Herr Ober, eine Fliege ist in meiner Suppe!
von Daniela MüllerWir haben einige Ratschläge von Experten für brenzlige Situationen zusammengesammelt.
Das Filetsteak ist das teuerste Gericht im Restaurant Sonnenschein. Trotzdem wurde es heute wieder oft bestellt und viel gelobt. Umso erstaunter ist Service-Mitarbeiter Karl G., als er zu einem Tisch gerufen wird, an dem ein Gast ihm den Teller samt fast aufgegessenem Steak unter die Nase hält und behauptet, dass das Gericht überhaupt nicht schmecken würde. Bezahlen, so der aufgebrachte Gast, wolle er dafür keinen Cent.
Liegt kein objektiv feststellbarer Mangel am Essen vor, muss der Gast die Rechnung für das bestellte und bereits teilweise verzehrte Gericht begleichen – ob er will oder nicht. »Anders läge der Fall, wenn das Essen z. B. versalzen, angebrannt, kalt bzw. aus einem anderen Grund ungenießbar wäre – oder das Steak durchgebraten statt wie bestellt medium beim Gast ankommt«, erklärt Ulrich J. Korb, Jurist und Geschäftsführer des Fachbereichs Gastronomie beim DEHOGA Bayern. Dann nämlich hätte der Gast ein Recht darauf, entweder ein neues, mangelfreies Gericht zu erhalten oder für das Essen nicht bezahlen zu müssen. Ein solcher Mangel muss jedoch eigentlich zeitnah vom Gast gerügt werden. »Das heißt, wenn maximal zwei bis drei Bissen verzehrt worden sind«, stellt Martina Blümel, Tourismusbetriebswirtin (FH) und Dozentin an der Dr. Eckert Akademie in Regenstauf klar.
Hat man den Verdacht, ein Gast versucht sich nur um die Rechnung zu »drücken«, sollte der Service trotzdem zunächst persönlich
auf ihn eingehen und charmant versuchen, die Situation aufzulösen. »Hierzu ist ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein, Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis erforderlich. Kommt die Servicekraft nicht alleine mit der Situation zurecht, rate ich, den Vorgesetzten oder den zuständigen Koch zur Lösungsfindung herbeizuholen. Oftmals lässt der Gast dann von seiner Beschwerde ab«, so Martina Blümel. Tut er das nicht, sollte man eine Goldene Regel der Gastfreundschaft nicht vergessen: Der Kunde ist König – aber nur, wenn er sich wie einer verhält.
Das Leben ist voller Überraschungen – so manche kann das Hotelpersonal schon einmal vor schwierige Aufgaben stellen. Wie im Fall des Stammgastes Uwe R., der gemeinsam mit einer jungen Blondine bereits vor einiger Zeit eingecheckt und darum gebeten hat, in den nächsten Stunden ungestört zu bleiben. Der Empfangschef staunt nicht schlecht, als plötzlich eine Dame im besten Alter – diesmal in Brünett – vor ihm steht, sich als Frau R. vorstellt, ausweist und mit Nachdruck einen zweiten Schlüssel des Zimmers fordert, um ihren Ehemann zu überraschen.
Steht die offensichtlich betrogene Ehefrau an der Rezeption, ist es für den Mitarbeiter am Empfang zunächst wichtig, Ruhe zu bewahren – und zwar unabhängig von der eigenen Bewertung der Situation. »Eine erste Vorgehensweise wäre, zu erläutern, dass bei der Buchung keine Begleitperson angegeben wurde und aus Datenschutzgründen nur mit dem Einverständnis des Ehemanns Informationen zu Zimmernummer und Schlüssel herausgegeben werden dürfen«, rät Prof. Dr. Burkhard von Freyberg, gelernter Hotelfachmann, Diplom-Kaufmann und Dozent an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München (Fakultät Tourismus). »Um zu zeigen, dass der Empfang alles Menschenmögliche unternimmt, wäre es an dieser Stelle denkbar, vor den Augen der Gattin einen Anruf auf dem Zimmer vorzutäuschen, der natürlich nur bestätigt, dass der Mann gerade nicht dort ist. Dann empfiehlt man der Dame, einmal in den öffentlichen Bereichen nach ihrem Mann zu suchen oder gegebenenfalls zu warten, da er womöglich kurz einmal das Hotel verlassen hat. Man könnte ihr auch, um ihr die Zeit des Wartens angenehmer zu gestalten, einen Drink an der Bar anbieten, während die Rezeption diskret den Mann informiert.«
»Eine andere, kreativere Lösung wäre, der Dame einen Schlüssel für ein unbewohntes Zimmer in einer anderen Etage auszuhändigen und die gewonnene Zeit ihrer Abwesenheit zu nutzen, den Ehemann zu ›warnen‹«, so von Freyberg.
Bei der Zimmer-Inspektion bemerkt die Hausdame, dass einer der kuscheligen Bademäntel, die das Hotel seinen Gästen als Service zur Verfügung stellt, wohl »aus Versehen« im Koffer von Horst P. gelandet ist. Da dieser tagsüber noch im Hotel auf einer Tagung weilt, befindet sich das Corpus Delicti im Gepäckraum bei der Rezeption. Wie soll die Empfangsmitarbeiterin reagieren, wenn Herr P. am Nachmittag kommt, um seinen Koffer abzuholen?
In einer Situation wie dieser ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn eine Diebstahlsvermutung gegen einen Gast ist eine äußerst unangenehme Sache – und zwar für alle Beteiligten. »Die Rezeptionsdame sollte VORSICHTIG und höflich den Gast fragen, ob er nicht vielleicht wisse, wo denn der Bademantel verblieben sei«, rät Martina Blümel von der Dr. Eckert Akademie. Dann kommt es darauf an, wie der Gast reagiert. »Drängendes Nachfragen ist in diesem Fall nicht angebracht. Sollte er nicht ehrlich sein, bleibt der Hotelangestellten nichts anderes übrig, als Herrn P. mitsamt dem Bademantel ziehen zu lassen«, so die Expertin. Es ist übrigens nicht erlaubt, den Gast zu zwingen, seinen Koffer zu öffnen. Martina Blümel: »Hier gilt das Recht des Gastes zum Schutz der Privatsphäre. Es müsste die Polizei informiert und der Gast von der Rezeptionsdame ›vorläufig festgenommen‹ werden.« Das Risiko dabei: Sollte der Festgehaltene den Bademantel wider Erwarten nicht im Koffer haben, könnte er Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung oder übler Nachrede stellen.«
Sehen Sie in diesem Fall also die positiven Seiten: Der Bademantel ist zwar weg, dafür hat das Hotel einen weiteren »Werbeträger« – vorausgesetzt, der Bademantel ist mit einem Logo bestickt. Vergessen Sie aber trotzdem nicht, den Vorfall in Ihrer Gästekartei zu vermerken und eventuell für den nächsten Besuch eine Leihgebühr zu verlangen!
Mit steigendem Alkoholpegel fallen die Hemmungen der Gäste – das erlebt auch Bedienung Sabine N. jedes Wochenende bei ihrer Arbeit im Wirtshaus. Besonders ein Gast fällt heute unangenehm auf: Maximilian S. macht anzügliche Bemerkungen und fasst der völlig überforderten Servicekraft dabei mehrmals unwirsch an den Po. Auch Wirt Korbinian K. bleibt das ungebührliche Verhalten seines Gastes nicht verborgen.
»Da gibt es nur eines: Solchen Attacken muss der Wirt schnell und entschieden Einhalt gebieten und den übergriffigen Gast sofort bitten, unverzüglich das Lokal zu verlassen – natürlich nachdem dieser seine Rechnung bezahlt hat«, so Ulrich Korb vom DEHOGA Bayern. Dass der Chef in solchen Situationen hinter seinem Personal steht, sollte selbstverständlich sein. In weniger schlimmen Fällen wäre es zudem denkbar, anstelle der weiblichen eine männliche Servicekraft zum betreffenden Gast zu schicken. »Zugleich darf man ihn dann schon darauf hinweisen, dass er aus gutem Grund einen neuen Kellnerzugewiesen bekommt – höflich aber bestimmt«, meint Korb.
Die Geburtstagsfeier war feuchtfröhlich, die Gäste haben gut konsumiert, die Kasse stimmt. Nur eines macht Wirt Peter S. Sorgen: Das Geburtstagskind hat ganz offensichtlich zu tief ins Schnapsglas geschaut und macht nun ernsthafte Anstalten, sich auf den 10 Kilometer langen Heimweg zu begeben – mit dem Auto! Peter S. möchte dies verhindern, stößt beim alkoholisierten Gast jedoch auf geballte Uneinsicht und renitente Gegenwehr.
Als Gastwirt hat man nicht nur eine moralische Verpflichtung, sich um betrunkene Gäste zu kümmern, sondern auch eine rechtliche. Zum einen ist es per Gesetz verboten, an einen erkennbar Betrunkenen Alkohol auszuschenken, zum anderen ist der Gastronom im Rahmen der sogenannten »Garantenpflicht« dringend angehalten, Schaden vom Gast abzuwenden, wenn dieser augenscheinlich nicht physisch in der Lage dazu ist, seinen Heimweg mit dem Auto (genauso wie auf dem Fahrrad oder zu Fuß) anzutreten. »Ich rate dringend dazu, den Gast davon zu überzeugen, ein Taxi zu nehmen oder sich nach Hause fahren zu lassen. Der Wirt sollte ihn wirklich auf gar keinen Fall mit dem Autoschlüssel aus der Tür gehen lassen«, so Ulrich Korb vom DEHOGA Bayern.
»Falls der Betrunkene sich nachhaltig wehrt, beleidigend und vielleicht sogar handgreiflich wird, empfehle ich, mit der Polizei zu drohen – und diese im Zweifelsfall auch zu rufen.« Rückgrat zeigen, lohnt sich in diesem Fall besonders: »Würde der betrunkene Gast auf dem Heimweg einen Unfall bauen, bei dem im schlimmsten Fall er selbst oder andere Menschen zu Schaden kommen, hätte nämlich auch der Wirt ganz schlechte Karten bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Ordnungsamt«, so der Jurist.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
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