Recruiting: Neue Wege gehen …
Wie Hotels und Restaurants heute Mitarbeiter suchen
von Eva SchiwarthJa, der Branche wird heute nichts mehr geschenkt, der Aufwand fürs Recruiting ist schon sehr hoch«, gibt Heiderose von Malsen, HR-Chefin bei der Enchilada Gruppe und verantwortlich für die Suche nach Fach- und Führungskräften, zu. Deshalb testet sie neue Wege, zum Beispiel eine Roadshow mit Cocktailkurs (siehe Mini-Roadshow). Unterwegs ist sie auf Hochschulmessen und IHK-Veranstaltungen, arbeitet mit Outplacement-Unternehmen und Dienstleistern zusammen. »Zudem schalten wir wie die meisten Unternehmen Anzeigen in den unterschiedlichsten Portalen«, so die Personalfrau.
Mehrgleisig fahren
Auch Andreas Kurtenbach plagen immer wieder Personalsorgen. Er ist Geschäftsführer des Block Head College. Dem Unternehmen der Block Gruppe obliegt die Personalsuche vor allem für die Restaurantbetriebe von Block House und Jim Block – rund 350 Positionen sind jedes Jahr zu besetzen, Tendenz steigend. Kurtenbach und sein Team fahren eine zweigleisige Strategie. »Für die Suche nach Führungskräften, also Betriebsleitern und Stellvertretern, besuchen wir bundesweit fast jede Firmenkontaktmesse unserer Branche, gehen auf Hotelfachschulen und zu Bewerbertagen, wir sitzen in Prüfungsausschüssen und geben Seminare. So können wir mit potenziellen Bewerbern ins Gespräch kommen, uns erlebbar machen und der Gruppe ein Gesicht geben«, so Kurtenbach.
Bewerber suchen meist online
Beim Restaurantpersonal setzt man vorrangig auf Stellenanzeigen. Die Bewerber sind heute vor allem online auf der Suche nach Jobs – also müssen auch die Unternehmen dort präsent sein. Am effektivsten gestreut werden Stellenausschreibungen auf branchenspezifischen Jobportalen (wie z. B. www.hogapage.de/jobs), die Jahres-Flatrates für Inserate anbieten und den Bewerbern Jobnewsletter und einen eigenen Bereich, in dem Bewerbungsunterlagen hinterlegt und Kontaktanfragen gesammelt werden können, zur Verfügung stellen.
Fachkräfte haben die Wahl
Zusätzlich beweisen die Personalverantwortlichen mitunter Ideenreichtum, um Personallücken zu füllen: ein Tag der offenen Tür für Bewerber, Job-Speeddatings, Castings oder Aktionen, in denen die eigenen Mitarbeiter gegen einen Anreiz dazu aufgefordert werden, neues Personal in ihrem Bekanntenkreis anzuwerben.
Trotz allem: Recruiting bleibt ein mühsames Geschäft. »Die Bewerber haben heute das Steuer in der Hand, und das wird auch noch lange so bleiben«, ist sich Andreas Kurtenbach sicher. Wer auswählen kann, entscheidet sich immer für die beste Option: für einen Arbeitgeber mit gutem Ruf und einem angenehmen Betriebsklima; für einen Job, in dem man sich weiterentwickeln kann und der Spaß macht.
Mini-Roadshow mit Cocktailkurs
- Wer hat es gemacht? Enchilada Gruppe
- Wann und wo? Anfang 2016 in Restaurants der Gruppe in München, Mainz und Münster
- Wen suchte man? Menschen aus der Branche und Quereinsteiger, die sich für Franchise oder Führungsaufgaben im Angestelltenverhältnis in der Systemgastronomie interessieren.
- Wer nahm teil? Jeweils zehn bis zwölf Vorausgewählte, die sich formlos per E-Mail mit Lebenslauf und Motivationsschreiben bewarben. 90 Prozent der Teilnehmer kamen aus der Branche, der Kreis war bunt gemischt: Mittzwanziger mit erster Berufserfahrung, interessierte Führungskräfte aus der Branche und sogar ein gestandener Braumeister waren dabei.
An jedem der Standorte lud die Enchilada Gruppe zehn bis zwölf Teilnehmer zu einem exklusiven Event ein. Mithilfe des besten Barkeepers des Unternehmens kreierten die Angereisten eigene Cocktails, der Geschäftsführer stellte die Enchilada Gruppe und deren zehn Restaurantkonzepte vor. Außerdem gab es einen Einblick in die eigenen Personalentwicklungsprogramme. Zwanglos konnten sich die Teilnehmer zudem über Möglichkeiten des Einstiegs als Franchisepartner oder Angestellter informieren. Der Abend endete mit einem Event-Dinner und einer Tour durch weitere Enchilada-Lokale der Stadt. Im Nachgang der Veranstaltung wurden intensive Einzelgespräche mit Interessierten geführt.
Fazit: »Für uns war es ein sehr spannender erster Test. Für das ungezwungene Treffen ohne Bewerber-Druck bekamen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern. Wir konnten Interessenten für Führungsaufgaben in der Gruppe gewinnen. Eine Fortsetzung ist bereits geplant.«
Casting-Party statt Bewerbergespräch
- Wer hat es gemacht: Lindner Hotels AG für die neue Hotel-Zweitmarke me and all hotels
- Wann und wo? Frühsommer 2016 in Düsseldorf
- Wen suchte man? Für das erste der me and all hotels (eröffnete im Herbst 2016 in Düsseldorf) suchte Lindner nach »Explorern« – nach Mitarbeitern, die begeistern und mitreißen, die neugierige, offene, kommunikative und kreative Gastgeber sind. Als Allrounder sollen sie künftig im Hotel alles machen können und den Gast vom Check- in bis zur Abreise begleiten, Branchenerfahrung war keine Voraussetzung
- Wer nahm teil? 120 Teilnehmer, davon etwa 70 Prozent gelernte Hotelleute, der Rest kam aus unterschiedlichsten Berufen. Dem Casting-Aufruf folgten unter anderem eine Zahntechnikerin, Agenturmitarbeiter und sogar Leute vom Fernsehen.
Das Bewerberevent wurde zusammen mit der Agentur Performance Solutions entwickelt. »Wir wollten Typen haben, authentische Persönlichkeiten – und fragten uns, was es sonst noch für Leute gibt da draußen, die in unser Hotelkonzept passen könnten, und wie wir diese für uns gewinnen können«, so Hotelmanager Sven Pusch. Das Casting fand in einer großen Halle, einem Storeroom eines Modelabels statt. Es gab keine Kleiderordnung, »Sei du selbst« stand auf der Einladung. Nach entspannt-lässigem Warm-up mit Häppchen und Erfrischungen durften die potenziellen Mitarbeiter in verschiedenen Workshops und Gruppenaufgaben zeigen, wie neugierig, offen, inspirierend und authentisch sie sich in unerwarteten Situationen verhalten.
Fazit: »Ein voller Erfolg – wir hatten super Kandidaten und konnten 100 Prozent der Mitarbeiter für unser erstes me and all in Düsseldorf gewinnen«, so Sven Pusch. Denen, die dabei waren, habe es riesigen Spaß gemacht – so etwas werde natürlich weitererzählt. Gut fürs Zeitmanagement der HR-Abteilung: Zwar war der organisatorische Vorlauf für das Casting nicht unerheblich, doch der eine Tag ersetzte einen Marathon von Bewerbungsgesprächen über mehrere Wochen.