THE BIG FIVE – Was heißt schon nachhaltig?
von Andrew FordyceTut das Not? Sicher nicht. Ich widme mich heute der Frage, was Gastronomen tun können, um neue Geschmacks-Welten zu öffnen, ohne zu räubern und gleichzeitig nachhaltig zu agieren.
1st Big: Nachhaltig unkontrolliert
Schon die Dokumentation »Seaspiracy« auf Netflix gesehen? Da vergeht der Appetit auf kommerziell gefangenen Fisch. Die Doku zeigt schlüssig, dass zertifizierte »Nachhaltigkeit« oft allein dadurch eine leere Begriffshülle ist, dass 4,6 Millionen kommerzielle Fischereifahrzeuge unmöglich einzeln auf Einhaltung von Regularien kontrolliert werden können. Echte Nachhaltigkeit geht besser ohne Siegel: Das Mural in München serviert regionales Sushi vom Fisch aus bayerischen Seen
(muralrestaurant.de).
2nd Big: Eine Frage der Definition
Nachhaltigkeitsclaims und die dazugehörigen Siegelgeber, von staatlicher Seite bis zu privatwirtschaftlichen Verbänden, sind zahlreich und für alle muss bezahlt werden. Was vegan ist, muss nicht gleich bio oder unter sozialverträglichen Bedingungen hergestellt sein. Im Grund suggerieren leider viele Label Eindeutigkeit, wo es sich lediglich um Scheintransparenz handelt.
3rd Big: Carcass Balance
Mit seinen 77 Restaurants (Mann, Mömax, Hiendl inklusive) erzielte XXXLutz 2019 in Deutschland laut Statista seinen Rekordumsatz von geschätzt rund 70 Millionen. Hier ist Leckeres zum fairen Preis in angenehmem Ambiente geboten. Das stärkt das Image – so, dass XXXLutz in Wien das erste eigenständige Restaurant (www.xxxlutz.at/c/restaurant-mahue) eröffnete. Hinter Küchentüren wurde über nachhaltige Produkte nachgedacht. Ergebnis: Carcass Balance. Kulinarischer Kundenliebling ist das Schnitzel. Dafür werden mancherorts jetzt ganze Schweine von lokalen Bauern gekauft – für’s Schnitzel und eine möglichst weitreichende Verwertung des Restschweines.
4th Big: Regional ist gleich saisonal
Von der Stadt Wien auf’s Land in die Dolomiten zum Drei-Sterne-Restaurant »St. Hubertus« (www.rosalpina.it), das in St. Kassian auf über 1.500 Metern liegt. Norbert Niederkofler hat dort mit seinem Konzept »Cook the Mountain« seinen dritten und einzigartigen Stern geholt. Seine Philosophie: Kein Abfall und sämtliche Grundprodukte kommen vom Berg.
5th Big: Insekten, nachhaltiger Proteinersatz
Sie und Ihre Gäste werden früher als Sie denken, zu den rund zwei Milliarden Menschen gehören, die sich von Insekten ernähren! Diese Überzeugung teilt scheinbar Nico Rosberg, ehemaliger Formel-1-Weltmeister und Investor in der Höhle der Löwen. Sein ungewöhnliches Angebot an Beneto (www.benetofoods.com): Erst, wenn er ihre High-Protein-Insekten-Pasta innerhalb von 18 Monaten in 10.000 Filialen platzieren konnte, verdoppelt sich sein Unternehmensanteil von 7,5 auf 15 Prozent bei einem Investment 80.000 Euro. Die Message lautet wie beim Fisch: Tierwohl »sells«. Der Unterschied: Tierwohl und ein minimaler ökologischer Footprint sind bei der Insektenzucht nachprüfbar.