Der Gewinn liegt im Einkauf – Erfolgsformel oder Binsenweisheit?
Warum billig nicht gleich klug ist ...
von Daniela MüllerSicher ist: Günstig einkaufen ist gut für die Bilanz, doch: »Günstig einzukaufen, bedeutet nicht automatisch, klug einzukaufen. Produktqualität, Bratverlust, Verschnitt und Personalaufwand sind ebenso wichtige Faktoren«, so Markus Schnirzer, Geschäftsleiter der Einkaufsberater F&B GmbH Österreich. Nach einer aktuellen Studie zum Einkaufsverhalten in der Gastronomie (Hochschule Heilbronn) waren bei der Auswahl von Lieferanten Qualität, Termintreue, schnelle Bestellabwicklung und Stückpreise von enormer Wichtigkeit. Während etwa regionale Nähe oder Kostentransparenz eine geringe Bedeutung hatten. Vielleicht, so denken wir, ein Fehler. Steckt doch der Teufel im Detail.
Langfristige Planung, ständige Kontrolle
Um alle notwendigen Strukturen und Kontrollmechanismen für eine kluge Einkaufsstrategie zu schaffen, braucht es vor allem Manpower. Aus Zeitmangel verzichten viele Gastronomen darauf, ihren Einkauf strukturiert zu planen und zu analysieren. Versteckte Preiserhöhungen von Lieferanten gehen da schnell unter. Gregor Raimann, Spitzenkoch und Gastronomieberater, empfiehlt als absolute Mindestmaßnahme, eine detaillierte Wareneingangsliste zu führen. »So hat man wenigstens eine Verhandlungsgrundlage.«
Die Lieferanten im Blick behalten
Wer sein Einkaufsmanagement nicht im Griff hat, gerät schnell in einen Teufelskreis. Die Folge: komplexe Lieferantenstrukturen, Preisnachteile sowie Engpässe bei Bestellung, Warenverfügbarkeit und Qualität. Küchencoach Stephan Bräger, der über 20 Jahre als Küchenchef tätig war, weiß, dass viele Gastronomen und Hoteliers ohne ausgefeilte Einkaufsstrategien arbeiten. Er spricht sich für eine harte Linie aus: »Wenn ein Lieferant die Qualität nicht bringt, muss ein neuer her. Verträge sollten nur über zwölf Monate geschlossen werden. Danach wird neu verhandelt.« Wer z. B. bei Obst und Gemüse mit nur einem Lieferanten zusammenarbeitet, raubt sich selbst die Verhandlungsmöglichkeiten und ist von der gelieferten Ware abhängig – selbst dann, wenn sie minderwertig ist.
Knauserei ist keine Lösung
Ordentliche Qualität für wenig Geld = guter Einkauf? Nicht für jeden Küchenprofi geht diese Gleichung auf. »Wenn ich den Schwachsinn mit den Preisvergleichen höre, geht mir der Hut hoch. Es wird Zeit, dass dem Spar-Wahn ein Riegel vorgeschoben wird und Gastronomen sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren«, poltert Sterne- und Fernsehkoch Stefan Marquard gegen die Sparfüchse unter den Einkäufern. Er sieht die ewige Knauserei als Wurzel allen Übels. »Viele sollten stattdessen mal ihr Unternehmen infrage stellen. Jeder Gastronom ist in der Lage, bis zu 25 Prozent einzusparen – und zwar nicht beim Einkauf. Vielmehr, indem er seine Kernprozesse optimiert, dokumentiert und die Belegschaft darauf einschwört.« Wer Lebensmittel-Ressourcen schonend verarbeitet, Garprozesse anpasst und kaum Gewichtsverluste hat, muss kleinere Kalibrierungen einkaufen. Wer zudem kreativ arbeitet, kann sein Sortiment verdichten und letztlich besser haushalten.
Weniger ist mehr
Fazit: Neben fehlenden Einkaufsstrategien und Kontrollmechanismen sowie falschen Garprozessen gibt es zahlreiche andere Faktoren, die den Gewinn eines gastronomischen Betriebes schmälern können. Ein strukturierter Einkauf ist als ständiger Prozess zu betrachten. Um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, sind permanente Prüfungen und Nachbesserungen notwendig. Wer etwa sein Warenwirtschaftssystem nicht richtig pflegt, kauft meist zu viel ein. Das erfordert mehr Lagerkapazität und Energieaufwand. Auch von Schleuderpreisen bei großen Abnahmemengen sollte man sich nicht verlocken lassen. Wird »alte« Ware nach hinten geräumt, entstehen schnell Mindesthaltbarkeitsverluste. Zu ökonomischem Handeln gehört schlussendlich auch der optimale Umgang mit Lebensmitteln. Spitzenkoch Gregor Raimann weiß, dass es hier in vielen Küchen am meisten hapert: »Nehmen wir etwa den Blumenkohl oder Spargel, nur wenige Köche verarbeiten Strünke und Schalen. Für die Herstellung von Suppen und Soßen sind sie jedoch bestens geeignet.«
Was bringen Einkaufsgesellschaften – für wen lohnt die Mitgliedschaft?
Einkaufsgesellschaften machen dann Sinn, wenn ein Betrieb ab einer bestimmten Größe seinen Einkauf strukturieren muss.
Die Hotel- und Gastronomie-Kauf eG (HGK) arbeitet z. B. mit über 470 geprüften Lieferanten zusammen. Sie bietet Mitgliedern diverse Extraleistungen wie zielgerichtete Einkaufsberatung, E-Commerce-Plattform zur Prozesskostenoptimierung oder Rabatte für Kücheninventar. Bei der HGK müssen Mitglieder Anteile erwerben und eine Sicherheitsleistung von 5.000 Euro hinterlegen. Andere Einkaufsgesellschaften haben höhere Hürden. Bei Progros können Hotels erst ab einer Million Euro Jahresumsatz Mitglied werden.
Stefan Marquard hält wenig von Einkaufsgesellschaften und scheut auch nicht die ehrliche Antwort: »Dem ›kleindenkenden‹ Gastronomen kommen diese Gesellschaften sicher zugute. Alle verkaufen das Gleiche, Preise werden künstlich niedrig gehalten – das suggeriert immer: Ich kann viel sparen. Aber der clevere Gastronom lässt die Finger davon. Er hat seine Partner, auf die er sich verlassen kann!«
Kamuran Güven, Einkaufsleiter bei der hotello Objektausstattungen GmbH,
findet Einkaufsgesellschaften nur für autonome Betriebe und kleinere Ketten sinnvoll. »Bei großen Hotelketten ist es vorteilhafter, die Preise bei verschiedenen Warengruppen stets neu zu verhandeln.«
Indirekt bestimmen diese Gesellschaften auch die Speisekarte, findet Gregor Raimann. »Bei den großen Global Playern kannst du nur kaufen, was diese auswählen. Du kannst dann weder kreativ noch flexibel noch individuell arbeiten.« Außerdem läuft alles anonymisiert über das Internet. Das bringt Küchenchefs weg von ihrem Ursprung, nur wenige gehen heutzutage noch auf dem Wochenmarkt einkaufen und lassen sich inspirieren.
Kamuran Güven, Einkaufsleiter hotello Objektausstattungen GmbH – Einkaufs-gesellschaft der H-Hotels AG
»Der Mangel an Personal stellt Hotellerie und Gastronomie vor große Herausforderungen – der Einsatz von Convenience-Produkten kann diesen nicht ausgleichen. Ich denke, High-Convenience-Produkte sind ein unaufhaltsamer Trend. Sie garantieren gleichbleibende Qualität – und vereinfachen Arbeitsabläufe, Bestellprozesse sowie Lagerung. Sofern der Nachwuchs nicht gefördert wird, müssen Hotel- & Gastronomieküchen immer mehr auf solche Produkte zurückgreifen.«
Stephan Bräger, »DER Küchencoach«
»Zukünftig wird die Gastronomie nicht mehr ohne den Einsatz von Convenience-Produkten auskommen. Der Personalmangel wird sich weiter zuspitzen. Kaum ein Gastronom kann es sich auf lange Sicht leisten, Salat, Saucen o. ä. dann noch von Hand zuzubereiten. Auch wenn wir hier über den Einkauf sprechen – ich glaube, der Trend geht dahin, Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Es dauert nicht mehr lange, dann kaufen Gastronomen sogar vorgekochte Gänse, weil sie ansonsten nicht mehr ›überleben‹ können.«
Stefan Marquard Küchenchef, Sternegastronom
»Die Branche hat massive Nachwuchsprobleme. Aber wir haben alle gepennt – auch die Verbände. Keiner will mehr in der Gastronomie arbeiten. Wir können jungen Menschen nichts bieten. Stattdessen reden wir immerzu vom Sparen, Sparen, Sparen. Inzwischen gibt es so viel Convenience, dass sie einem zu den Ohren rauskommt. Und alle sagen, sie können nicht anders. Weil sie keine Mitarbeiter bekommen. Das ist eine faule Ausrede. Jetzt braucht es ein radikales Umdenken und die richtige Kommunikation. Aber dafür sind die meisten zu feige. Sie machen lieber, was sie schon immer gemacht haben: jammern.«
Gregor Raimann, Spitzenkoch und Gastronomieberater (raimannConcepts)
»Es gibt derzeit eine Gegenbewegung – weg von den Global Playern, hin zu mehr Individualität. Viele Gastronomen kaufen wieder regionale und saisonale Produkte. Im Winter Erdbeeren zu kredenzen, ist nicht mehr angesagt. Auch Spargel sollte man nicht auf die Speisekarte setzen, wenn es alle machen und der Einkaufspreis hoch ist. Dann koche ich eben andere saisonale Gerichte. Kurzum: Küchenchefs sollten wieder mutiger und kreativer werden und einen Bezug zu ihren Lebensmitteln haben, deren Wertschöpfungskette kennen. Somit können sie ihre Kunden besser beraten, was sich letztlich positiv auf den Gewinn auswirkt.«
Schnell umsetzbare Tipps für eine bessere Einkaufsstrategie
- Regelmäßige Kostenanalyse in folgenden Bereichen: Bestellprozesse, Lagerhaltung, Lagerumschlag, Entsorgungsabfälle
- Auf versteckte Preiserhöhungen seitens der Lieferanten achten (gerade bei Topsellern)
- Quartalsmäßig bei verschiedenen Lieferanten Preise vergleichen und ggf. wechseln
- Bestimmung von festen Warenkörben
- Regelmäßige Ausschreibung der Warenkörbe, Durchleuchten aller operativen Abläufe
- Mit mindestens drei Obst- & Gemüselieferanten und einem Grossisten arbeiten
- Kurze Rahmenverträge aushandeln (12 Monate), danach neu verhandeln
- Mit regionalen Erzeugern arbeiten – das spart Transportkosten, und die Ware ist frisch
- Detaillierte Wareneingangslisten führen: Was wurde wann in welchem Zustand geliefert?(Argumentationsgrundlage für Verhandlungen)
- Klare Produktdefinition: Was will ich als Gastronom/Hotelier?
- Berücksichtigung von Lokalphilosophie und Standort
- Schaffung einer effizienten Lieferantenstruktur unter Berücksichtigung von Qualität, Logistik und Warenverfügbarkeit