Interview mit Jürgen Gangl, Vorsitzender der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV)
Das Image der Branche ist nicht das beste – das liegt an vielen Vorurteilen, z. B. bzgl. der Arbeitszeit, des Verdienstes etc. Warum ist die Branche sehr viel besser als ihr Ruf?
Ich bin überzeugt, dass ein Großteil der professionell agierenden Unternehmer im Gastgewerbe sich der Situation bewusst ist, dass wir in Deutschland einen Fachkräftemangel haben und Auszubildende immer schwieriger zu rekrutieren sind. Viele dieser Betriebe haben Konsequenzen gezogen, z. B. durch die klare Regelung der Arbeitszeiten, die Führung von Arbeitszeitkonten und die Vergütung bzw. den Ausgleich von geleisteten Überstunden. Es wird viel mehr getan für die Work-Life-Balance der Mitarbeiter, und die Bedürfnisse der Mitarbeiter stehen zunehmend im Fokus. Leider gibt es gerade im Gastgewerbe noch viele schwarze Schafe, die sich nicht an das Arbeitszeitgesetz halten.
Das vielleicht größte Problem ist aber, dass in unserer Branche viel zu oft alles schlechtgeredet wird. Hier sind auch die Verbände gefragt! Wir brauchen mehr Rückgrat, müssen verkünden, wie großartig diese Branche eigentlich ist, welche Erfolge man haben kann, was man alles schaffen kann – und das sogar weltweit!
Sprechen wir über das Thema Arbeitszeiten – was unterscheidet voraussichtige Unternehmer von schwarzen Schafen?
Es geht nicht darum, ob Mitarbeiter in der Gastronomie und Hotellerie sonntags arbeiten müssen. Das steht außer Frage, weil das Gastgewerbe kein Nine-to-five-Job ist. Es geht vielmehr darum, dass Mehrarbeit ordnungsgemäß dokumentiert und vergütet werden muss. Alle Betriebe, die mit dem HDV-Gütesiegel »Exzellente Ausbildung« ausgezeichnet wurden, weisen z. B. diesbezüglich klare Regelungen auf. Das schließt ein, dass die Mitarbeiter 14 Tage im Voraus ihren Dienstplan erhalten. Auf diese Weise kann das Personal sein Privatleben besser planen. Und wenn Mitarbeiter länger arbeiten, werden sie dafür vergütet – die Regel ist jedoch eine Fünf-Tage-Woche.
Die Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Mitarbeiter per Gesetz vor zu vielen Arbeitsstunden zu schützen. Insbesondere die damit verbundene tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden ist ein Problem für die Branche. Was kritisieren Sie?
Die Politik muss in den Gesetzen die Arbeitsrealität der Branche abbilden. Leider haben die Politiker bei der Ausarbeitung der nun geltenden Regelung außer Acht gelassen, dass das Gastgewerbe nicht »auf Halde« produzieren kann. Der Gast kommt genau dann, wann er will: Er reist spätabends an, will morgens frühstücken und auch nicht um 18 Uhr zu feiern aufhören. Deshalb muss die Arbeit vor Ort zur richtigen Zeit erbracht werden, wie es der Kunde oder der Gast wünscht, im Früh- oder Spätdienst genau wie am Wochenende. Darauf müssen wir uns einstellen – und das war die letzten 500 Jahre in der Gastronomie oder in der Hotellerie noch nie anders.
Das erfordert vor allem eines: Flexibilität in der Planung. Und der Mitarbeiter sollte selbst entscheiden können, ob er zwei Stunden länger arbeiten möchte oder nicht. Da muss dringend eine praktikable Lösung her! Hier sind auch die Verbände gefragt, sich einzusetzen. Zwar hat der DEHOGA im vergangenen Jahr eine große Protestaktion am Brandenburger Tor durchgeführt, seitdem ist allerdings nicht mehr viel passiert.
Was wäre eine Lösung, die Sie als Vorsitzender des HDV für praktikabel halten?
Wir wünschen uns ganz einfach, dass das Arbeitszeitgesetz flexibel gestaltet wird. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter selbst entscheiden kann, ob er auf freiwilliger Basis mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten und dafür vergütet werden möchte. Eine ganz einfache Lösung bieten hier die Monatsarbeitszeit und entsprechende Arbeitszeitkonten, wo die geleisteten Stunden gutgeschrieben werden. Wer Überstunden macht, bekommt diese bezahlt oder nimmt die Stunden dann als Ausgleich frei. Vor was muss der Mitarbeiter da vom Gesetz geschützt werden? Das hat mit Ausbeutung doch wirklich gar nichts zu tun!
Interessant ist auch, dass es eine europäische Arbeitszeitrichtlinie gibt, die in den meisten anderen EU-Ländern gilt. Die besagt: Mitarbeiter dürfen maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten. Und obwohl die Politik ja immer nach einheitlichen Regelungen in Europa strebt, lässt man diese europäische Arbeitszeitrichtlinie einfach unter den Tisch fallen.
Was macht in Ihren Augen eine moderne Arbeitszeitregelung aus?
Moderne Lösungen sind flexibel und auf die Arbeitswünsche der Mitarbeiter abgestimmt. Jeder Mensch hat ja ganz individuelle Bedürfnisse seine Arbeitszeit betreffend. Sei es wegen der Betreuung der Kinder oder aufgrund anderer persönlicher Umstände. Das Gastgewerbe kann sich mittels einer flexiblen Dienstplangestaltung auf den einzelnen Mitarbeiter einstellen – in Teilzeit oder in Vollzeit.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.