Per Mausklick zum Übernachtungsglück
von Clemens KriegelsteinFür viele Urlaubswillige ist es eine Standardprozedur: Bei der Urlaubsplanung geht man auf eine der klassischen Online-Hotelbuchungsseiten, sei es Booking.com, HRS, Expedia, Hotels.com etc., gibt Urlaubsort, Zeitraum und andere Wunschkriterien ein und bucht mit wenigen Mausklicks binnen Sekunden das Wunschquartier. Eigentlich eine Win-win-Situation für alle, möchte man meinen. Der Gast findet leicht sein Wunschhotel und der Hotelier hat eine gute Chance, überhaupt gefunden zu werden. Doch so einfach ist die Lage nicht. Denn erstens lassen sich die OTAs (Online Travel Agencys) ihre Vermittlungsdienste in der Regel ziemlich gut entlohnen – im Branchenschnitt spricht man von etwa 15 Prozent des Buchungspreises – und andererseits wird das Ranking, nach dem die Reihung in der Trefferliste erfolgt, oft als undurchsichtig kritisiert. Und Betriebe, die nicht auf den ersten Seiten der Trefferliste auftauchen, haben fast keine Chance mehr, vom Kunden auch wahrgenommen zu werden.
Laut einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erhalten Hotels schlechtere Positionen bei den Suchergebnissen, wenn sie zum Beispiel auf der eigenen Website günstigere Preise angeben. Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Hotelverbandes IHA, Markus Luthe, bemängelt daher, die Ranglisten der Buchungsportale seien »intransparent und rechtlich zumindest fragwürdig. Im gemeinsamen Interesse der Hoteliers und der Nutzer brauchen wir hier dringend mehr Klarheit, Transparenz und Verlässlichkeit.« Die Ergebnisse der ZEW-Studie deuten nach Luthes Einschätzung darauf hin, dass die Portale das Ranking so optimierten, dass sie einen maximalen Gewinn erzielten, nicht aber dem Verbraucher das für ihn eigentlich beste Suchergebnis anzeigten. Da den Hotelbuchungsportalen zweifelsohne bewusst sei, dass solche »Zwangsmaßnahmen« zur Gewährleistung von Paritäten nicht mit den Kartell- und anderen Verboten vereinbar sei, werde die Ranking-Abstrafung paritätsbrüchiger Hotels hinter einem »angeblichen Algorithmus« versteckt, der vorgeblich ermitteln soll, welche Konversionsrate ein Hotel erzielt, d.h. wie oft es relativ gebucht wird, ist man beim IHA überzeugt.
Geheimnisvolle Algorithmen
Laut Christoph Taussig von der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) sind die sich ständig ändernden unterschiedlichen Algorithmen, nach denen die Rankings der diversen Plattformen erstellt werden, leider ein genauso gut gehütetes Geheimnis wie »das Originalrezept der Sachertorte«. Grundsätzlich könne man aber sagen, dass jene Hotels weiter oben gelistet sind bzw. jene Ranking-Einflussfaktoren eine große Rolle spielen, die den Buchungsportalen das meiste Geld bringen. Was das Ranking jedenfalls beeinflussen könne, seien Faktoren wie:
- Datenqualität – Portale legen großen Wert auf gepflegte und vollständige Texte, detaillierte Beschreibungen sowie gutes, aktuelles Bildmaterial.
- Positive Gästebewertungen, die idealerweise vom Hotelier kommentiert werden.
- Dynamische Preise statt fester Saisonpreise, die der Nachfrage angepasst werden.
- Hotels mit hohen Preisen, die auch gebucht werden, erhöhen die Umsätze der Plattformen. Diese Hotels landen logischerweise weiter oben im Ranking.
- Höhere Kommissionen: Hotels haben die Möglichkeit, Kommissionen über einen gewissen Zeitraum zu erhöhen. Das erhöht auch die Sichtbarkeit im Ranking.
- Verfügbarkeiten: Portale können nur dann verdienen, wenn sie Zimmerverfügbarkeiten haben, die sie verkaufen können. Haben Portale über einen längeren Zeitraum durchgehend mehrere Zimmer verfügbar, steigt das Hotel im Ranking.
Reichweite wächst
Trotz aller Kritik: Die Reichweite der OTAs im Netz ist jedenfalls beträchtlich und wächst ständig. Die aktuellsten Zahlen von 2017 (die 2018er-Zahlen waren zu Redaktionsschluss leider noch nicht verfügbar) auf europäischer Ebene zeigen, dass die drei Marktführer, die Booking Holdings, die Expedia Group und mit etwas Abstand HRS, bei den Online-Buchungsplattformen zusammen 92 Prozent Marktanteil haben. Booking.com hat mit 66,4 Prozent den größten Anteil. Die Dominanz von Booking.com ist von 2013 bis 2017 um mehr als 6 Prozent gestiegen, von 60 auf 66,4 Prozent. Der Anteil von Expedia in Höhe von 16,8 Prozent blieb in etwa gleich. HRS hat Marktanteile verloren von 16,6 auf 9 Prozent. (Quelle: European Hotel Distribution Study 2018 von Prof. Roland Schegg, Institut für Tourismus, Fachhochschule Westschweiz-Wallis)
Vom Hostel bis zum Luxus-Chalet
Branchenriese Booking.com etwa bietet in der DACH-Region über 125.000 Betriebe in mehr als 22 verschiedenen Unterkunftsarten an – vom klassischen Hotel über luxuriöse Chalets oder einfache Hostels bis zur Wohnung in einer City. Wer mit seinem Betrieb dort vertreten sein möchte, zahlt im Schnitt nach erfolgter Buchung rund 15 Prozent des Übernachtungspreises als Provision. »Partner zahlen allerdings nichts, wenn sie keine Einnahmen generieren. Dies macht Online-Plattformen zu einer äußerst kostengünstigen Möglichkeit für Hotels, ihre Unterkunft weltweit anbieten zu können. Darüber hinaus übernimmt Booking.com als Service auch die Übersetzung von Inhalten und den Kundenservice für die Hotels in mehr als 40 Sprachen weltweit«, lässt Booking.com auf HOGAPAGE-Anfrage durch eine Sprecherin verlauten.
»Hätten alleine nicht die nötige Durchdringungsmacht«
Das sieht etwa auch Michael Bach so ähnlich. Bach ist Sales- und Marketing-Direktor im Vitalhotel Alter Meierhof in Glücksburg an der Ostsee. Und im Meierhof nutzt man seit jeher das volle Programm an OTAs: HRS, Hotels.com, Expedia.de und natürlich Booking.com. Von den 54 Zimmern und Suiten des Hotels werden jeweils rund zehn Prozent zur Buchung an die Plattformen freigegeben, »wobei wir das regelmäßig updaten, je nach unserer eigenen Buchungslage«, wie Bach erklärt. »Wir sind ja ein privat geführtes Hotel, sind nicht Mitglied irgendeiner Kette und haben dadurch auch nicht die große Durchdringungsmacht im Markt, um die nötige Aufmerksamkeit zu generieren. Da hilft uns die Präsenz auf diesen Plattformen natürlich sehr.« Immerhin rund ein Viertel aller Buchungen werden dann auch über die OTAs generiert.
Die angegebenen Preise seien auf der eigenen Homepage jeweils die gleichen wie auf den Buchungsplattformen. Die Provisionen, die der Alte Meierhof für die einzelnen Buchungen zahlt, seien vertragsabhängig, in der Regel könne man aber mit rund 15 Prozent rechnen. Klar aber auch, dass das Hotel versucht, bei bestehenden (Stamm-)Gästen, diese zur direkten Buchung auf der Hotel-Homepage zu bewegen. Bach: »Wir sprechen das schon beim Check-in an, wo der Gast die Möglichkeit hat, sich für unseren Newsletter zu registrieren. Und auch bei der Abreise bekommt der Gast einen Feedback-Bogen, wo wir ebenfalls auf die Möglichkeit einer direkten Buchung hinweisen.«
Auch klein funktioniert allein
Jetzt könnte man meinen, dass gerade große, bekannte Häuser eher auf die Dienste der Online-Buchungsportale verzichten könnten, kleine, einsam gelegene Betriebe dafür auf die einschlägigen OTAs angewiesen sind. Dass dem nicht unbedingt so sein muss, beweist der Schererwirt, ein kleines B&B mit nur wenigen Romantikzimmern in Turnau (Steiermark). Sabrina Fürstner führt hier die Geschicke des Hauses, und für sie waren Booking.com & Co. nie ein wirkliches Thema. »Wir haben ja nur wenige Zimmer, die wir vor allem mit Gästen eines nahe gelegenen, sehr bekannten Wirtshauses gut füllen. Da sind wir auf die OTAs zum Glück nicht angewiesen und können uns so die Provision sparen.« Schon mehrfach wäre man seitens Booking.com an sie mit guten Einstiegsangeboten herangetreten, »aber so viel ich gehört habe, gelten die fünf Prozent Provision, die man mir angeboten hat, nur im ersten Jahr. Dann wird es schnell teurer.« Ausschließen möchte sie es zwar nicht, dass der Schererwirt in Zukunft mal mit Booking.com zusammenarbeitet, aktuell sei es aber aufgrund der hohen generellen Auslastung kein Thema.
Pro & Contra der Buchungsplattformen
Ob es für einen Hotelier Sinn macht, auf Booking.com & Co. vertreten zu sein, hängt von mehreren Faktoren ab, etwa der Ausrichtung des Hotels (Stadt- oder Ferienhotel), der Lage (frequentiert oder nicht frequentiert), seinen Mitbewerbern (bin ich das einzige Hotel in der Umgebung oder kann ich auch von meinen Mitbewerbern profitieren) oder seiner Strategie bzw. Positionierung. Wer gute Alleinstellungsmerkmale besitzt, ist gefragt und hat meist keine Probleme, sein Hotel zu füllen. Wer einfach nur Übernachtungsmöglichkeiten anbietet, muss eher auf Verkaufshilfsmittel zurückgreifen – wie etwa Buchungsplattformen.
Die ÖHV skizziert die Vor- und Nachteile der OTAs folgendermaßen:
Vorteile
- Höhere Reichweite – ein Hotelier erreicht mehr Gäste mit Buchungsplattformen als nur über die hoteleigene Webseite oder über gedruckte Kataloge.
- Neue Märkte auf der ganzen Welt können einfach und gezielt erschlossen werden. Hoteliers erreichen Gäste in Ländern, die sie allein nicht erreicht hätten.
- Das Marketing wird übernommen – durch schier »unendliche« Marketingbudgets und Kampagnen der Buchungsplattformen profitieren auch Hoteliers, speziell auch wenn es um die Übersetzungen in Fremdsprachen geht.
- Buchungsabwicklung wird von Plattformen übernommen – im Idealfall werden (teils mühsame) Kreditkartenüberprüfungen von Plattformen übernommen und die Reservierung über eine Schnittstelle automatisch in die Hotelsoftware übertragen. Zudem helfen Buchungsportale enorm dabei, Last-Minute-Kontingente kurzfristig an den Mann oder die Frau zu bringen.
Nachteile
- Leider nutzen einige Buchungsplattformen ihre Marktmacht aus. Sie versuchen, um jeden Preis den Gast zu einer Buchung über die Plattform zu bringen. Das kann oft dazu führen, dass die Preishoheit der Hotels verloren geht.
- Preis-Dschungel: Buchungsplattformen geben (für den Hotelier oft unwissentlich) einen Teil ihrer Provision quasi an den Gast ab, um ein Zimmer besonders günstig anbieten zu können und um so die Buchung des Gastes über die Plattform zu bekommen.
- Die Hoheit der Gastdaten liegt bei den Buchungsplattformen und nicht beim Hotel.
- Nachteilige AGBs schränken den Handlungsspielraum der Hotels bei der Preisgestaltung, bei den Stornobedingungen oder der Auswahl des Vertriebskanals ein.
- Auf einigen Plattformen müssen fixe Zimmerkontingente vergeben werden, welche im Vertrieb verwaltet und berücksichtigt werden müssen.
Und noch ein Problem der OTAs hat kürzlich eine Studie transparent gemacht: nämlich eine extrem hohe Stornoquote. Demnach wurden 2018 rund 40 Prozent der Hotel-umsätze von OTA-Nutzern vor ihrer Ankunft storniert. Negativer Spitzenreiter ist laut der Studie von D-Edge Hospitality Solutions die Booking-Gruppe mit rund 50 Prozent Stornos. Grund sei, dass sich die Gäste an kostenlose Stornierungsmöglichkeiten gewöhnt hätten. Dieses Kundenverhalten behindere eine genaue Prognose und führe schließlich zu keiner optimalen Belegung, heißt es im Bericht.
Unkontrollierbarer Basispreis
Anfang 2019 führte Booking.com nach mehrmonatiger Testphase in Asien ohne Vorankündigung ein Tool auch in Europa ein, das für einige Diskussionen innerhalb der Branche sorgt: Mit Booking.Basic will das Portal über dritte Vertriebspartner auch dann immer die günstigste Rate eines Hotels anbieten, wenn diese vom Hotel Booking.com bewusst gar nicht zur Verfügung gestellt wird. Hierzu geht Booking.com Kooperationsvereinbarungen etwa mit Reiseveranstaltern ein, um Zugriff auf deren Zimmerkontingente zu vergünstigten Raten zu erhalten, die eigentlich nur im Rahmen einer Pauschalreise oder wenigstens in Kombination mit anderen Reiseleistungen vertrieben werden dürften. Diese Buchungsraten müssen vom Gast sofort bezahlt werden und können nicht storniert werden. Das betreffende Hotel selbst erkennt indes gar nicht mehr, dass die Buchung eigentlich seitens Booking.com erfolgte, da das Gästehaus nur die Daten des Drittanbieters vorliegen hat. Zwei der möglichen Folgen: Unterwanderung der Preishoheit und Check-in-Chaos an den Hotelrezeptionen, da diese Reservierungen nicht mehr klar zugeordnet werden können.
Auf diese Basic-Raten angesprochen, erklärt Booking.com auf HOGAPAGE-Anfrage: »Da es Teil unserer Verpflichtung ist, Reisenden das beste Erlebnis und die besten Preise zu bieten, testen wir derzeit Möglichkeiten, unseren Kunden zusätzlichen Nutzen zu bringen. Wir decken 100 Prozent dieser Kosten selbst ab und garantieren unseren Partnern, dass sie den vollen Preis erhalten, den sie auf unserer Plattform angegeben haben.«
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.