10 Fragen an Axel Milberg
»Ein Restaurant sollte sich ins richtige Licht setzen«
von Sebastian Bütow- Sie leben seit rund vier Jahrzehnten in München, stammen aus Kiel, dem Schauplatz Ihrer »Borowski«-Tatorte. Was hat München, was Kiel nicht hat – und umgekehrt?
Also, als ich nach München zog, wusste ich, dort gibt es eine berühmte Schauspielschule, es ist warm und sonnig. Sie können sich denken, das ist ein Argument für jemanden aus Kiel, wo der Dauerregen von Mitte September bis Anfang Mai den Himmel verdunkelt. Das Leben findet auf der Straße, in Biergärten und Parks statt, es ist eigentlich wie in Italien, aber man spricht deutsch. Oder so was Ähnliches. Kiel ist weit weg, so dass ich nicht in Versuchung komme, wieder zu Hause in der Komfortzone »mein Ding« zu verpassen. - In Ihrem Romandebüt »Düsternbrook« erinnern Sie sich an Ihre Kindheit in Kiel. Warum sind Sie erst relativ spät unter die Schriftsteller gegangen?
Erst Jahrzehnte später habe ich das wiedergefunden, was mir wie aus einem anderen Leben vorkam, die Orte, wo ich Kind war. Und mit den Orten auch die Zeit von damals. In meinem Buch wollte ich über diese abgeschlossene Welt Düsternbrook und einen Lebensstil schreiben, wie es in den Siebzigern und Sechzigern war. Nicht auf mich, aber durch mich hindurch schauen auf die Formen früheren Lebens, auf Paare und Passanten, Freunde und geheimnisvolle Übeltäter. - Im Buch schildern Sie Ihre Begegnung mit dem Weltstar Gert Fröbe, der Ihnen mit auf den Weg gab: Wenn du wirklich Schauspieler werden willst, dann kannst du es auch schaffen. Gab es Phasen, in denen Sie Fröbes Worte hervorholen mussten?
Ich hatte viel Glück in der Anfangszeit, Schauspielschule, erstes Engagement, Rollen, Kollegen. Es war fast zu leicht. Aber Erfolg ist eine Falle. Deswegen gab es daraufhin folgerichtig und notwendig auch einige Krisen, Niederlagen am Theater und Zweifel. Ich stand aber immer wieder auf. - Ob Roman oder Film – inwieweit nehmen Sie sich Rezensionen zu Herzen? Gibt es Kritiker, deren Meinung Ihnen besonders wichtig ist?
Kritik kann helfen, aber muss auf ein inneres Wiedererkennen treffen – ach ja, stimmt, du sprichst das aus, was ich ahnte oder fühlte, aber einfach noch nicht wusste. Wirklich lernen tun wir eh nur, das ist meine tiefe Überzeugung, in existentieller Not. Abgesehen davon lebe ich seit 27 Jahren mit einer sehr klugen Frau zusammen, meiner Frau Judith. Ich bin immer wieder überrascht, wie sie das Entscheidende benennt, das Richtige sagt. - War »Düsternbrook« als sehr persönliche Erinnerung nur ein Intermezzo oder können Sie sich vorstellen, weitere Bücher zu schreiben? Welche Bücher begeistern Sie aktuell?
Und nun? Ich schreibe weiter. Und lese, ein bisschen. Ich schaue auf den Nachttisch und da liegen: ein Buch über Venedig von Cees Nooteboom, »Berlin Prepper«, ein Thriller, Gottfried Benn, »Altern als Problem für Künstler«, und als Empfehlung eines Freundes aus Tel Aviv: »Wie Demokratien sterben«, ein aktuelles, sehr aktuelles Sachbuch. - Ich kann mir vorstellen, dass es als vielbeschäftigter Schauspieler und Familienvater nicht leicht war, die Zeit und die Ruhe zu finden, um ein Buchprojekt zu vollenden. Wie lange haben Sie gebraucht, von der Idee bis zur Fertigstellung?
An meinem ersten Buch, das der Verlag einen Roman nennt, habe ich insgesamt etwa zweieinhalb Jahre gearbeitet. Mit Unterbrechungen, aber immer ungeduldig, wann kann ich weiterschreiben ...? Am liebsten nachts und in der Früh. - Auf welches Ihrer Filmprojekte dürfen wir uns demnächst freuen?
Am 1. April plant die ARD, den 2. Teil von »Meister des Todes« zu senden. Ein Spielfilm über illegalen Waffenhandel. Es geht um den Prozess in Stuttgart, bei dem Waffenhändler vor Gericht stehen, deren Waffen in Mexiko und Mittelamerika an Mörder geliefert und u.a. gegen Studenten eingesetzt wurden. - Als Schauspieler kennen Sie unzählige Hotels. Welches hat es Ihnen besonders angetan?
In Kiel nimmt mich immer wieder der Charme des Maritim gefangen. Ende der Sechziger am Ufer der Kieler Förde gebaut, fast wie von einem hohen Schiff blicke ich über die Ostsee. Es ist kein Luxushotel, aber ich erlebe es so. - Worauf kommt es für Sie bei einem Restaurant besonders an – außer auf gutes Essen?
Mir ist im Restaurant sehr wichtig, dass es voll ist. Dass es eine gute Beleuchtung hat, das wird oft unterschätzt. Ich mag keine Fliesen am Boden und nicht in den Keller hinunter. Ich schaue gerne raus. Auf die Straße. Umbestellungen sollten möglich sein. Es sollte Gin Tonic und Aperol Spritz geben. Dann, dass es zwanglos und lässig ist, und außerdem die Liebe zum Detail. Alle sollen gerne dort sein, die Gäste, aber auch die Leute im Service und in der Küche. Das spüre ich nämlich als Gast sofort. Ein Kellner, der dort schon dreißig, vierzig Jahre ist, alles kennt und gesehen hat, ist eine Empfehlung. Wie bei der Visite des Arztes sollte er nicht gehetzt wirken. - Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Das Leben ist zu kurz, um ...
... daran zu denken, dass es kurz ist.