Multikulti – ein Erfolgsmodell!
von Daniela MüllerIn vielerlei Hinsicht ist unsere Branche also ein lebendiger Beweis dafür, dass Diversität einem friedlichen und konstruktiven Miteinander keinesfalls entgegensteht.
Das Gastgewerbe hierzulande lebt von der Vielfalt seiner Mitarbeiter. Und überlebt dank dieser Vielfalt. Denn ohne die Verstärkung aus aller Welt könnten viele Betriebe ihren Personalbedarf längst nicht mehr decken. Tatsache ist: Im Dezember 2018 waren laut Bundesagentur für Arbeit rund 33 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Branche ausländischer Herkunft. Das Gastgewerbe in Österreich käme wohl ebenfalls ohne die zugewanderten Arbeitskräfte kaum mehr aus. Hier sind laut offizieller Zahlen rund 47 Prozent der unselbstständig Beschäftigten (mit und ohne Sozialversicherungspflicht) in den Branchen Gastronomie und Beherbergung Menschen mit Migrationshintergrund.
Dabei liegt die Internationalität quasi in der DNA der Branche: Viele Unternehmer und Führungskräfte haben selbst Karrierestationen im Ausland absolviert, haben Erfahrung mit ausländischen Mitarbeitern, Kollegen sowie Gästen – und bewältigen diverse Belegschaften mit Bravour. »Gerade Familienbetriebe sind prädestiniert dafür, Mitarbeitern, die ja häufig ihre Heimat verloren haben und deren Familien weit weg sind, Halt und soziale Unterstützung zu geben«, erklärt Rechtsanwältin Sandra Warden, Geschäftsführerin des DEHOGA Bundesverbands.
Mitarbeiter aus mehr als 120 Nationen
Dass die zugewanderten Fachkräfte für die Gastro-Branche eine immens große Rolle spielen, kann Matthias Recknagel, Geschäftsführer Operativer Bereich bei BUHL Personal, bestätigen. Das Unternehmen mit Firmensitz in Augsburg ist seit mehr als 30 Jahren Marktführer im Bereich der gastronomischen Personaldienstleistung. Im bundesweiten Niederlassungsnetz sind mehr als 4.000 Mitarbeiter beschäftigt – aus 123 Nationen. »Schon heute fehlen uns viele Fachkräfte. Diese Lücke können wir in der Zukunft durch Ausbildung nicht mehr schließen. Außerdem beobachten wir, dass deutsche Arbeitnehmer für unsere Branche nur noch schwer zu begeistern sind«, so Recknagel.
Die zunehmend internationale Belegschaft verändert dabei den Arbeitsalltag in den Niederlassungen. So werde mittlerweile von den Personaldisponenten vermehrt Englisch gesprochen. Und selbstverständlich nehme man auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der vertretenen Kulturen und Glaubensrichtungen Rücksicht. »Wir versuchen zum Beispiel im Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime, unsere gläubigen Mitarbeiter zu entlasten. Da sie zu dieser Zeit nur früh morgens und spät am Abend essen dürfen, versuchen wir, die Einsätze zu verringern oder die Arbeitszeiten dementsprechend zu legen«, erklärt Matthias Recknagel. Wichtige Feiertage werden zudem von den Disponenten berücksichtigt. Gleiches gilt für das wöchentliche Freitagsgebet. »Dank unserem Geschäftsmodell, das auf einem flexiblen Arbeitszeitkonto basiert, sind individuelle Lösungen für uns kein Problem. Unser Ziel ist es dabei natürlich, die Mitarbeiter möglichst langfristig zu beschäftigen. Deshalb sehen wir es als unsere Pflicht an, Rücksicht auf den Glauben genauso wie auf vorhandene kulturell bedingte Gewohnheiten zu nehmen. Oder auch den häufig gewünschten langen Heimaturlaub im Sommer zu ermöglichen.«
International geprägtes Arbeitsumfeld ist eine Bereicherung
Der schönste Lohn für diese Flexibilität sind die vielen engagierten Mitarbeiter, die das Entgegenkommen ihres Arbeitgebers zu schätzen wissen und sich sowie ihre Kultur zum Besten für das Unternehmen einbringen. »Ich habe ohnehin festgestellt, dass gerade für die Vertreter der jungen Generation Multikulti bereits völlig normal ist. Sie empfinden ein international geprägtes Arbeitsumfeld sogar als enorme Bereicherung. Da gibt es keinen Rassismus oder herkunftsbedingte Ressentiments«, sagt Recknagel.
Gerade auch international agierende Kunden wissen die vielfältige Belegschaft sehr zu schätzen. Als etwa ein japanisches Unternehmen für eine Veranstaltung asiatisches Service-Personal benötigte, konnte BUHL die passenden Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Für einen Staatsempfang mit dem Ex-US-Präsidenten Bill Clinton in Nigeria rekrutierte das Personal-Dienstleistungsunternehmen nigerianische Studenten und flog mit ihnen in das westafrikanische Land.
Außerhalb des Eventgeschäfts, in der Hotellerie und Gastronomie, ist Multikulti heute ebenfalls der Standard. Matthias Recknagel: »Die Kunden werden hier zunehmend flexibler, etwa was die geforderte Ausbildung von Köchen angeht. So hatten früher alle unsere Köche einen IHK-Abschluss. Mittlerweile stellen wir auch Köche ein, die ihre Berufsausbildung im Ausland absolviert haben. Für unsere Kunden zählt vor allem, dass unser Personal sein Handwerk versteht. Und das können wir garantieren.«
Wohnungsmarkt stellt Herausforderung dar
International geht es auch im Steigenberger Frankfurter Hof zu – und zwar sowohl auf der Gäste- als auch auf der Personalseite. Das 5-Sterne-Haus ist stolz auf seine multikulturelle Kompetenz und rekrutiert Fachkräfte gezielt im europäischen Ausland. Sehr gute Erfahrungen habe man zudem mittlerweile mit Flüchtlingen machen dürfen, verrät Hoteldirektor Spiridon Sarantopoulos. »Viele von ihnen sind schnell ein Teil unserer Hotel-Familie geworden. Gemeinsam mit der Ehrenamtsagentur AWO/FFM und der Diakonie haben wir z.B. das Kooperationsprojekt TeamWORKS ins Leben gerufen. Und wir sind im Netzwerk ›Unternehmen integrieren Flüchtlinge‹ aktiv.«
Eine große Herausforderung bei der Integration ausländischer Mitarbeiter stellt für Sarantopoulos dabei vor allem der Frankfurter Wohnungsmarkt dar. Es werde immer schwieriger, für die Mitarbeiter adäquaten und bezahlbaren Wohnraum zu finden, berichtet er. Und obwohl die Stadt Frankfurt hervorragend mit dem Hotel zusammenarbeitet, die Behörden und Politiker ein gutes Verständnis für die relevanten Themen haben, hat leider nicht jede Geschichte ein Happy End. »Gerade musste beispielsweise ein junger Koch-Azubi seine Ausbildung wegen seiner unklaren Aufenthaltsperspektive abbrechen«, klagt der Hoteldirektor.
Viel lieber berichtet Spiridon Sarantopoulos jedoch über die Erfolge seiner zugewanderten Mitarbeiter. So ist etwa Mounir Damlkhi, der Barbier des Hauses, einst als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen. »Heute legen Prominente aus aller Welt extra ihre Termine so, dass sie für einen Haarschnitt zu uns in den Frankfurter Hof kommen können. Oder sie lassen ihn sogar einfliegen«, berichtet der Direktor stolz.
Vom TV-Star zum Uni-Chefkoch
Eine echte internationale Berühmtheit verstärkt auch das Team von apetito catering: Der aus Indien stammende Anil Kumar hatte seine eigene Fernsehshow »Tasty Travels« mit weit über 1.000 Folgen, hat Politiker und Showstars verköstigt und weltweit Restaurantgründer beraten. Weil sein Sohn gerade an der Jacobs University in Bremen studiert, ist Kumar nun nach Bremen gezogen und bekocht ihn jetzt – als Küchenchef der Jacobs University im Auftrag des Catering-Dienstleisters. Ein echter Glücksfall für apetito und die Studenten: »Anil Kumar ist nicht nur ein ausgezeichneter Koch, er spricht auch viele Sprachen. Er kann mit den Studierenden in ihrer Muttersprache sprechen«, schwärmt Jens V. Dünnbier, Mitglied des Management Boards der privaten Universität, an der in Englisch gelehrt wird.
Kumar verantwortet die Speisepläne in allen vier Colleges an der Hochschule. »Es freut mich sehr, dass ich meine Erfahrungen zum Wohle der Studierenden einbringen kann«, sagt Kumar. »Sie kommen aus über 100 Ländern. Ich koche für sie einen Mix aus verschiedenen internationalen Speisen und aus der deutschen Küche.«
Obwohl er erst seit wenigen Monaten in Bremen ist, spricht Kumar bereits gut Deutsch. Er wohnt mit seiner Familie weniger als einen Kilometer von seinem Arbeitsplatz entfernt und fühlt sich pudelwohl in der Hansestadt. »Ich bin hier am richtigen Platz«, ist er überzeugt. Und steht mit seiner Geschichte symbolisch für die vielen hochmotivierten Menschen aus aller Welt, die ihr Glück im deutschen Gastgewerbe gefunden haben und unsere Branche jeden Tag zu der bunten Welt voller Gastfreundschaft machen, die sie ist – und hoffentlich immer bleiben wird.
Wer darf – wer darf nicht?
Rechtsanwältin Sandra Warden vom DEHOGA-Bundesverband und Dieter Marek von der Wirtschaftskammer Österreich haben HOGAPAGE die wichtigsten Fragen rund um das Thema Arbeitserlaubnis beantwortet.
Menschen, die aus welchen Herkunftsländern stammen, dürfen ohne weitere Einschränkung eingestellt werden?
Deutschland: Insbesondere gilt die Freizügigkeit für Staatsangehörige der EU. Diese brauchen zwar die sog. Arbeitserlaubnis-EU, aber kein Visum. Ihnen gleichgestellt sind Staatsangehörige der EWR-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie Schweizer.
Österreich: Ohne beschäftigungsrechtliche Bewilligung dürfen EU- bzw. EWR-Bürger und SchweizerInnen in Österreich beschäftigt werden. Unternehmen können diese Personengruppen zu denselben Bedingungen beschäftigen wie österreichische Staatsangehörige. Personen aus Drittstaaten benötigen grundsätzlich eine Beschäftigungsbewilligung. Um drittstaatsangehörige Arbeitskräfte nach Österreich zu holen, ist besonders die Rot-Weiß-Rot-Karte das zentrale Instrument.
Welche Herkunftsländer sind bedingt möglich?
Deutschland: Es gibt viele unterschiedliche Erlaubnistatbestände, z.B. die Blaue Karte EU für Akademiker, die Spezialitätenköche-Regelung, erleichterte Zugangsmöglichkeiten für Ausbildung, Weiterbildung oder den Personalaustausch in internationalen Unternehmen. Diese haben unterschiedliche, zum Teil sehr restriktive Voraussetzungen. Auf das Herkunftsland kommt es aber in der Regel nicht bzw. nur mittelbar an. Entscheidend sind vielmehr je nach Zulassungstatbestand Qualifikation, Verdienst oder Vertragsbedingungen. Eine Ausnahme stellt die sog. Westbalkan-Regelung dar, mit der im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise 2015/2016 die Arbeitsmöglichkeiten für Länder wie Bosnien oder Albanien erleichtert wurden. Die Regelung gilt aber nur noch bis Ende nächsten Jahres und die Wartezeiten auf ein Visum sind häufig sehr lang.
Österreich: Dazu gibt es keine Differenzierung.
Wer darf gar nicht eingestellt werden?
Deutschland: Für Menschen von außerhalb der EU ohne qualifizierten Berufsabschluss wird die Erwerbsmigration weiterhin nahezu unmöglich bleiben. Wenn sie aber bereits legal in Deutschland sind, z.B. aufgrund eines Familiennachzuges, können damit auch Beschäftigungsmöglichkeiten verbunden sein.
Österreich: Es gibt kein Beschäftigungsverbot für bestimmte Nationalitäten. Um eine Person beschäftigen zu dürfen, müssen jedoch alle Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts und des Beschäftigungsrechts erfüllt sein.
Welche Regelungen gelten für Flüchtlinge?
Deutschland: Die Arbeitserlaubnis hängt vom Aufenthaltsstatus ab. Anerkannte Asylberechtigte dürfen arbeiten. Bei Asylbewerbern, die noch im Asylverfahren sind, und bei sog. Geduldeten ist es komplizierter. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, und die Bundesagentur für Arbeit muss prüfen und zustimmen. Geflüchtete, die noch nicht drei Monate da sind, dürfen nicht beschäftigt werden.
Österreich: Derzeit ist die Beschäftigung von Asylwerbern nur als Saisoniers im Tourismus und in der Land- und Forstwirtschaft möglich (Beschäftigungsbewilligung erforderlich). Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigte haben freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt (keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich). Es gelten hinsichtlich ihrer Beschäftigung dieselben Vorschriften wie für die Beschäftigung von österreichischen Staatsangehörigen.
Wo kann man als Arbeitgeber Rat suchen?
Deutschland: Der Aufenthaltstitel enthält die Information, ob die jeweilige Person arbeiten darf. Wichtig ist, nicht nur die erste Seite zu lesen, sondern sich das komplette Dokument im Original vorlegen zu lassen. Ansonsten ist erster Ansprechpartner immer die örtliche Ausländerbehörde. Auch die Arbeitsagentur erteilt Auskunft. Außerdem empfehle ich die Broschüre »Potenziale nutzen – geflüchtete Menschen beschäftigen«, die der DEHOGA auf Anfrage zur Verfügung stellt, sowie die Webseite www.make-it-in-germany.de.
Österreich: Die zuständige Wirtschaftskammer im jeweiligen Bundesland erteilt gerne Rechtsauskünfte zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften und unterstützt Mitglieder bei konkreten Fragen. Unter wko.at/migration bzw. www.fachkraeftepotenzial.at finden Sie nähere Informationen.
Nachgefragt: Was sind für Sie die schönsten Effekte einer multikulturellen Belegschaft?
Daniel Müller, Co-CEO der Motel One Group
Bei Motel One arbeiten Menschen aus der ganzen Welt zusammen, aus den unterschiedlichsten Kulturen. Wir verstehen uns als Gastgeber für Gäste aus aller Welt und sehen es daher natürlich als Bereicherung, wenn unsere Mitarbeiter diesen Ansatz als multinationale Belegschaft leben.
Thomas Hagemann: COO von Meininger Hotels
Da wir derzeit 28 Hotels in neun Ländern betreiben, sind wir allein vor diesem Hintergrund betrachtet schon ein sehr multinationales Unternehmen mit einer international geprägten Belegschaft. In Deutschland liegt der Anteil z.B. bei 60 Prozent. Die positiven Effekte sind vielfältig: Natürlich ist da die Kreativität zu nennen, das gegenseitige Lernen und vieles mehr. Es profitieren vor allem die Gäste von der Diversität: Die vielen Sprachen, kulturellen Backgrounds und Erfahrungen der Mitarbeiter erhöhen das Wohlfühlerlebnis für sie.
Phillip Winter, CMO bei a&o Hotels and Hostels
Trotz Globalisierung und zunehmender Uniformität in vielen Bereichen hat doch jede Kultur und Nation noch ihre Charakteristika – und die sind eine große Bereicherung. Miteinander arbeiten heißt voneinander lernen, und das umso mehr, als Hintergründe und Lebensläufe unterschiedlich sind. Unter einem Dach so vielfältig aufgestellt zu sein, sehen wir bei a&o als große Chance und Herausforderung.
Susanne Kiefer, Hoteldirektorin der Ritter von Kempski Privathotels
Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Kulturen mit verschiedenen Sprachen, Meinungen und Sichtweisen kann eine Bereicherung und sehr produktiv und kreativ sein. Außerdem ist innerhalb eines multikulturell aufgeschlossenen Teams möglicherweise die Bereitschaft größer, auf Argumente anderer Teammitglieder einzugehen und diese zu verstehen. Je nach Kultur hat jeder Mitarbeiter etwas anderes zum großen Ganzen beizutragen.