Strategiespiel
Zum erfolgreichen Umgang mit Social Media als Marketing-Instrument
von Kristina PresserEinmal angefangen durch die Bilder zu scrollen, fällt es schwer aufzuhören: Sie zeigen heimelige, stilvoll eingerichtete Hotel-Zimmer, das Restaurant mit feierlich gedeckten Tischen oder die historische Schwimmhalle mit umlaufenden Säulengängen, kurze Videoclips, in denen die Direktorin charmant Grüße an die Gäste richtet oder der Barkeeper unterhaltsame Cocktailmix-Tutorials gibt, Gewinnspiele, Eventankündigungen und vieles mehr. Der Instagram-Account des Berliner Hotel Oderberger ist eine Spielwiese der Kommunikationsarten, die dem User das Vier-Sterne-Haus von vielen Seiten näherbringen, dabei Emotionen wecken, Lust auf mehr machen, vielleicht Erinnerungen wachrufen.
Zahlreiche Likes und Kommentare bei jedem Post zeigen den Erfolg. Es sind diese Kriterien, die für Tina Ellner, zuständig für Public Relations im Oderberger und Betreuerin des Instagram-Accounts, Social Media für die Hotellerie so perfekt machen, »denn es gibt Hotels die Möglichkeit, persönliche Beziehungen zu den Gästen aufzubauen, zum Teil bevor diese überhaupt anreisen. Ich kann dadurch unsere potenziellen Gäste dort treffen, wo sie sich sowieso aufhalten, und ihnen auf Augenhöhe begegnen.«
Jeder Kanal hat seine Stärken
Neben Instagram bespielt Tina Ellner auch das Facebook-Profil des Boutique-Hotels mit Marketing- und Kreativfokus. Den LinkedIn-Account mit B2B-Kontakten, das dritte Social-Media-Standbein des Oderberger, betreut die Hoteldirektion persönlich. »Diese Art der Arbeitsteilung bietet für uns das perfekte Outcome«, berichtet die PR-Managerin. Jeder Kanal habe seine Stärken und Schwerpunkte. Zusammengenommen sei die Social-Media-Präsenz, neben der Webseite und gängigen Hotelportalen, für das Oderberger der wichtigste Marketingkanal, um bestehende Kunden anzusprechen und neue zu gewinnen.
Um daher das Hotel bestmöglich in Szene zu setzen, den »Wow-Effekt« bei Interessenten zu erzeugen, setzt man zum einen auf einen professionellen Fotografen, zum anderen bekommt die PR-Managerin Bildmaterial von Kollegen aus anderen Hotelabteilungen. Sie selbst produziert die Inhalte sowie kurze Videosequenzen für Instagram-Storys. »Das ist genau der Content, der geklickt wird: authentisches Hotellife«, so ihre Erfahrung.
Bei der Nutzung ist noch Luft nach oben
Mit seiner Aktivität in den sozialen Medien liegt das Hotel Oderberger regelrecht im Trend. Das mag veraltet klingen, da Facebook, Instagram und Co. in Deutschland mit über zwei Stunden täglicher Nutzungsdauer pro Kopf schon fest zu unserem Leben gehören. Umso fataler, dass die sozialen Netzwerke zu Marketingzwecken in der Gastronomie und Hotellerie jedoch bisweilen noch etwas stiefmütterlich behandelt werden.
»Der Stellenwert ist bei Weitem noch nicht so hoch, wie er sein könnte«, stellt Fritz Dickamp, Managing Director der Unternehmensberatung L.I.K.E. Hospitality Consulting und der Agentur hotelwebbee, immer wieder fest. »Ich glaube schon, dass es besser geworden ist. Die meisten Marketing-Entscheidungsträger der Branche haben inzwischen verstanden, dass es ohne Social Media kaum noch geht und der Online-Teil des Marketings den analogen um Jahre überholt hat.« Dass das Online-Marketing folglich auch mehr Gewicht bekäme, zeigten seine Erfahrungen jedoch nicht. Die Gründe lägen unter anderem in den Kosten, die für Social-Media-Marketing oft fälschlicherweise als gering bis umsonst eingestuft werden. Tatsächlich kann es sich ab einem gewissen Punkt mit entsprechender organischer Reichweite, wenn z.B. Nutzern ein Beitrag ohne aufgewendete Werbegelder angezeigt wird, als sehr kosteneffizient herausstellen. Diese Reichweite aber aufzubauen, erfordert Zeit- und Geldinvestition.
Nicht nur die Quantität zählt ...
Dazu kommt, laut Experte, dass vielen zwar die Relevanz sozialer Medien als Marketinginstrument bewusst sei, jedoch weniger, wie man diese erfolgbringend bespielt und welche Kanäle aktuell gefragt sind. Ein Blick in die Social-Media-Landschaft zeigt, dass Facebook gemessen an den Nutzerzahlen noch immer das größte soziale Netzwerk weltweit ist. Auch internationale Unternehmen bedienen sich diesem für Marketingzwecke weitaus am häufigsten: 94 Prozent, wie ein Statista-Diagramm zur Studie »2020 Social Media Marketing Industry Report« von Social Media Examiner zeigt. Aber häufiges Nutzen sagt nicht automatisch etwas über die Entwicklungschancen eines Kanals aus. Hier muss man differenzieren.
Denn was das exponentielle Wachstum, insbesondere im Bereich Reichweite und Interaktion, anbelangt, läuft Instagram als Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos Facebook gerade deutlich den Rang ab, berichtet Fritz Dickamp – im Übrigen mit 76 Prozent auch Platz zwei im Statista-Ranking. Ein erkennbarer branchenübergreifender Trend, der aber speziell im Gastgewerbe noch nicht voll angekommen zu sein scheint, wie der Experte klarstellt. Hier ist Facebook nach wie vor die erste Wahl, Instagram dagegen (noch) kaum ein Thema.
Dabei spiegelt gerade der Boom von Instagram wider, wo aktuell die Konsumvorlieben der User liegen – in Bildern und Bewegtbildern. Davon profitieren auch andere Portale, die gezielt diese Bedürfnisse der Nutzer stillen, dadurch hohe Zugriffszahlen verbuchen und so letztlich auch für Marketer wichtig werden.
Jung und sehr erfolgreich: TikTok
Das nächste große Thema, da ist sich Fritz Dickamp sicher, ist YouTube. Die Videoplattform und Tochtergesellschaft von Google wird bereits häufiger für Suchanfragen genutzt als Google selbst. Ein Kanal also, der auch an Bedeutung für Unternehmen zunehmen wird, wie der Marketing-Spezialist erläutert: »YouTube-Listings haben inzwischen auf das Google-Ranking, das SEO-Ranking von Hotel-Webseiten, Einfluss – je nachdem, wie viel oder wie wenig Content von der Hotelmarke auf YouTube zu finden ist.«
Ebenfalls geboren aus dem Trend »Bewegtbilder« ist das relativ neue, aber schon sehr gefragte Videoportal TikTok, das vornehmlich jüngere Generationen anspricht. Trotzdem kann es als Marketingkanal relevant sein oder demnächst werden, sofern sich hier die gewünschte Zielgruppe aufhält. McDonald’s Deutschland macht es vor: Um seine jüngst beendete Werbekampagne #TouchThis zu pushen, initiierte McDonald’s eine TikTok-Challenge mit verschiedenen Influencern, die das Feature ihrer jeweiligen Fangemeinde vorstellten. Nicht zu vergessen: Pinterest, eine Online-Pinnwand für Grafiken und Fotos, die gerade für optisch reizvolle Hotels ein nutzwertiger Kanal zur Kundenansprache sein kann.
Spaß und Individualität liegen vorne
Geht es um die Inhalte selbst, gilt: Nicht alles funktioniert für jeden. Aber natürlich gibt es Trendtendenzen. Gerade gefragt ist vor allem, was Humor hat, kreativ ist, Out-of-the-Box-Denken verlangt. Unternehmen dürfen und sollten »Gesicht zeigen«, ihre Teammitglieder vorstellen, Geschichten erzählen. »Storys sind ein großes Thema«, weiß Fritz Dickamp. Auch Gewinnspiele funktionieren, sofern sie einen Wert haben, ebenso sinnvoll gesetzte Hashtags. Eine Hotelkette, die all das authentisch auf Instagram verkörpert, ist Mama Shelter, eine Boutique-Brand von Accor. Hier wird Spaß und Individualität gelebt. Und das sehr erfolgreich – weil der Content zum Markenimage passt. Das Konzept stimmt. Und darum geht es letztlich, wie Fritz Dickamp betont.
Denn alle Trends sind, ebenso wie das Wissen um die aktuellen »In«-Kanäle, nahezu wertlos, wenn die Überschrift fehlt: eine vernünftige Strategie. Ohne die ließe sich Social Media, laut Experten, kaum erfolgbringend nutzen. Das beinhalte auch, dass Bilder und Videos beispielsweise für Instagram regelmäßig, in professioneller Qualität und mit ansprechender ästhetischer Bildsprache produziert und hochgeladen werden müssen. Diese Infrastruktur habe aber nicht jedes Haus. Auch nicht das entsprechende Werbebudget. Zudem sollten Punkte geklärt sein wie die Zielgruppe, die Verantwortlichen, Ziele und die zu bespielenden Kanäle. »Dazu kommt die redaktionelle Planung, die festlegt, wann, wie oft und welche auf das Nutzerverhalten der User und auf die Kanäle ausgerichteten Inhalte gepostet werden«, rät Fritz Dickamp.
Es braucht unternehmerische Selbstreflexion
Alles immer im Rahmen der Möglichkeiten eines Unternehmens. »Ich bin weit davon entfernt, jedem Haus zu raten, zwangsläufig etwa auf Instagram zu sein. Das macht einfach nicht für jedes Hotel Sinn«, sagt der Marketing-Spezialist. Ebenso wenig, pauschal zu raten, die Facebook-Seite zu schließen. Denn auch Facebook werde mit seinen Standort- und Event-Funktionen weiterhin relevant bleiben. Es braucht also auch ein gewisses Maß an unternehmerischer Selbstreflexion, um eine erfolgreiche Social-Media-Strategie zu entwickeln.
In jedem Fall, da ist sich Fritz Dickamp sicher, sollte die Aktivität in sozialen Netzwerken »ein zentraler Pfeiler jeder Marketing-Strategie sein«. Er begründet dies zum einen mit der Schnelllebigkeit unserer Zeit, zum anderen mit dem Generationenwandel. Aber auch die Corona-Krise hat in den vergangenen Monaten der Nutzung sozialer Medien nochmals Auftrieb gegeben: Die Menschen hatten mehr Zeit, die Nutzungsdauer der Kanäle stieg – »auch bei Generationen, die traditionell eigentlich weniger Social-Media-behaftet waren oder es erst seit Kurzem sind«, berichtet er und sieht in der Digitalisierung samt Social Media einen der großen Langzeit-Profiteure der Krise. »Die sozialen Netzwerke werden sich insofern ein bisschen umstellen müssen, als dass jetzt neue Generationen mitspielen, worauf sie bisweilen in ihrer Schnelllebigkeit noch gar nicht so ausgerichtet waren.« Das werde die sozialen Medien aber nicht daran hindern, sich weiterzuentwickeln und dafür zu sorgen, dass die User interessiert bleiben.
Nachgefragt bei Thomas Corinth
»Jedes Hotel braucht heute ein Insta-Motiv«
Thomas Corinth ist Lehrverantwortlicher des Bachelor-Studiengangs »Hotel Management« sowie Dozent im Bachelor-Studiengang »Hotel- und Tourismusmarketing« an der IST-Hochschule für Management.
Herr Corinth, worin liegt das Potenzial von Social Media?
Für mich liegt es in dem Zauberwort »Instagramability«. Aktuelle Studien ergaben, dass für – je nach Alter – 25 bis 40 Prozent der Gäste die Instagramability ein wichtiges Kriterium bei der Urlaubsentscheidung ist. Es gilt also, nachhaltige Motive zu schaffen, die gern gepostet werden und einen Wiedererkennungswert hervorrufen. In Verbindung mit witzigen Storys und/oder Influencern kann damit eine große Wirkung erzielt werden. Wenn der Gast gerne F&B-Erlebnisse fotografiert, dann müssen das Essen und die Getränke einen auch anlachen! Jedes Hotel braucht heute ein Insta-Motiv, bei dem jeder Gast zum Fotografieren animiert wird.
Welchen Stellenwert sollte die Nutzung von Social-Media-Kanälen innerhalb einer erfolgreichen, modernen Marketingstrategie eines Unternehmens haben?
Den Stellenwert bestimmen Mut zur Kreativität, Marktforschung und Controlling. Wichtig ist, dass man vorab eruiert, welche Gästesegmente man ansprechen will. Facebook-Nutzer ticken anders als die Instagram-Community oder Snapchatter. Letztlich muss sich Marketing bei allem Spaß aber auch immer einer gewissen Messbarkeit sowie einer Kosten-Nutzen-Relation unterwerfen.
Welche Hotels kommunizieren besonders gut über soziale Medien?
Dies ist eine schwierige Frage. »Besonders gut« wäre im Sinne der vorgenannten Punkte ein hohes Maß an Kreativität, Zielgruppenorientierung und ökonomischen Effekten. Lassen wir den letzten Punkt weg, dann sind beispielsweise Motel One, Upstalsboom, Accor, AIDA oder auch die Deutsche Hospitality gut vertreten.
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