Ist gutes Brot das neue Sexy?
von Gabriele GugetzerDen aktuellen Trends der Backbranche auf der Spur
Wie definiert das berühmte Suvretta House in der Schweiz den Begriff Luxus? »Wir gönnen uns einen eigenen Hausbäcker, der vom Frühstück bis zum Abendbrot die gesamte Hotellerie bestückt«, erklärt Direktor Peter Egli. Tatsächlich ist sein Haus das einzige namhafte Hotel der Schweiz mit einem solchen Service. In Wien ist es Zweisterner Heinz Reitbauer, dieses Jahr mit seinem »Steirereck« auf Platz 14 der World’s 50 Best Restaurants, der Brot in den Food-Adel erhoben hat (siehe Interview). Klar, Geld lässt sich leichter in anderen Branchen und zu familienfreundlichen Arbeitszeiten verdienen. Aber genau hier scheint sich in puncto Brotqualität trotz des großen Bäcker- und Müllersterbens etwas zu verändern.
»Gescheite Menschen finden ihr Brot«
Arnd Erbel gilt in der Gourmetgastronomie und -hotellerie als Bester seines Fachs. Irgendwo in Mittelfranken liegt seine Bäckerei, im US-amerikanischen Hochglanzmagazin Saveur war er allerdings auch schon, mit seinen Brezeln. Praktikanten kommen aus der ganzen Welt, selbst aus dem »Tartine«, San Franciscos weit über die Landesgrenzen bekannter Bäckerei/Konditorei. Dass ein Müller ganz legal 20 Zusatzstoffe zusetzen darf, bevor ein Bäcker dann sein Mehl in die Hände bekommt, stört ihn gewaltig und passiert bei ihm auch nicht. Und wenn er dann auch noch ins Philosophieren gerät, Platon zitiert und Goethe, dem das obige Brotzitat zugeschrieben wird, dann merkt man, wie ernst es Arnd Erbel ist und wie wenig ihn Begriffe oder Labels interessieren. Er ist weder bio noch bezeichnet er sich als Manufaktur; es muss schmecken.
Er weiß, was die gehobene Gastronomie braucht, weil er mehrere Jahre in einem Luxushotel als Konditormeister tätig war. Aber: »Wir arbeiten auf dem Land, ich backe nicht für Eliten«, sagt er eben auch. Die Preise müssen stimmen, die fränkische Stammkundschaft zahlt für einen Bauernlaib nicht 5 Euro pro Kilo. Deshalb backt er mit insgesamt sechs Vollzeitbäckern/Patissiers einerseits passgenau georderte Brote bis in die Dreisterner-Gastronomie, andererseits Torten für die Firmung im Dorf nebenan. Von Hand geformt und abgewogen wird immer, auch die Teigführung bis zu 30 Stunden der Fermentation ist gleich. Einmal in der Woche fährt Erbel seine Brote in die Münchner Gastronomie, auch gut läuft der Online-Shop. Er hat keine Nachwuchssorgen.
Reitbauers Brot
Er fermentiert den Teig bis zu 30 Stunden, das macht den Teig bekömmlicher. Passt auch für glutenfrei Ernährende. Wissenswert: Je roher wir das Getreidekorn essen (also unfermentiert und ungekeimt) desto unbekömmlicher.
Unser täglich Brot: eine neue Wertschätzung?
»Frische und Qualität sind Eigenschaften, welche nicht nur die Gastronomen selbst, sondern auch deren Gäste voraussetzen«, sagt Convenience-Könner Georg Resch von Resch&Frisch aus Österreich. So wie auch Erbel nicht erwartet, auf der Sternekarte mit seinem Namen ausgewiesen zu werden, sondern den Gastronomen sagt, sie sollen sich ihn einfach als einen aus der Brigade denken, so kann man auch in der normalen Gastronomie nicht einfach einen Bäcker einstellen, weil man ihn entweder nicht findet oder nicht bezahlen kann. Die Convenience hat sich eingestellt.
Was sind die Trends?
Die Gluten-Thematik ist nichts Neues mehr, sondern bereits ins Portfolio der Convenience-Produzenten integriert, auch die Stichworte vegan und vegetarisch werden bedient. Das Rad lässt sich dennoch immer wieder ein bisschen neu erfinden. Die süßen Krümelmonster von Bridor, dem französischen Luftigleicht-Bäcker, warten mit der Breizh’n’Roll auf, einem Krümelteig mit feiner Karamellnote, der von einem bretonischen Klassiker inspiriert ist, tiefgefroren angeliefert wird und nach einer Auftauzeit knapp 20 Minuten goldbraun bäckt. Als Confetti bezeichnen sie ihre zweite Neuerung, einen Blätterteig aus 100 Prozent Butter, den es unterschiedlich gefüllt in zwei Größen gibt – Mini (30 Gramm) und Maxi (90 Gramm). Die kleine Größe appelliert an alle, die auf Kalorien achten und sich trotzdem fix mal etwas Gutes tun wollen (Stichwort: Pause im Seminarraum), die große Größe ist für den stetig wachsenden Außerhaus-Frühstücksmarkt gedacht.
Bei Resch&Frisch sieht man Trends auch im Ideellen angesiedelt. »Bewusste Ernährung« ist das Stichwort, sagt Resch, Vollkornmehl der neue Hit dank seiner Inhaltsstoffe. Und anstelle von Chiasamen und Gojibeeren sind die Österreicher beim heimischen Leinsamen fündig geworden, den sie im Urkornweckerl verbacken. »Ein echtes Superfood«, schwärmt Resch, »das liefert jede Menge Omega-3-Fettsäuren und Mineralstoffe und steht den oft beworbenen Chiasamen somit in nichts nach.«
Bei Lantmännen, dem ursprünglich schwedischen Unternehmen, das jetzt in ganz Europa, Australien und Nordamerika vertreten ist, steht Nachhaltigkeit in den Leitlinien der Unternehmensphilosophie. »In Gastronomie, Catering und Großküchen ist ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen aufgrund des hohen Durchlaufs an Kunden sehr wichtig«, sagt man uns.
Vom Dorfbäcker lernen
Die gibt’s noch. Längst nicht mehr überall, aber die Bäckerei Wiegele in der Ferienregion Villach in Österreich ist so eine. Da ist es natürlich hilfreich, dass die ganze Region genussorientiert ist. Viermal im Jahr findet beispielsweise ein saisonal geprägtes Küchenkult-Festival statt, das bei den Touristen sehr gut ankommt. Wer dann Hermi Wiegeles Bäckerei betritt, macht eine kleine Zeitreise. Hermi (über 80) und ihre sechs Mitarbeiter arbeiten nach alter Tradition – so, wie das jeder bezopfte Szenebäcker geil findet. 10 Brotsorten hat sie, genau die richtige Menge, die Auswahl absolut ausreichend, aber nicht überfordernd. Ihre drei Glaubenssätze treffen den Kern:
- »Wir backen wie in alten Zeiten, ohne Zusatzstoffe.«
- »Auch der Bauer muss noch leben« – entsprechend werden die Produkte eingepreist.
- »Auf alle Fälle« kennt man die Zulieferer, den Müller, den Landwirt und dessen Felder.
Brot als Lifestyle
Aus der Autostadt Wolfsburg holt man nicht nur das neue Fahrzeug ab. Man kann sich auch Brot dort kaufen – »Das Brot« ist eines von zehn Verpflegungsangeboten in der Autostadt und schon ab dem frühen Morgen voll. Hier kennt man den Endverbraucher und weiß genau, wie viel der bereit ist, für ein Weizenbrötchen auszugeben, dessen Teig bis zu 18 Stunden geführt wurde – nämlich etwa 25 Prozent mehr als beim Discounter. Am Wochenende verkauft der ansprechend designte Laden bis zu 200 Brote, acht Sorten sind im Angebot.
»Zeit für Brot« ist in Frankfurt, Berlin, Hamburg und Köln mit Standorten vertreten, verwendet Bioland-Zutaten, backt klimaneutral mit Ökostrom und spendet das, was nicht wegging, an Bedürftige. Alfredo Sironi, eigentlich vom Comer See und deshalb italienisch geprägt, verkauft – wo sonst – in Berlins Markthalle Neun und hat jetzt einen zweiten Standort in Berlin für seine italienischen Sauerteigbrote und Backwaren wie Colomba.
Aus Brot wird Bun
Jedenfalls, wenn es nach Lantmännen Unibake geht. Die TK-Tüftler, die über den Gastronomie-Großhandel Restaurants, Quick Service, Event- und Freizeitgastronomie abdecken, haben schon einiges im Sortiment. Jetzt ließ man sich für drei Destinationen drei Buns einfallen, die Burger authentischer rüberkommen lassen und dem Gastronomen Raum für Kreativität und Veredelung lassen. Der American Bun geht mit Kürbis, Süßkartoffel und Honig ins Süße und bekommt ein knuspriges Topping. Der Asia Bun ist durch Madras-Curry leuchtend eingefärbt, würzig und ist mit schwarzem Sesam als Hingucker bestreut. Der Italian Bun ist mit Kräutern, Tomaten und Olivenöl abgeschmeckt. Die Buns sind vorgeschnitten, können also direkt belegt werden, vertragen aber auch das kurze Toasten als warme Mahlzeit. Solches Premium Fast Food und das ganze Thema Snacking macht man bei Lantmännen als kommenden und bleibenden Trend aus.
Und was ist mit Abendbrot?
Die Hamburger Trendmarkthalle Hobenköök hinter dem Hauptbahnhof hat’s vorgemacht: regionale Produzenten (Hobenköök gehört Slow Food an), Herzhaftes oder im modernen Kleid daherkommende Klassiker, in einer Halle, in der man essen und Essbares auch shoppen kann. Die »Brodtied« mit Sauerteig und Schwarzbrot ist ein nachmittäglicher Insidertipp. Live-Events namens »Musik und Stulle« erweitern das Angebot und sind mit 12,10 Euro exklusiv Getränke sehr gut eingepreist, während ein Abendessen dann schon mal ins Geld gehen kann. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt La Caffèteria in Hamburg-Eppendorf, die eine Brotzeit auf Italienisch anbietet: Bruschetta, Ciabatta, Feigensenf, Taleggiokäse und Panini nicht zu vergessen. Die idealen Begleiter dazu offeriert die schöne Weinkarte mit vielen Positionen aus Italien.
Interview mit Heinz Reitbauer
»Es gibt doch nichts Schöneres als Brot, gute Butter und ein schönes Glas Wein«
Er steht auf Platz 14 der weltbesten Restaurants. Das Steirereck in Wien ist eine internationale Genussadresse. Trotzdem hat der Zweisterner auch das Thema Brot im Blick.
Ihr Restaurant liegt in einem futuristisch anmutenden Kubus. Dennoch spielt ausgerechnet Brot bei Ihnen eine so große Rolle. Wie kam es dazu?
Das ist über viele Jahre gewachsen und entstanden zu einer Zeit, wo Brot in Österreich noch nicht so vielfältig angeboten wurde. Heute suchen wir uns die besten verfügbaren Bäckereien und deren Brote; so wird auch ein sehr schöner Angebotsüberblick über das Sortiment unserer Partner geboten. Und unser Brot-Sommelier, auch liebevoll »Aufschneider« genannt, der »Brot-Andi«, ist weit über die Grenzen bekannt, vor allen Dingen bei unseren Stammgästen.
Backen Sie auch selbst? Wie wichtig ist das Ausgangsprodukt?
Meine Frau bäckt das Brot für unser Wirtshaus, 100 Prozent Roggenmehl, klassischer Sauerteigansatz, Gewürze und Salz. Dieses geschmackvolle und rustikale Brot passt perfekt zu den Gerichten dort. Natürlich ist ein gutes Grundprodukt entscheidend: Wir verwenden ausschließlich Bioqualität und alte Roggensorten wie Waldstaude (auch: Johannisroggen).
Wie kommt das Thema Brot bei den Gästen an? Hat Brot über lange Zeit seinen gastlichen Aspekt verloren?
Unsere Gäste schätzen die angebotene Brotauswahl sehr. Es gibt doch nichts Schöneres als Brot, gute Butter und ein feines Glas Wein. Wir basteln noch rundherum ein bisschen, aber die außergewöhnliche Qualität bei einem Grundnahrungsmittel goutieren unsere Gäste sehr.
Können Sie eine Kalkulation aufmachen: Wie viel backen oder erwerben Sie täglich, was machen Sie mit Resten?
Wir werfen nichts weg, denn durch unsere Landwirtschaft am Pogusch kommen Brotabschnitte direkt zu unseren Schweinen, die diese lieben. Weißbrot wird gemahlen und weiterverwendet, dunkles Brot kommt in den Bauernbrot-Ansatz.
GEORG RESCH
»Seit November 2018 ist unser Brot und Gebäck 100 Prozent palmölfrei«
Arnd Erbel
»Warum geben sich Küchenchefs in der gehobenen Gastronomie so viel Mühe bei der Rohstoffauswahl und so wenig beim Brot?«
Rezepttipp: Fix gebacken …
Teigführung über Tage, Sauerteigansatz selbst gemacht… seien wir ehrlich, für viele Gastronomen ist das einfach zu aufwendig. Der Lüsnerhof in den Dolomiten hat ein Einsteigerrezept geteilt, das auch der Azubi kann. Im Naturhotel wird mit Biomehl gearbeitet.
Kurkuma-Kürbiskern-Brötchen
500 g Weizenmehl
500 g Vollkornmehl
20 g Salz
70 g Kürbiskerne + Kerne für die Garnierung
20 g Hefe
100 ml Olivenöl extra vergine + Öl für die Backform
500 g Wasser
10 g Kurkumapulver
1 Eiweiß
Zutaten bis auf das Eiweiß verrühren, zu einem Rund formen, 30 Minuten ruhen lassen. Kugeln abstechen, auf ein mit Olivenöl bestrichenes Blech legen, mit dem Eiweiß bestreichen, mit Kürbiskernen garnieren. 60 Min. ruhen lassen, Ofen auf 200 ° vorheizen. Je nach Größe 15–20 Minuten backen.