich selbstverständlich nach deren individuellen Vorlieben richtet.«
Wer hier absteigt, hat Niveau und internationale Erfahrung
Ganzjahresbetrieb als Ziel
Geöffnet hat das Aurelio üblicherweise von Anfang Dezember bis Mitte April und von Mitte Juli bis Ende September. (Ausnahme: Heuer wurde im Sommer nur an einzelnen Wochenenden für spezielle Veranstaltungen aufgesperrt. Grund dafür waren viele in Lech angekündigte Baustellen, und bei den Preisen wollte man seinen Gästen keine Baukräne vor dem Zimmerfenster zumuten.) Natürlich sei im Sommer generell weniger los, alles sei ein wenig relaxter, aber gerade das sei ideal, um alle Abläufe für die nächste Wintersaison einzuüben, in der Küche könne man diverse Menüfolgen ausprobieren etc. »Am liebsten wäre mir überhaupt ein Ganzjahresbetrieb, aber so weit sind wir – zumindest im Moment – leider noch nicht«, so der Aurelio-Direktor. »Aber wir müssen einfach selbstbewusster sein. Wir brauchen uns nicht zu entschuldigen, wenn es mal regnet. Es gibt so viele andere herrliche Dinge, die man hier auch bei Schlechtwetter unternehmen kann. Und das sollten wir offensiver
kommunizieren. Schließlich können auch verregnete Tage einen enormen Erholungswert haben.«
Aurelio Factsheet
- 5*S-Hotel
- 3 Gault-Millau-Hauben für das Restaurant »Aurelio’s«
- Auszeichnung zum Leading Boutique Hotel 2016 und zum Besten Ski Boutique Hotel 2013 – 2015
- Eigentümer: Oleg Deripaska
- General Manager: Axel Pfefferkorn
- 8 Zimmer + 2 Suiten im Haupthaus, 1 Chalet mit weiteren 9 Zimmern
- durchschnittliche Zimmerauslastung: 73 Prozent
- durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste: 5,2 Tage
- 43 Mitarbeiter
- Kontakt: Tannberg 130, 6764 Lech/Arlberg, Tel.: +43 5583 2214
office@aureliolech.com, www.aureliolech.com