Es muss nicht immer Schampus sein
Prickelnde Weine zählen zum Besten, was man aus Trauben machen kann. Egal ob vor, nach oder zum Essen
von Wolf DemarEin runder Geburtstag, der Jahreswechsel oder ein Sieg in der Formel 1, es gibt immer wieder besondere Anlässe, bei denen knallende Sektkorken dazugehören. Das hat schon seinen Grund – Schaumwein macht einfach gute Laune. Dabei wird oft vergessen, dass feine Schaumweine auch hervorragende Getränke sind, die einfach gut schmecken. »Bei uns spielen Schaumweine vor allem als Aperitif eine Rolle. Neben Champagner und österreichischem Winzersekt haben wir übrigens auch immer einen Pet-Nat (siehe Erklärung Infobox, Anm. d. Red.) offen, damit wir auch Gästen, die schon vieles kennen, stets etwas Spannendes bieten können«, erklärt René Antrag, der als Sommelier im Wiener Steirereck tätig ist.
Doch wie ist es möglich, dass man im Supermarkt perlende Weine für ein paar Euro findet, die zumeist unter dem Überbegriff Prosecco vermarktet werden? Die Antwort ist ganz einfach: Ein Getränk mit Kohlensäure zu karbonisieren, damit es lustige Bläschen zeigt, kostet wenig, wie man ja auch bei Limonaden und Sodawasser sieht. Entstehen diese Bläschen jedoch durch natürliche Gärung in einer gut verschlossenen Flasche, haben sie eine andere Qualität. Verwendet man als Ausgangsprodukt einen guten Wein, der schon für sich betrachtet wertvoll ist, und lässt ihn danach noch mehrere Jahre im Keller reifen, erreicht man schnell ein hohes Preisniveau.
Unbeschwertes Dolce Vita
An einem heißen Sommernachmittag mag mitunter auch ein Gläschen einfacher Prosecco Freude machen. Es kommt halt drauf an, was man im Glas hat. Gerade bei Prosecco sind die qualitativen Unterschiede riesig. Die einfachen Frizzante – also Perlwein und nicht Schaumwein – aus dem Veneto schmecken nur gut gekühlt, wenn überhaupt. Gleichzeitig sind »echte« Prosecchi aus der Gegend zwischen Conegliano und Valdobbiadene mit der Herkunftsangabe DOC ausgezeichnet und munden zumeist wunderbar. Sie werden relativ kurz gelagert und jung getrunken, weil man vor allem die verführerische Frucht der Glera-Traube schätzt. Doch was ihnen an Komplexität und Tiefgang fehlt, machen sie mit eleganter Frucht mehr als wett.
Wer einmal die steilen Weingärten durchwandert hat, versteht rasch, dass ein »richtiger« Prosecco kein Billigprodukt sein kann, weil man hier ausschließlich manuell ernten muss. Leider hat die sorglose Verwendung des Begriffs »Prosecco« für sämtliche Schaum- und Perlweine aus Italien dazu geführt, dass es kaum ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Qualitäten gibt.
Schaumweine aus Italien: die Champagne als Vorbild
Die bekanntesten italienischen Schaumweine kommen aus der Franciacorta – einem historischen Weinbaugebiet, das südlich des Iseo-Sees und nördlich von Brescia liegt. Weinbau wird dort schon seit Jahrhunderten betrieben, doch die Produktion von Schaumwein ist noch keine 60 Jahre alt. 1961 wurden von der Kellerei Berlucchi aus einer Cuvée von Chardonnay und Pinot noir erstmals 3.000 Flaschen nach der traditionellen Champagner-Methode produziert. Das Ergebnis begeisterte so sehr, dass sich in kürzester Zeit auch andere Produzenten (Bellavista, Ca’del Bosco, Montenisa) diesem Thema widmeten, Chardonnay und Pinot noir (dazu noch etwas Pinot Meunier und Pinot blanc) auspflanzten und ebenfalls großartige Schaumweine auf den Markt brachten.
Ebenfalls mit französischen Rebsorten und der traditionellen Flaschengärung arbeitet man im Trentino, wo Giulio Ferrari bereits vor über 100 Jahren mit der Schaumweinproduktion begann. Der Name Ferrari steht in Italien also nicht nur für flotte Sportwagen, sondern auch für edle Schaumweine. Heute gibt es rund 40 Produzenten, die hochwertige Schaumweine mit der Auszeichnung Trento DOC herstellen.
Und dann gibt es noch die stets leicht süßen und fruchtigen Asti Spumantes aus dem Piemont. Hier geht es nicht um Reife und Komplexität, sondern um unbeschwerten Trinkgenuss. Vor allem zu fruchtigen Desserts gibt es oft nichts Besseres. Die Perlen im Asti Spumante entstehen nicht durch eine zweite Gärung in der Flasche, sondern im Tank, und weil man die Frucht der Muskateller-Traube möglichst klar zum Ausdruck bringen will, verzichtet man auch auf eine lange Reifung. Somit liegen gute Asti Spumantes preislich deutlich unter den Schaumweinen aus dem Trento oder der Franciacorta. International bekannte Marken sind Gancia und Martini.
Viva España
In den letzten Jahren haben sich Cavas – also Schaumweine aus Spanien – einen prominenten Platz in unseren Supermarkt-Regalen erobert. Vor allem die Marke Freixenet hat mit günstigen Preisen und ansprechenden Qualitäten gepunktet. Mit über 120 Millionen Flaschen Schaumwein (und weiteren 80 Millionen Flaschen Stillwein) ist Freixenet einer der größten Weinproduzenten überhaupt. Der Firmensitz liegt im katalonischen Penedès, doch betreibt Freixenet mittlerweile Kellereien in ganz Spanien und rund um den Globus. Spanischer Cava hat zwar eine geschützte Herkunftsbezeichnung (D.O.), doch erstreckt sich diese über Produktionsgebiete in ganz Spanien, was sie irgendwie entwertet. Manche Qualitätsproduzenten aus dem Penedès verzichten deshalb auf dieses Siegel. Neben Freixenet sind noch Codorníu – ebenfalls ein Riese – sowie die Qualitätsproduzenten Raventós i Blanc und Juvé y Camps zu erwähnen.
Sparkling made in Germany
Sekt spielte in Deutschland hinter Champagner lange die zweite Geige – zumindest was Preis, Image und auch die Qualität betrifft. Deutsche Sekte, die mehr als zehn Euro kosten, blieben die Ausnahme. In diesem Segment befanden sich bis zur Wiedervereinigung Traditionsmarken
wie Kupferberg Gold, Henkell trocken und Fürst Metternich. Ab 1990 setzte dann Rotkäppchen vom Osten her zum Siegeszug durch Westdeutschland an und ist heute mengenmäßig mit knapp 120 Millionen Flaschen (Marktanteil ca. 38 %) der wichtigste Sekthersteller. Populär sind vor allem Sekte mit deutlich spürbarer Restsüße – das Segment »extra brut« überließ man bis vor kurzem meist den französischen Nachbarn.
Mit der Renaissance der deutschen Weinkultur haben sich in den letzten 20 Jahren auch immer mehr Winzer dem Thema Sekt gewidmet und füllen oft reinsortige Spitzensekte ab, die auch preislich näher bei Champagner als bei Rotkäppchen liegen. Sehr oft besinnt man sich dabei auf den heimischen Riesling, der sich – wenn rechtzeitig gelesen – auch hervorragend für die Sektherstellung eignet. Grandiose Winzersekte wie etwa der »1900« von Van Volxem haben neue Standards gesetzt und bestehen auch neben absolutem Spitzenchampagner bravourös. Weingutsbesitzer Roman Niewodniczanski erklärt, wieso er sich den Aufwand für die geringe Menge antut: »Deutscher Sekt war bis zum 1. Weltkrieg eine gesuchte Spezialität, die sich auf Augenhöhe mit Champagner befunden hat. Natürlich schmeckt ein Riesling-Sekt anders als ein Schaumwein aus Chardonnay. Doch wenn man bestes Traubenmaterial verwendet und dem Sekt Zeit zur Reifung gibt, gehören deutsche Riesling-Sekte zu den besten Schaumweinen der Welt.«
Schaumwein oder Perlwein?
Perlweine haben maximal 2,5 bar Druck, Schaumweine zumindest
3 bar. Während bei Schaumweinen die Kohlensäure »natürlich« durch eine zweite Gärung entweder im Tank oder in der Flasche (»Méthode traditionelle«) entsteht, darf diese bei Perlweinen auch zugesetzt werden. Auch wenn im Glas der Unterschied nicht auf den ersten Blick auffällt, handelt es sich doch um zwei grundverschiedene Produkte mit sehr unterschiedlichen Produktionskosten. Ein Glas »Prosecco« für fünf Euro kann daher zu teuer sein, während ein Glas guter Schaumwein für zehn Euro im Restaurantmitunter ein echtes Schnäppchen ist.
Schäumendes aus Österreich
Ganz ähnlich hat sich der Sektmarkt Österreichs entwickelt. Das bekannte Schaumweinhaus Schlumberger führt mit seinem Sparkling seit Jahrzehnten das Premium-Segment an, mit etwas Abstand (sowohl qualitativ als auch preislich) folgen Marken wie Hochriegl und Henkell trocken (eine Tochter des deutschen Sekthauses). Als Basisweine wurden zumeist Welschriesling und Grüner Veltliner verwendet. Vor kurzem wurde in Österreich eine offizielle dreistufige Qualitätspyramide mit den Kategorien »Große Reserve« (mindestens 30 Monate auf der Hefe), »Reserve« (18 Monate Reifezeit) und »Klassik« eingeführt.
Trendiges aus der Naturwein-Szene
In der Vergangenheit kamen viele Winzersekte oft zu jung auf den Markt und waren vielfach auch zu kräftig. »Bei einem guten Sekt geht es immer um die Balance zwischen Frische und Komplexität. Für die Frische ist der richtige Lesezeitpunkt entscheidend, für die Entwicklung der Komplexität braucht es einfach ein paar Jahre auf der Hefe«, erklärt Österreichs Sekt-Pionier Willi Bründlmayer.
Ein relativ junges Phänomen sind die vor allem bei Naturwein-Trinkern extrem angesagten »Pet-Nats«. Der Name ist eine Abkürzung für »Pétillant Naturel« und bezeichnet schäumende oder zumindest perlende Weine, die ohne Zugabe von Zucker oder Hefen »natürlich« Kohlensäure entwickeln. Dafür füllt man einfach einen sich noch in Gärung befindlichen Most in die Flasche und verschließt diese mit einem Kronenkorken. Dann wartet man darauf, was passiert. Ein Gutteil des noch verbliebenen Zuckers gärt in der Regel weiter, doch weil die dabei entstehende Kohlensäure nicht entweichen kann, bleibt diese in der Flasche. Der Nachteil dabei ist, dass der Winzer den Verlauf der Gärung nur sehr eingeschränkt beeinflussen kann. Jeder Jahrgang schmeckt ein wenig anders, und weil auch die Hefe in der Flasche verbleibt, sind Pet-Nats oft etwas trüb. Manche lieben die Bekömmlichkeit, weil weder geschönt noch geschwefelt wird, doch der Kauf von Pet-Nats ist stets ein bisschen ein Glücksspiel. Man weiß nie genau, was einen erwartet.