Feste feiern ...
Wie wird’s kulinarisch spannend an den Festtagen in diesem Jahr?
von Gabriele GugetzerWas zu Weihnachten und Silvester immer gesetzt war, weil es Opulenz und Tradition versprach, lässt sich in diesem Jahr nicht so einfach umsetzen. Fondues und Büfetts sind gestrichen – könnte man meinen. Wobei die Hotelkette Leonardo sich dazu etwas überlegt hat; davon später mehr. Ganz generell verursacht die Frage, wie die Festtage einladend zu gestalten sind, landauf, landab viel Kopfzerbrechen. Im Landhaus Stricker auf Sylt lässt Einsterner Holger Bodendorf beispielsweise seine traditionelle Küchen-Silvester-Party ausfallen. »Einfach zu viel Bewegung in Restaurant und Küche«, sagt er. Und nu?
Teezeit statt Feuerwerk: raus aus der Eventkultur
Vielleicht ist jetzt die Zeit der Klassiker gekommen. Bodendorf hat umdisponiert und ersetzt eine Tradition durch eine frühere. Nix ausgelassene Küchen-Party, her mit dem Gala-Dinner. Man setzt sich hin, man erzählt sich was; ist der Nachbar langweilig, wird der Abend trotzdem schön, dafür ist ja die Küche da.
Im Einsterner Aubergine am anderen Ende der Republik gibt es zu Silvester schon immer Hummer satt. Ein fünfgängiges Menü liegt unter 100 Euro. Kein Wunder, dass es auch in diesem Jahr von den Gästen gut angenommen wird. Statt riesiger Menüauswahl, Entertainment und Mätzchen setzen viele Gastronomen und Hotels in diesem Jahr auf Entschleunigung. Auf Ruhe. Und besinnen sich darauf, dass Aufmerksamkeit den Gästen gegenüber nicht gleichzusetzen ist mit ihrer steten Bespaßung.
Der Stimbekhof bei Bispingen ist erst seit wenigen Monaten geöffnet. »Ländliche Atmosphäre mit authentischer Gastfreundschaft und Genussmomenten zu schaffen«, so Björn Bohlen, einer der Pächter, das war die Idee. Gemütlichkeit wird großgeschrieben. Feuerwerk und Böllerei sind auch aus rein praktischen Gründen zu Silvester verboten. Die für viel Geld instand gesetzten Reetdächer würden brennen wie Zunder. Die Alternative klingt wie bei Oma: »Wir bieten unsere Heide-Teezeit mit Plätzchen, hausgemachten Marmeladen und regionalen Spezialitäten«, sagt Bohlen. Champagner zur Teestunde, in Großstadthotels mittlerweile normal, ist genau eben nicht dabei. Wer sich die Beine vertreten und mal andere Gesichter sehen will, erkundet die Anlage. Dafür sind zwischen den freistehenden Häusern Genussstationen aufgebaut, mit Glühwein, Punsch und anderen weihnachtlichen Leckereien.
Ideen mit Karpfen
Gebacken oder blau sind die Klassiker. Mit saisonalem süßsauren Zwiebel-Zwetschgen-Gemüse, unter einer Kruste aus Apfel und Meerrettich, zu Pilzgemüse oder in Weißwein-Safran-Sauce wären weitere Ideen, ebenso Karpfen als Strudel- und Pastetenfüllung.
Baiersbronn kocht auf ...
Ausgerechnet in die Corona-Zeit fiel der lang geplante Umbau bei TV-Koch und Einsterner Jörg Sackmann; wer vorher bei ihm war, erinnert sich an den Retrostil der 60er-Jahre, der die Architektur des Hauses prägte. Jetzt gibt es ein Sky Spa mit Infinity Pool und Sauna und neue Zimmer, überdies neue Restaurants. Das Feiertagsprogramm wird exklusiv, sagt er, täglich wechselnde kulinarische Genüsse und kulturelle Erlebnisse. Zu Silvester gab’s im Hause noch nie ein Büfett, das haben die Gäste längst gelernt. Drei Klassiker wollen sie aber haben, auch wenn das Haus selbst nun sehr modern wirkt: »Trüffelnudeln, Bratapfel, Weihnachtsgans«, zählt Sackmann auf, das spiegele seine gemischte Klientel zwischen Businessgast, Wellness-Tourist und dem Ferienreisenden. Regionale Speisen, basierend auf den Produkten heimischer Erzeuger, sind ebenfalls von großem Interesse. Zu Fischen gleich noch mehr – er serviert sautierte Süßwasserfische im Senfgurkensud, Bergkäsespätzle mit Quendel und setzt Bries, Niere und Filet vom Kalb auf die Karte. Private Dining spielt natürlich eine Rolle: In der neuen Weinlounge können vom Tête-à-Tête bis zu 16 Gäste bedient werden.
Weihnachten im Hotel
Leonardo Hotels sind in ganz Europa vertreten. Zwei Feierhochburgen, Köln und Aachen, haben neue Manager am Start, und die haben seit Antritt Corona an der Backe. In Aachen fällt das internationale Zugpferd Weihnachtsmarkt aus. Thorsten Badura, Operations Manager im Leonardo Aachen, baut ihn den Gästen als vorweihnachtliche Bescherung direkt im Hotel auf, in Form einer Weihnachtsbar. Da gibt es neben Aachener Likör auch Hot Gin Glühwein, für die Kulinarik wird mit Lachs-Reibeküchlein, Gulasch im Brötchen und – na klar! – Aachener Printen gesorgt. Im Restaurant setzt er auf die Gänsekarte. Sein Hauptproblem: »Spontane Buchungen (am Anreisetag selbst!) werden einen wichtigen Teil der Reservierungen ausmachen. Das erfordert für uns noch größere Flexibilität.« Vorausplanung wie sonst – Fehlanzeige. Wobei Badura für die Nöte der Gäste Verständnis hat, die ihre Festtagsplanung nach den aktuellen Corona-Zahlen ausrichten.
Viele Firmen in Köln feiern dieses Weihnachten mit etwas geringerem Budget
In Köln hingegen merkt der neue GM Yannick Goossens die große Nachfrage nach Cateringangeboten. Am ersten und zweiten Weihnachtstag bietet man deshalb einen Weihnachtsbrunch, der allerdings ausgelagert wurde. »Wir sind nicht im Restaurant, sondern in unseren Veranstaltungsräumen, die wir in Bezug auf Mindestabstand und Hygienevorschriften großzügiger gestalten können«, sagt Goossens. Normalerweise wäre eine solche Location ein No-Go, gerade zu Weihnachten will sich der Gast mal nicht an den Papierkram am Konferenztisch erinnern. Aber 2020 ist eben vieles anders und geht auch das. Vier Büfettvarianten (zwischen 44 und 55,50 Euro) spielen eine erstaunliche aromatische Orgel zwischen weihnachtlichen Klängen (Zimt-Mousse, Gänsekeule auf glasierten Maronen, Apfelrotkohl, Stollen) und internationalen Akzenten (Maishähnchen mit Szechuan-Pfeffer, Räucherlachs auf Wakame-Algen, Couscous). Trotzdem: In der Partytown Köln, hat Goossens schon gemerkt, »feiern viele Firmen dieses Jahr Weihnachten mit etwas geringerem Budget«.
Wobei wir uns nach aktuellem Stand glücklich schätzen dürfen. In Großbritannien, wo die Weihnachtsparty seit Jahrzehnten gesetzt ist, entgehen der Gastronomie Milliardensummen. Denn dort darf man in dieser Größe nicht feiern.
Dauerbrenner Maronen:
Die Maronencreme von Hügli (1,4-kg-Dose) eignet sich als Basis für Suppen, Saucen und Schäumchen. Die Hüglis lieben sie auch als Creme zu selbst gemachten Walnussbrotchips.
Fusion aus Regionalität und nahöstlichen Aromen
Im brandenburgischen Landkreis Potsdam am Schwielowsee hat sich seit dem Sommer Ronen Dovrat Bloch als Küchenchef angesiedelt. Seine Brigade ist international, auch er hat schon in mehreren Ländern gekocht. Klar, die Hauptstadt ist nicht weit, könnte man meinen, da gibt es schon genug Publikum für szenige Gerichte aus Tel Aviv. Doch Dovrat Bloch sieht das Hauptaugenmerk jenseits von Shak-shuka, in den Gemeinsamkeiten nämlich, die sich ergeben, wenn man am Wasser kocht. Er setzt auf regionale Produkte aus Brandenburg, kennt die klassischen Gerichte der Region, liefert aber international ab. Das lief im Sommer sehr gut an. Für Heiligabend ist ein achtgängiges Menü geplant (die Gänge standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest), in der Vorweihnachtszeit geht es bereits gewürzbetont zu, mit Baklava Millefeuille mit mediterranem Gewürzsirup oder Pfefferminzeis mit Nuss-Crumble. Da ist Fusion kein Aromaeinerlei, sondern macht Lust auf Neues.
Fisch = Ruhl. Fotograf und Autor Thomas Ruhl hat sich schon mehrfach mit dem Thema beschäftigt.
Das aktuelle Kompendium (»Das Meer. Seen, Teiche und Flüsse« bei Port Culinaire, 336 Seiten, 59,90 Euro) bringt Neues wie Nachhaltigkeit, Küchenpraxis und Rezepte.
Fisch darf einfach nicht fehlen
Präziser gesagt, Lachs darf nicht fehlen zu den Festtagen, auch in der gehobenen Gastronomie. Transgourmet hat den Flammlachs, überdies eine neue Linie, Black Label genannt, am Start. Dahinter verbirgt sich norwegischer Lachs, von Hand geschnitten und in einer kleinen Manufaktur eingesalzen und kaltgeräuchert.
Doch was ist mit heimischem Fang? Hannes Müller kocht im Genießerhotel Die Forelle im Naturpark Weissensee in Kärnten. Passend zum Hotelgedanken »Berg.See.Küche«, sagt Müller, tische er nur Süßwasserfische auf. Die namensgebende Forelle stammt aus der Zucht, aber der Weissensee vor der Tür liefert Renke, Flussbarsch, Karpfen, Hecht und Zander. Bei den Zuchtfischlieferanten ist »Fütterung bzw. Haltung natürlich ein großes Thema. Der Großteil der Lieferanten ist aber auf dem richtigen Weg«, zeigt sich Müller erleichtert. Die Gäste – vorrangig aus Österreich und Deutschland – interessieren sich so sehr für Kulinarik, dass er erfolgreich einen Nose-to-Tail-Kochkurs für Fisch anbietet, der von der fermentierten Fischsauce über gepoppte Fischhaut bis zur Warenkunde Profiniveau hat. »Fisch«, sagt Müller, »ist ein großartiges Produkt, welches unsere Küche prägt wie kein anderes. Ob roh, mariniert, gebeizt, pochiert, konfiert, geflämmt, geräuchert, gebraten ...«
Für Wildzubereitungen hat Wiberg eine neue Würzmischung entwickelt.
»Forest Flair« mit Bergbohnenkraut, Fichtennadeln, Zirbenöl, Himbeergranulat und Wacholder.
Solche Leidenschaft schätzt man im bayerischen Institut für Fischerei. Dr. Martin Oberle, Leiter der Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft, ist selbst leidenschaftlicher Botschafter für den Karpfen und verbringt die Wochenenden gerne mal bei Slow-Food-Treffs. Der muffige Geschmack verflüchtigt sich, wenn Karpfen vierzehn Tage vor dem Verzehr in frisches Teichwasser umgesiedelt werden; nicht umsonst existieren ja die Weihnachtsgeschichten von anno dunnemals mit dem Karpfen, der in der häuslichen Badewanne über Tage vor sich hin pritschelte. Neuzüchtungen sollen das Grätenproblem in den Griff bekommen, außerdem werden auch Karpfenfilets angeboten. Zudem gibt es ja die Old-School-Küchentechnik des Schröpfens am Rückenfilet. Mit der Pinzette klappt das Herausziehen der Gräten nämlich nicht, denn Karpfengräten haben eine Y-Form und zerfleddern beim Herausziehen das Fleisch.
Und was ist mit süß?
Ein klassischer Zimthefekuchen, wie ihn Erlenbacher Backwaren im Sortiment hat, lässt sich mit süßsäuerlichen Zitrusfrüchten und flüssigem Nougat in ein sahniges Dessert umbauen.
Froneri Schöller weiß ebenso, wie’s geht ... wem wird bei gebrannten Mandeln nicht festlich ums Herz! Im Winter möchte man kein Sorbet schlecken, sondern es werden, weiß Frank Scholz, Leiter des Gastro-Service-Teams, »cremige Eissorten bevorzugt«. Und: »Jetzt schlägt die Stunde von Nüssen und Gebäck.« Die Küche muss Eierlikör-Cookies-Eis nur noch mit Löffelbiskuit und Vanillequark in durchsichtiges Glas schichten. Macht enorm viel her.
Hügli hat die Dessertkarte mit Dekor (hauchdünne Schokotannen als Aufleger oder Schoko-Tannenzapfen in 3-D) und Cremes und Mousses weihnachtlich-festlich gemacht. Der Dekotipp für ihre fertige Orangen-Zimt-Mousse ist denkbar einfach: Orangenhälften ausfüllen und mit der Mousse befüllen.