Im Rausch der Aromen
von Kristina PresserNichts gegen das kleine stille Wasser. Allerdings wartet die Getränkeindustrie derzeit mit einer wahren Flut an alkoholfreien Getränken auf. Denn die Nachfrage nach »gesunden«, geschmacksintensiven Varianten zu Wein und alkoholischen Drinks steigt zunehmend. Auch die Gastronomie reagiert. Im Berliner Restaurant Golvet finden Gäste beispielsweise nicht nur eine Bar-Karte mit kreativen und selbstgemachten Non-Alcoholic-Kreationen vor. Der Sommelier des Hauses bietet auch eine stimmige alkoholfreie Begleitung zum Sieben-Gänge-Menü an. Ein Trend, der Lust auf Probieren macht.
Das Rezept ist so einfach wie genial: Man nehme einen Beutel Sencha-Tee, gieße ihn in einem langstieligen Weinglas mit einer Mischung aus Grapefruit-Saft und Yuzu Tonic Water auf, warte kurz und befülle das Glas dann randvoll mit Eiswürfeln. Als farblichen Gegenspieler zum sonnengelben Teegetränk gibt’s ein kleines Büschel leuchtend grünen Thymian on Top. Und fertig ist der »Gin Tonic ohne«. Kreiert hat ihn Andreas Andricopoulos, Barchef im Golvet, einem Restaurant-Bar-Konzept in Berlin. Und seine Rezeptidee kommt nicht von ungefähr. Sie vereint an Zutaten und Geschmacksausrichtung alles, was derzeit angesagt ist. Vor allem wollen Gäste aber eines, weiß der Barprofi: »Alkoholfreie und Low-Alcohol-Drinks liegen voll im Trend. Und das nicht nur während der Fastenzeit oder im Dry January.«
Tatsächlich gab es vermutlich noch nie zuvor so viele Sorten an Fruchtsäften, Limonaden, Tee– und anderen Erfrischungsgetränken. Diese Angebotsvielfalt und spürbar gestiegene Nachfrage nach Getränken ohne Umdrehungen mag auch zusammenhängen mit dem aktuellen Wandel hin zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil. Dieser Zeitgeist hat inzwischen sogar eine neue Wortschöpfung generiert: Mocktails – alkoholfreie Cocktails, ein Kofferwort aus Cocktail und dem Wort »to mock«, englisch für »nachahmen«.
Hauptsache naturnah, unverfälscht und gesund
Leichte Getränke sind also in, aber nicht nur hinsichtlich des Alkoholgehalts. In Zeiten von Low Carb und ausgeprägten Detox-Kuren achten Verbraucher verstärkt darauf, ihrem Körper auch bei der flüssigen Nahrungsmittelaufnahme etwas Gutes zu tun. Wo einst Erfrischungsgetränke nicht süß genug sein konnten, wünschen sich Konsumenten heute möglichst wenig bis gar keinen Zusatz von kristallinem Zucker. Gesüßt wird daher meist mit Fruchtsüße, wenn überhaupt.
Naturnah, unverfälscht und gesund soll es sein. So produzieren Getränkehersteller für den Handel und den Außer-Haus-Markt etwa Eistee immer häufiger aus echtem, aufgebrühtem Tee und ohne künstliche Aromastoffe. Vitaminreiche Smoothies aus 100 Prozent Fruchtanteil mit Nüssen und Kräutern werden schon länger gerne getrunken. Säfte und Saftschorlen zeichnen sich durch einen hohen Fruchtgehalt aus und bestehen vermehrt aus Direktsaft, nicht aus Konzentrat.
Die Getränkeindustrie reagiert auf die Bedürfnisse der Kunden. Etwa auf deren zunehmende Wertschätzung von naturbelassenen Produkten. »Bio« ist ein Dauer-Seller, ebenso regional bezogene Rohstoffe. Aber nicht nur beim Inhalt, auch bei der Verpackung der Getränke wird das wachsende Umweltbewusstsein deutlich. Mehrweg-Glasflaschen und umweltfreundliche, kompostierbare Plastikpendants aus PLA (Polylactid) finden zunehmend Verwendung.
Besonders wichtig: der Geschmack
Zurück ins Golvet. Trotz all dieser Kriterien kommt es bei einem guten Drink aber vor allem auf eines an: Geschmack. Der kann gerne exotisch, etwas bitter oder säuerlich sein, Hauptsache kräftig. Das bestätigt auch Andreas Andricopoulos: »Die Gäste bevorzugen Drinks, bei denen Aromen fehlenden Alkohol wettmachen.« Wenn der Barmanager selbst zum Shaker greift, legt er vor allem Wert auf eine ausgeglichene Balance von Süße und Säure – für Erstere konzentriert er sich auf Fruchtsüße. Nicht nur deshalb achtet er auf die Hochwertigkeit der Produkte. Denn er verarbeitet sie auch zu einer Vielzahl von Sirupen, Likören, Schäumen und vor allem Shrubs. »Ich bin ein großer Fan von Shrubs, ich mag die Essignote im Drink«, sagt der Experte. All diese hausgemachten Kreationen bilden die Grundlage seiner Cocktail- und Longdrink-Varianten. Und die Nachfrage der Besucher wächst. Beliebt sind derzeit etwa mit Aromen versetzte Tonicwaters und Limonaden mit asiatisch inspirierten Geschmacksrichtungen wie Yuzu, Zitronengras oder grüner Tee. Auch Bergamotte und die dagegen fast schon normal wirkende Limonadensorte Mango stehen auf Andreas Andricopoulos’ Karte.
Alternative zu Wein: alkoholfreie Menü-Begleitung
Auf Trendkurs ist das Golvet auch mit seinem Restaurant samt Michelin-Stern. Hier kann man zum Sieben-Gänge-Menü entweder eine abgestimmte Weinbegleitung ordern oder eine hochwertige alkoholfreie Alternative. Sommelier und Restaurantleiter Benjamin Becker bietet diese bereits seit Eröffnung des Golvet vor rund zwei Jahren an. Und es wird gerne angenommen, wie er erzählt: »Man merkt schon, dass bei der jüngeren Generation eine Nachfrage besteht und sie sich in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.« Denn so kann jeder eine komplette Menü-Begleitung genießen. Auch Wein und alkoholfreie Getränke abzuwechseln, ist möglich.
Bereits vor vier Jahren hat Benjamin Becker angefangen, mit Kombucha und Wasserkefir zu experimentieren. Seine Wahl fiel auf die fermentierten Tee- und kohlensäurehaltigen Gärgetränke, da er eine gleichwertige Alternative zur Weinbegleitung schaffen wollte. »Ich habe mir über die Weinstruktur Gedanken gemacht und kam schnell auf Fermentation«, berichtet er. Auch Startschwierigkeiten im Handling seien inzwischen überwunden. »Irgendwann hat man den Dreh raus.«
Platz für reichlich Kreativität
Für jedes neue Menü legt Benjamin Becker zunächst die Weine fest. Dann orientiert er sich an deren Grundstruktur, am Verhältnis von Säure zu Süße zu Bitterkeit, und versucht diese für seine Kombuchas oder den Kefir nachzuahmen. »Erst im zweiten Step überlegen wir uns die Aromatik«, erklärt er. Die wird durch die Zugabe von Trockenfrüchten, Kräutern und Gewürzen erreicht. »Da kann man sich ein bisschen austoben und kreativ sein.«
Die Reaktionen der Gäste seien größtenteils positiv. Man müsse sich aber schon darauf einlassen, wie Benjamin Becker sagt. Grundsätzlich würden sich die Leute aber freuen, dass sie eine gleichwertige Behandlung zur Weinbegleitung bekommen, berichtet der Restaurantleiter. »Und schmecken tut’s eh.«
In diesem Sinne: Cheers!
Die neuesten Trendgetränke
Blickt man in die Produktlandschaft, findet man eine ganze Reihe neuer alkoholfreier Getränke, die sich an derzeitigen Trends orientieren – allen voran: voller Geschmack und umweltschonende Verpackung.
Eckes-Granini: Saft in neuem Design
Mit zahlreichen Säften und Nektaren, Limonaden, Cocktail-Basics und alkoholfreien Premixes bietet Granini so einiges für die Gastronomie und Hotellerie. Außerdem präsentiert sich das Dispenser-System BIC für den Außer-Haus-Markt in neuem Design mit Zapfhahn. Das Beste: Da keine Stromzufuhr notwendig ist, ist es umwelt- und ressourcenschonend.
Almdudler: Kräuterkracher aus Österreich
Ein Evergreen der österreichischen Limonadenproduktion: Die Kräuterlimonade gibt es für die Gastronomie in der umweltfreundlichen 0,35-Liter- Glas-Mehrwegflasche, ohne Konservierungsstoffe und künstliche Aromen, aber mit viel Geschmack.
Red Bull: ein Hauch von Südsee
Der Getränkeproduzent mit Flügelverleih stellt seine Summer Edition vor: Den neuen Energy-Drink gibt es in limitierter Edition mit dem exotischen Geschmack von Südseefrüchten.
Nix & Kix: Achtung, Chili!
Der Newcomer aus England wurde schon für das »Best New Beverage Concept« ausgezeichnet: vier exotische Limonadensorten, kalorienreduziert, ohne weißen Zucker, vegan, dafür mit einem Hauch Chili für den Extra-Kick.
Grapos: Brooklyn Homemade Style
Das österreichische Unternehmen Grapos bringt mit der Linie Brooklyn Homemade Style alkoholfreie Erfrischungsgetränke zum Selberzapfen auf den Markt – darunter viele Biosorten. Alle Post-Mix-Sirupe kommen in Bag-in-Boxen – alles zu 100 Prozent recyclebar.
Im Restaurant Golvet gibt es selbstgemachte Kombuchas und Wasserkefir als Menübegleitung.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.