Und jetzt erst recht
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Und jetzt erst recht!

Warum sich eine Ausbildung in der Hotellerie auch in Corona-Zeiten lohnt

von Karoline Giokas
Mittwoch, 13.07.2022
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In der Regel beschäftigt Marc Dechow, geschäftsführender Direktor des Best Western Hotel Hamburg International, vier Auszubildende in seinem Haus. Im Sommer 2021 konnten drei dieser Nachwuchskräfte ihre Lehre erfolgreich abschließen, auf die Nachfolger wartet der Vorsitzende der Walter und Margarete Stiftung in Hamburg aber nach wie vor. »Im vergangenen Jahr waren natürlich auch wir vorsichtig, keiner wusste, wie es mit der Pandemie weitergehen wird. Deshalb haben wir in unserem Hamburger Haus zunächst nur einen neuen Lehrling aufgenommen«, berichtet Marc Dechow. Seitdem es in der Branche wieder aufwärtsgeht, laufen die Stellenausschreibungen auf Hochtouren – vergebens. »Wir bekommen keine Bewerbungen«, bestätigt Dechow. Aktuell sind daher drei von vier Ausbildungsplätzen für September 2022 noch unbesetzt. »Grund ist sicher die co­ronabedingte Verunsicherung bei Jugendlichen, Eltern und Berufsberatern bezüglich der Zukunftsperspektiven in der Branche«, ist sich Dechow sicher.  
Und tatsächlich: Laut einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit  vom Mai dieses Jahres blieben von den im Ausbildungsjahr 2021/2022 rund 24.259 gemeldeten Ausbildungsplätzen im Gastgewerbe insgesamt 14.268 unbesetzt.

Unsere Branche ist hart umkämpft und eine größere Herausforderung denn je

 

 

Marc Dechow, geschäfts-führender Direktor,
Best Western Hotel Hamburg International

Im Best Western Hotel Hamburg International können Interessierte auch noch im Februar mit der Aus­bildung starten. So wie Nassiru Joof. Der junge Gambier war einer jener Jugendlichen, die im Februar 2020, also mitten in der Pandemie, den Mut bewiesen, eine Ausbildung als Fachkraft im Gastgewerbe zu beginnen. »Ehrlich gesagt, hatte ich anfangs große Angst, dass ich noch in der Probezeit meinen Ausbildungsplatz wieder verlieren könnte«, erinnert sich der heute 28-Jährige. »Es war kaum Arbeit da und ich war ganz zuletzt gekommen. Von solchen Fällen hatte ich häufiger gehört und machte mir deshalb natürlich Sorgen.«

Köche beim Anrichten von Speisen
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Wenn das Team zur Familie wird

Für Dechow war es keine Frage der Ehre, sondern selbstverständlich, dass seine Azubis während der Pandemie-Zeit blieben. »Unsere Branche ist hart umkämpft und eine größere Herausforderung denn je. Es liegt aber an allen Beteiligten, hier etwas zu bewegen, damit sie für Fachkräfte und Nachwuchs wieder attraktiver wird«, betont Dechow. Statt Trübsal über die Lage zu blasen, erweiterten die Azubis im Hotel Best Western Hamburg International schnell ihren Aufgabenhorizont, übernahmen Tätigkeiten von Kollegen, die in Kurzarbeit gingen – schließlich stand das Hotel trotz Lockdowns in der gesamten Zeit durchgehend für Geschäftsreisende offen. Joof und seine Azubi-Kollegen managten für die übrig gebliebenen Gäste kleine Frühstücke, die sie auf den Zimmern zu sich nahmen, erledigten den Einkauf und wurden mit klassischen Housekeeping-Aufgaben vertraut gemacht. Darüber hinaus lehrte das Hotel-Team seine Lehrlinge prak­tische Handgriffe beim Tische-Eindecken oder im Weinservice und vermittelte nütz­liche Kenntnisse für Verkaufs- oder Gastgespräche in Form von Rollenspielen. »Ich bin auf diese Weise viel selbstständiger geworden«, betont der junge Westafrikaner, auf die Pandemie-Zeit zurückblickend. Den Glauben an das Gute der Branche habe er während der ungewissen Zeit nie verloren. Stattdessen hat er sich, als so wenig Personal im Haus war, immer voll eingesetzt. »Das hat sich für mich ausgezahlt«, wie er selbst sagt. 

Marc Dechow, Direktor des Best Western Hotel Hamburg International und Nassiru Joof
Marc Dechow (links), Direktor des Best
Western Hotel Hamburg International,
hat Nassiru Joof bei seiner Ausbildung 
in Corona-Zeiten in allen Belangen
unterstützt. Foto: Marc Dechow

Betreut wurden die Azubis vom Mitarbeiterstamm, der das Hamburger Haus während der Krise am Laufen hielt. »Wir haben schnell bemerkt, wie die schwierige Zeit unserem Nachwuchs vor allem im theoretischen Bereich zu schaffen machte«, erinnert sich Dechow. »Es gab keinen Präsenz-, sondern nur Distanzunterricht und dem sollte eigentlich von zu Hause aus beigewohnt werden.« Das erwies sich jedoch als große Challenge für zwei seiner Azubis, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. »Ich konnte sprachlich nicht alles verstehen«, erklärt auch Joof und Dechow ergänzt: »Zudem stand ihnen in den privaten Räumlichkeiten oftmals weder ein geeigneter Computer noch Drucker zur Verfügung.« Kurzerhand wurde der Distanzunterricht ins Hotel verlagert und die Mitarbeiter wurden zu Dolmetschern.

Mehr als nur Ausbildungsbetrieb

Für Marc Dechow, dem das Thema Ausbildung und Förderung des Nachwuchses schon immer sehr am Herzen lag, macht einen guten Betrieb mehr aus als die schlichte Rolle des Ausbilders. »Wesentlicher Aspekt sind auch die Lebensumstände um einen herum. Man hat im Grunde die Aufgabe einer kleinen Lebensbetreuung«, erklärt der Hoteldirektor. So bekämen junge Auszubildende mit Migrationshintergrund nicht einfach nur praktische Fähigkeiten vermittelt, sondern werden auch in privaten Belangen gestärkt, erhalten beispielsweise Unterstützung bei der Durchsicht wichtiger Unterlagen oder werden bei Behördengängen persönlich begleitet, um die sprachlichen Hürden zu bewältigen. 

Hoteldirektor Dechow ist jedenfalls stolz darauf, dass alle seine Nachwuchskräfte die Prüfungen geschafft haben. Zuletzt konnte Joof im Januar 2022 seine Ausbildung erfolgreich abschließen und arbeitet seither als Servicemitarbeiter im Hause. Was einen Job in der Branche für ihn so attraktiv macht? »Vor allem der zwischenmenschliche Austausch, also das, was die Branche so stark prägt«, schießt es aus ihm heraus. »In meiner Zeit in Italien habe ich bereits in der Gastronomie gearbeitet und den Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen schätzen gelernt. Auch die Küche hat mich interessiert. Nachdem ich eine Qualifizierung bei der Grone-Schule in Hamburg absolviert hatte, war ich mir sicher, dass dies der richtige Beruf für mich ist.« Sein großer Traum: »Irgendwann möchte ich mich mit einem kleinen Laden mal selbstständig machen.«

Köche bei einer Einweisung
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Es muss gehandelt werden

Wie sich das Thema Ausbildung im Gastgewerbe in ­Zukunft weiterentwickeln wird? »Die Neuordnung der Ausbildungen der Gastronomie, Hotellerie und Küche, die im August in Kraft tritt, ist sicher ein Anfang. Ich glaube aber, dass unsere Branche auch lernen muss, ganz neue Zielgruppen zu erschließen«, ist sich der erfahrene Hoteldirektor Dechow sicher. Für ihn stellt sich beispielsweise die Frage, wie man auch Abiturienten ein attraktives Angebot machen könnte. »Wir müssen auf Interessenten zugehen, die eventuell nicht sofort diese Branche im Sinn hätten. Was kann man also jemandem bieten, der eigentlich studieren möchte? Eine Kombinationsausbildung aus Praxis und Hochschulausbildung, um am Ende einen Bachelor zu machen? Dazu müssen wir die Ausbildung breiter aufstellen.«

Nassiru Joof wird seinen Traum vom eigenen Lokal weiterverfolgen. »Erst einmal möchte ich aber noch mehr Erfahrungen in der Branche sammeln«. Denn eine Abkürzung gibt es seiner Meinung nach nicht.

Ausbildung in der Krise? Kein Problem!

Um Azubis aus Insolvenzbetrieben und Jugendliche, die aufgrund der Corona-Situation keinen Ausbildungsplatz finden konnten, zu unterstützen, ist im Rahmen der Sonderkommission »Ausbildungssituation & Fachkräftesicherung« auf Initiative der IHK Berlin sowie des Dehoga ein Pop-up-Ausbildungs­hotel entstanden. Die Auszubildenden werden in diesem angestellt, vor Ort ausgebildet und auf ihre Prüfungen vorbereitet.

Weitere Infos unter: www.inab-jugend.de/ausbildungshotel-berlin

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