Krankgeschrieben und feiern – geht das?
Recht so? Expertenkolumne
von Kristina Harrer-Kouliev/Alexandra SchmidtDer Arbeitnehmer simuliert seine Krankheit nur und täuscht die Arbeitsunfähigkeit vor. Bemerkungen des Mitarbeiters vor der Krankmeldung oder entsprechende Bilder in sozialen Netzwerken, die ihn zum Beispiel beim Shoppen oder Feiern zeigen, bestärken oftmals diesen Eindruck. Doch muss man bei Krankheit das Bett hüten? Was ist erlaubt und wann begeht der Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung? Und was braucht es, um den Beweiswert einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (AU) zu erschüttern?
„Wer krank ist, gehört ins Bett“ – oder?
Der Grundsatz des Betthütens bei Krankheit gilt nicht uneingeschränkt. Bei bestimmten Erkrankungen sind Freizeitaktivitäten erlaubt oder können zur Genesung beitragen, wie Spaziergänge oder Wanderungen bei Burnout und Depressionen.
Zurschaustellung von Freizeitaktivitäten auf sozialen Netzwerken
Findet der Arbeitgeber jedoch Fotos in sozialen Medien, die belegen, dass der krankgeschriebene Arbeitnehmer Freizeitaktivitäten ausübt, die seine Genesung verzögern, kann dies in schwerwiegenden Fällen zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung führen. Beispielsweise stellt die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten mit einer vermeintlichen Grippe oder das Tanzen in der Disco ein pflichtwidriges Verhalten dar. Krankgeschriebene Arbeitnehmer dürfen nichts tun, was verhindert, dass sie genesen und schnell wieder gesund werden.
„Androhen“ einer Krankmeldung
Manchmal drohen Arbeitnehmer bei Konfrontationen mit dem Arbeitgeber mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, insbesondere, wenn bestimmte Wünsche nicht erfüllt werden. Ein solches Verhalten kann laut Bundesarbeitsgericht oftmals einen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung darstellen (BAG, Urteil vom 12.03.2009 – 2 AZR 251/07).
Der Arbeitnehmer gibt in diesem Fall durch seine Ankündigung unmissverständlich zu verstehen, dass er notfalls gewillt ist, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu missbrauchen, um sich gegenüber dem Arbeitgeber einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Mit einem solchen Verhalten verletzt der Arbeitnehmer seine aus der Rücksichtnahmepflicht folgende Leistungstreuepflicht erheblich.
Erschüttern der Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Wenn der Arbeitgeber den Wahrheitsgehalt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzweifelt, muss er nachweisen, dass der Mitarbeiter vorsätzlich getäuscht hat, und ausreichende Tatsachen vorlegen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufwerfen. Bei begründeten Zweifeln kann der Arbeitgeber gemäß § 275 SGB V die zuständige Krankenkasse mit der Bitte um Einschaltung des medizinischen Dienstes anrufen.
Die Autorinnen
Kristina Harrer-Kouliev (li.)
Kristina Harrer-Kouliev ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Leiterin der Rechtsabteilung des BdS. Harrer-Kouliev ist ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht in Berlin. Sie hat an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen Jura studiert.
Alexandra Bercher (re.)
Alexandra Bercher arbeitet seit Januar 2023 als Syndikusrechtsanwältin und Referentin beim Bundesverband der Systemgastronomie in München. Sie studierte Jura an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.