Frauenpower!
Hier gibt das weibliche Geschlecht den Ton an
von Karoline GiokasIch sehe etwas in dir, das du vielleicht selbst noch nicht so siehst. Hab den Mut, es auszuprobieren, ich unterstütze dich dabei!« Ein starkes Statement, das Carmen Dücker in ihrer inzwischen 30-jährigen Laufbahn bei den Best Western Hotels geprägt hat. Denn so begann auch ihre Karriere in einem Bereich, für den sie sich ursprünglich gar nicht beworben hatte, mehr noch, bisher auch keine Erfahrung vorzuweisen hatte. »Diese Art und Weise der Personalentscheidung, den persönlichen Eigenschaften und Eindrücken mehr zu vertrauen als einer Auflistung von fachlichen Fähigkeiten in einem Lebenslauf, hat mich mächtig beeindruckt«, erinnert sich Dücker.
Heute ist sie gemeinsam mit Marcus Smola Geschäftsführerin der Hotelgruppe, hat sich seit ihrem Eintritt 1993 von der Marketing-Assistenz über die Leitung der neuen Medien der Best Western Muttergesellschaft DEHAG Hotel Service bis hin zur Direktorin E-Business & Marketing Touristik und stellv. Geschäftsführerin hochgearbeitet. Sie selbst steht nun im Unternehmen dafür, neue Mitarbeiter nicht rein nach Lebenslauf einzustellen und bestehende Mitarbeiter nach ihren persönlichen Stärken und Fähigkeiten weiterzuentwickeln – das tut nicht nur diesen Mitarbeitern, sondern vor allem auch dem Unternehmen gut. Ist das eine eher weibliche Führungseigenschaft? »Ich kenne durchaus auch Männer, die sehr empathisch sind, meistens vertrauen sie jedoch bei der Besetzung von Stellen eher auf Fakten und belegte Leistungen. Dabei kann man in den Menschen weitaus mehr Potenzial wecken, wenn man außerhalb der klassischen Wege denkt«, ist Dücker überzeugt. »Es gehört halt ein wenig mehr Mut und Veränderungswillen von beiden Seiten dazu.« Bei ihr wurde dieser bisher allerdings mit einer einzigen Ausnahme immer belohnt.
Wenn mal was nicht läuft, muss Frau deshalb nicht gleich an sich als Person zweifeln
Es ist erstaunlich, betrachtet man die Statistiken, dass mehr als die Hälfte der Stellen in den Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen, 65,4 Prozent (Statista 20. Juni 2020), Frauen ausmachen, aber nur rund 28 Prozent der Führungspositionen laut den aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (Stand Juli 2021) durch weibliche Mitarbeiter besetzt sind. Was das Bild zusätzlich verzerrt, ist, dass es so wenige Frauen in Aufsichtsräten der Unternehmen gibt. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Schritt von der zweiten Reihe in die erste so viel größer ist als jeder andere davor«, stellt Dücker fest. »Auch bei uns sind Beirat und Aufsichtsrat bis auf eine Ausnahme eine reine Männerdomäne. Wenn dann alle Vorstände, Geschäftsführer und diese Gremien an einem Tisch sitzen, fällt jene Unterzahl sicher den beiden anwesenden Frauen deutlich mehr auf als den männlichen Kollegen. Für die ist ein solches Bild ja nicht ungewöhnlich. Wir Frauen jedoch freuen uns schon sehr über jede weitere Kollegin, die das Bild vielfältiger macht und ganz nebenbei die Geschlechterverteilung in unserer Branche auch immer besser zu repräsentieren hilft. Denn eines kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Die erste bzw. einzige Frau zu sein bedeutet schon die eine oder andere Herausforderung. Daher ist es wichtig, dass mehr Frauen den Mut haben, hier vorauszugehen, um es all ihren Kolleginnen leichterzumachen, diesen Schritt in die erste Reihe zu wagen.« Das sei allerdings kein Thema ihrer Branche. »Ich glaube, da muss in der ganzen Gesellschaft noch viel aufgebrochen werden. Bis dahin werden Frauen weiterhin Situationen erleben, in denen sie sich eher ›als Ausnahme‹ fühlen.«
Da steht Frau drüber
Noch immer sprechen wir von Vereinbarkeit, davon, wie Frauen ihren Job mit Kind und Mann unter einen Hut bekommen können. »Es sollte doch in unserer heutigen Zeit inzwischen normal sein, dass auch Männer in Elternzeit gehen und damit die Care-Arbeit zu 50 Prozent übernehmen. Solange darüber überhaupt diskutiert wird, wird sich nichts ändern«, ist Christin Siegemund überzeugt. Normalerweise beantwortet die Fooderin Fragen zu genau diesem Thema nicht – sie möchte sich nicht in solch typische Klischee packen lassen. Die heute 40-jährige Founderin der Hamburger Startup-Schmiede Foodlab hat sich die Betreuung ihrer eigenen Kinder mit ihrem Mann geteilt, mit zwei Jahren haben diese zudem zeitweise eine Spielgruppe besucht. »Als ich nach meiner Elternzeit in meinen alten Job zurückwollte, verwehrte man mir eine Beschäftigung in Teilzeit. Da bin ich gegangen. Damals habe ich aber auch nicht so für meinen Job gebrannt wie heute.« Die Umsetzung ihrer Geschäftsidee habe dann nur mit einem starken Mann und den Verwandten im Rücken geklappt. »Das war nicht anders, als sich mein Mann selbstständig gemacht hat«, betont Siegemund.
Ich wünsche mir, dass wir die Thematik Mann-Frau nicht mehr haben und wir endlich als arbeitende Menschen wahrgenommen werden
2019 schuf Christin Siegemund mit dem Foodlab in Hamburg an der Elbe auf 1.200 Quadratmetern Fläche einen Place to be, der visionäre Foodie-Start-ups zusammenbringt. Ein Ort, der unter einem Dach Coworking Spaces, verschiedene Versuchsküchen zum Produzieren sowie Fermentieren, ein Popup-Restaurant und Café sowie ein Media- und Eventstudio vereint. So mancher Vertreter der Branche, der damals von ihrer Idee hörte, stempelte Siegemund als Spinnerin ab. Schöne Idee, aber das schafft sie nicht, hieß es. »Ich glaube auch, der eine oder andere hat mich vor allem als Frau mit visionärer Idee nicht wirklich ernst genommen.« Beirrt hat sie das zumindest nicht. »Man muss als Frau sicher auftreten, dann steht man da drüber.«
Wie sie es dann tatsächlich geschafft hat? Mit einem starken Netzwerk, das sie sich über Innovationcamps und Branchentreffen peu à peu selbst aufgebaut hat. »Ohne das geht es gar nicht. Man muss sich einen starken Verbund an Kontakten aufbauen, die einen zwischendurch auch mal in seinem Tun bestätigen.«
Qualifikationen sorgen für nötigen Respekt
Im Team von Powerfrau Sandra Englich sind bis auf eine Position in der Eventorganisation alle Führungsstellen von weiblichen Kräften besetzt. Als die gelernte Hotelfachfrau und studierte Betriebswirtin die in die Jahre gekommene Festungsgaststätte auf der Kronacher Festung Rosenberg zu einem neuen Anziehungsort machen wollte, traute ihr dieses Unterfangen nicht jeder zu: Überleg dir das ganz genau, bist du sicher, dass das das Richtige für dich ist? hieß es damals. Heute sind auf der Bastion Marie eine Eventagentur, ein Floristik-Shop und ein schmuckes Restaurant unter einem Dach vereint.
Was hier half, um den großen Traum zu verwirklichen, waren »Flexibilität, Durchsetzungsvermögen und der unbändige Willen, dies auch zu schaffen«, schießt es in einem Satz wie aus der Pistole aus ihr heraus. »Man muss als Frau an sich und seine Idee glauben, zeigen, was man draufhat, und darf sich nicht beirren lassen. Solange man selbst überzeugt ist, klappt alles«, stellt Englich die These auf. Das abgeschlossene BWL-Studium diente ihr auf dem ganzen Weg letztlich als Werkzeug, um ein Unternehmen zu führen, aber vor allem auch, »um den Respekt anderer zu bekommen«, sagt sie. Der immer wieder aufploppende Spruch »wer nix wird, wird Wirt« hat die Unternehmerin stets kaltgelassen. »Ich habe von Anfang an das Selbstbewusstsein gehabt, dass ich durch meine Qualifikationen das Zeug dazu habe – so wird man in der Branche auch als Frau ernst genommen.«
Selbst die Zügel in der Hand zu halten ist toll, aber ohne ein starkes Team geht es nicht
Allerdings stellt Englich ebenso ganz klar fest: »Frauen müssen Führungskraft sein wollen. Nicht jedem liegt die damit verbundene Verantwortung.« Wer die Karriereleiter bis ganz nach oben steigen möchte, muss manchmal sicher einen gewissen Preis für den Erfolg zahlen – gemeint sind hier beispielsweise Arbeiten an den Feiertagen und Wochenenden. Da bleiben die Freizeit und die Familie schon ab und zu eventuell auf der Strecke. Das hängt aber definitiv vom Wirkungsfeld ab. Das Klischee, man könne als Frau keine Führungsposition bekleiden und zugleich auch Mutter sein, dementiert Sandra Englich. »Gerade die Hospitality bietet Frauen die Chance, so zu arbeiten, wie es für sie passt. Es kommt immer auf das Wirkungsfeld an. Klar geht das nicht überall, aber bei uns kommen die Kinder notfalls auch mal mit ins Büro.« Ihre Philosophie, an der die sympathische Powerfrau stets festhält: »Man kann es definitiv nicht jedem recht machen. Man muss eine Linie fahren und diese in jeder Situation vertreten. Auf diese Weise glaube ich an mich, meine Firma und mein Team.«
So gravierend sind also die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften nicht. Frauen brauchen keineswegs »männliche« Charaktereigenschaften, um es in dieser Branche zu etwas zu bringen. Vielmehr sorgen sie mit ihrer weiblichen Hand, ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Intuition für ganz neue Blickwinkel. Dabei geht es nicht einmal darum, Männer zur Seite zu drängen, sondern um ein faires Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Denn mal ehrlich, in Sachen Know-how, Talent und Engagement stehen die Damen den Herren in nichts nach. Also, go for it!