Die neuesten Trends rund um Hopfen und Malz
Foto: Natasha Breen/The Picture Pantry

Immer öfter, weil’s besser schmeckt

Die neuesten Trends rund um Hopfen und Malz

von Sebastian Bütow
Freitag, 07.05.2021
Artikel teilen: 

Vom einst ungeliebten Ersatzprodukt zum Trend-Getränk: Wer vor nicht allzu langer Zeit zum alkoholfreien Bier griff, musste mitleidige Blicke ertragen, zumindest von echten Bier-Enthusiasten. »Nicht immer, aber immer öfter«, lautete der legendär gewordene, längst nicht mehr verwendete Werbeslogan des Alkoholfrei-Spezialisten Clausthaler. Zwischenzeitlich, in den 1990er-Jahren, schaffte es die Marke sogar auf die oberen Treppchen der bekanntesten Biere, bei geschmacklichen Rankings gelang dies allerdings nicht.

Viele Bierfreunde lehnten »kastriertes« Bier ab, auch weil sie geschmacklichen Fun für ausgeschlossen hielten. Zu Recht. Aber die Zeiten, in denen »Autofahrerbiere« grundsätzlich als Enttäuschung für die Geschmacksnerven galten, sind vorbei!

Alkoholfreies Bier
Foto: iStockphoto

Zahlen bestätigen den Trend

Das belegen auch die Zahlen. 4,2 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier wurden im Jahr 2019 in Deutschland gebraut – fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren. 7,3 Prozent aller deutschen Biere sind mittlerweile alkoholfrei, damit liegt Deutschland international im Mittelfeld. Zum Vergleich: In Österreich sind nur drei Prozent der Biere alkoholfrei, in Spanien schon beachtliche 12 Prozent.

In diesem Segment sprechen wir noch immer von einem Nischenprodukt, aber es ist ein stetig wachsendes. »Dieser Trend hält seit Jahren an und wird auch so weitergehen. Ganz gleich, ob bei Pils, Weißbier oder Hell-Bieren«, prophezeit Henner Höper, Marketing Direktor der Paulaner Gruppe.

Und er ist mit seiner Überzeugung in bester Gesellschaft. »Während der Biermarkt in Deutschland stagniert, ist der Trend zu alkoholfreien Bieren ungebrochen. Verbraucher greifen längst nicht mehr nur danach, weil sie z. B. als Autofahrer ein Alternativgetränk suchen, sondern weil sie eine geschmackvolle Abwechslung zu süßen Erfrischungsgetränken oder geschmacksneutralem Wasser wünschen«, bestätigt auch Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Maisel, der mittlerweile mehrere alkoholfreie Sorten im Repertoire hat.

Fun Fact: Alkoholfreies Bier nahm einst in der DDR Fahrt auf

Die Geschichte des alkoholfreien Bieres ist dabei verhältnismäßig jung angesichts der unendlich langen Historie des »normalen« Produkts. Sein erster Durchbruch hängt tatsächlich mit dem Bedürfnis von Autofahrern nach einer hopfigen Erfrischung zusammen. Erstmals erfuhr es vor rund einem halben Jahrhundert eine ernstzunehmende Nachfrage, und zwar 1972 in der ehemaligen DDR. Ausgerechnet in einem Staat, der eher nicht als Innovationsweltmeister Geschichte schrieb. Der Braumeister Ulrich Wappler entwickelte den trabikompatiblen Trunk in der Ost-Berliner Engelhardt-Brauerei.

Dort taufte man es »Aubi« – kurz für Autofahrerbier. Weil in der DDR eine absolute Null-Toleranz für Promille am Steuer galt, hatte das Alkoholfreie durchaus eine Nachfrage. Und noch ein Fun Fact: Noch bis Anfang der 1990er-Jahre durfte alkoholfreies Bier in Österreich nicht exakt so betitelt werden. Auf den Etiketten war stattdessen »kohlensäurehaltiges alkoholfreies Hopfen- und Malzgetränk« zu lesen.

Denn bedingt durch Herstellungsprozesse können und dürfen alkoholfreie Biere bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten – Spuren, die jedoch so gering sind, dass sie keine physiologischen Auswirkungen auf den Körper haben. Mittlerweile sind aber auch die »absolut Alkoholfreien« auf dem Vormarsch, sprich: mit null Komma null Prozent. »Innerhalb der alkoholfreien Biere haben diese Biere mittlerweile schon einen bemerkenswerten Marktanteil erreicht«, so Henner Höper. Längst gibt es bei Paulaner »Weißbier 0,0 %« und »Weißbier-Zitrone 0,0 %«.

Immer mehr Menschen verzichten grundsätzlich auf den Konsum alkoholischer Getränke, wollen sportlicher, schlanker, fitter leben. Dafür gibt es natürlich auch religiöse und sonstige Beweggründe. Das spielt den alkoholfreien und Null-Komma-null-Bieren in die Karten, denn diese »stellen im Vergleich zu anderen Softdrinks einen Belohnungscharakter für die Konsumenten dar«, so Höper. Wer den ganzen Tag nur Wasser trinkt, sehne sich abends nach einer hopfenhaltigen Freude. »Wir haben festgestellt, dass die Anlässe, zu denen alkoholfreie Biere getrunken werden, eher beim Abendessen oder abends auf der Couch sind.«

Limobier
Foto: Krombacher

Dank neuer Herstellungsverfahren legen Alkoholfreie geschmacklich zu

Warum hat die Geschmacksqualität der Alkoholfreien in den letzten Jahren so gewaltig hinzugewonnen? Weil sich die Produktentwicklung enorm professionalisiert hat. Mit innovativen Herstellungsverfahren und -verfeinerungen wie etwa Vakuumverdampfung, Umkehrosmose oder Dialyseverfahren gelingt es heutzutage etwa beim Pils auf eine viel schonendere Art und Weise, den Alkohol aus dem fertigen Bier zu verscheuchen. Die Hopfenbittere sorgt dafür, dass diese Maßnahme vielen Biertrinkern kaum auffällt. Es gibt aber auch moderne Brau-Verfahren, bei denen es gelingt, Alkohol gar nicht erst entstehen zu lassen.

Der deutsche Pils-Riese Krombacher hat das Krisen-Jahr 2020 gut wegstecken können. Trotz der Pandemie-bedingten, signifikanten Verluste im Fassbierbereich präsentierte sich der Marktführer vor allem im Geschäft mit Flaschenbier stabil. »Auch dank unserer Neuprodukte«, so Peter Lemm, Leiter der Unternehmenskommunikation.

Mango-Maracuja-Biermixe wollen den Sommer erobern

Bis 1999 war Krombacher eine reine Pils-Brauerei, jetzt setzt das Unternehmen auf Sortenvielfalt. »Wir haben das Krombacher Limobier auf den Markt gebracht, mit einem höheren Limonaden-Anteil, das Mischverhältnis beträgt 70:30. Wir haben uns die Frage gestellt, warum müssen wir eigentlich immer ein klassisches Mischverhältnis von 50:50 haben? Wir wollen etwas anbieten, das dem Zeitgeist einer jüngeren Zielgruppe entspricht. Das hat mit dem Limobier ganz gut funktioniert«, berichtet Lemm. Dieses Produkt habe sehr gut eingeschlagen, deshalb bringt Krombacher in diesem Sommer auch eine Mango-Maracuja-Variante auf den Markt.
Auch die Craft Beer-Szene, eher für ein paar mehr Prozente bekannt, setzt auf alkoholfreie Biere. »Da gibt es mittlerweile Geschmacksthematiken, die wären vor fünf Jahren noch undenkbar gewesen. Die Vielfalt und die Qualität sind viel größer geworden«, weiß Peter Lemm. Die erlesenen, etwas anderen Bier-Spezialitäten, die handwerklich von unabhängigen Brauereien kredenzt werden, kommen aber nach wie vor nicht so richtig raus aus ihrem Nischendasein. »Craft Beer ist ein absolutes Metropolenthema, der Boom war in allererster Linie ein medialer, so Peter Lemm. »Der Absatz in Deutschland liegt unter einem Prozent. Was das Thema Craft Beer aber bewirkt hat, ist, die allgemeine Qualitätswahrnehmung von Bier noch mal anzuheben. Es zeigt: Das Produkt Bier, das wir schon so lange kennen, kann noch viel mehr, als einige bisher vermutet haben.«

Old Bread Ale
Mit Aromen von kräftigem
Brot und Malz: Das »Old
Bread Ale« der Schlössle-
Brauerei in Neu-Ulm
kam 2020 auf den Markt.
Foto: Schlössle 

Neues aus der Craft-Szene: Biergenuss aus »recyceltem« Brot

Das beweist auch die auf Craft Beer spezialisierte Schlössle-Brauerei im Neu-Ulmer Stadtteil Offenhausen. Deren Braumeister Volker Tillmanns bewies mit seiner Kreation des »Old Bread Ale«, dass das Bier-Thema keine kreativen Grenzen kennt. Die Idee, aus altem Brot ein neues Bier zu zaubern, kam dem schwäbischen Bier-Tüftler, als er einen Freund besuchte, der eine Bäckerei betreibt. »Als ich realisierte, dass Unmengen von Brot in der Biogasanlage landen, erinnerte ich mich an eine belgische Brauerei, die aus nicht verzehrten Brot-Resten Bier braut. Da habe ich mir gedacht, das machen wir jetzt auch«, so Tillmanns.

Die mit Aromen von kräftigem Brot und dunklem Malz ausgestattete Getränkeneuheit mit dem Extraschuss Nachhaltigkeit bringt es auf einen Alkoholgehalt von 5,8 Prozent. Die Bestseller von Tillmanns’ Craft-Beer-Portfolio sind nach wie vor Pale Ale, die Mutter aller Craft-Biere, sowie extreme Starkbiere wie zum Beispiel die Sorte »Holy Stuff«. Nach belgischem Vorbild, mit rund neun Prozent Alkohol.

In Deutschland und Österreich tut sich Craft Beer noch deutlich schwerer als beispielsweise in Südeuropa. Woran liegt’s? »Insbesondere in Italien und Spanien wird immer mehr Craft Beer gebraut. Diese Länder sind eher keine traditionellen Bierländer, eher bekannt für ihren Wein. Jetzt profilieren sich dort kleinere Brauereien mit exzellentem Craft Beer.«

Münchner Hell
Foto: Paulaner

»Bier mit Käse verkosten – ein Traum!«

Angesagte Szenekneipen in Metropolen wie Hamburg oder Berlin locken ihre Gäste mit Craft Beer, die sich auf den Getränkekarten etabliert haben. Für den Durchbruch darüber hinaus mangele es an einer breiter gefächerten Vermarktung, meint Tillmanns. »So wie man guten Wein zu den passenden Speisen servieren kann, funktioniert das auch wunderbar mit Bier. Käse und Bier lassen sich ausgezeichnet miteinander verkosten. In unserer Gastronomie ›Brauerei und Gasthaus Schlössle‹ hatten wir hervorragende Resonanzen, wenn wir etwa belgische Starkbiere mit Blauschimmelkäse serviert haben.«

Bei den Bierseminaren mit bis zu 30 Gästen werden immer wieder Biere und passende Speisen zelebriert, zuletzt auch India Pale Ale mit scharfen Chili-Leckereien oder US-Biere kombiniert mit amerikanischen Spezialitäten. »Diese Events waren immer recht schnell ausverkauft«, sagt Tillmanns.

Maisels Weisse Alkoholfrei
Das neue Maisel’s Weisse Alkoholfrei ist
das ideale Getränk für aktive und
ernährungsbewusste Genießer. Die
Neuheit ist vitaminhaltig, isotonisch und
hat dabei 33 % weniger Kalorien als eine
Maisel’s Weisse Original. Foto: Maisel's 

Parallel zu den zunehmenden Lockerungen von Cannabis-Restriktionen auf der ganzen Welt werden immer mehr Hanf-Produkte entwickelt, etwa Öle, Tropfen und Cremes mit dem rauschfreien Cannabis-Extrakt CBD, der dem Körper Entspannung und Schmerzlinderung verspricht. Naheliegend, dass sich dieser gehypte, nicht psychoaktive Hanfextrakt auch in die eine oder andere Bierpulle hineinjazzt.

Bier mit Hanf – eher ein Marketing-Trick

»Hanfkiss« taufte die nach ihrer schwäbischen Heimat benannte Großbrauerei Oettinger eine unter anderem aus Nutzhanf gebraute Kreation. Es ist ein »aromatisiertes Biermischgetränk« mit 2,5 Prozent Alkohol. Zudem enthält der verwendete Hanf einen geringen THC-Anteil von bis zu 0,2 Prozent. Also jenen Stoff, der auch Kiffer high macht – in dieser sehr geringen Konzentration ist allerdings kein Rausch zu erwarten. Klar, dass es dafür eine eher junge Zielgruppe gibt, die das trotzdem triggert.

»Der Trend zu Hanf-Bieren ist aus meiner Sicht eher eine Marketinggeschichte«, sagt Volker Tillmanns. »Zumal Hopfen und Hanf als Pflanzen sehr miteinander verwandt sind. Man hat auch schon versucht, Hopfen und Cannabis zu kreuzen.« Bei vielen Hanfbieren können sogar Experten nicht herausschmecken, dass diese Zutat verwendet wurde. Man darf gespannt sein, mit welchen Ideen die Brauereien in der nächsten Saison um die Ecke kommen werden, wenn die kalten Hopfenschalen dann wieder richtig unbeschwert genossen werden können, weil die Coronakrise endlich Geschichte sein wird.

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!