Das beste Stück, des Fleische(r)s Lust
von Gabriele GugetzerDie Kooperative First Light verkörpert das Neuseeland, wie man es sich hierzulande vorstellt. Hemdsärmelige Naturburschen, strotzend vor Gesundheit und Selbstvertrauen, die was Gutes wollen. Drei Manager auf der einen Seite, 150 Farmer auf der anderen Seite, zusammen gehört ihnen First Light. Das größte Gut: freilaufende Wagyu-Rinder. Der höchste Anspruch: Tierschutz. Jason Ross, einer der besagten Manager mit langjähriger Erfahrung auf dem europäischen Markt, sagt: »Fleisch essen sollte eine bewusste Entscheidung sein. Lieber weniger, dafür gut.«
Ihre Wagyu-Rinder grasen durch die neuseeländische Landschaft wie einst die Bisonherden unter Winnetous wachsamem Auge und sind doch so marmoriert auf dem Teller … Wie geht das? Die richtige Zucht und Auswahl der Tiere spielt eine große Rolle, die Zufütterung während der drei Jahre, in denen die Rinder auf kleinen Farmen mit viel Platz groß und lecker werden, ebenso. Ganz artgerecht ist die Ernährung: Gras. Und das ist in Neuseeland natürlich auch nicht genetisch manipuliert. Aber die Qualität? Da bescheinigte das Magazin Forbes unlängst den First Lights, »das beste Rindfleisch der Welt« zu machen.
Kein Wunder, dass die fitten Neuseeländer mit grasgefütterten Wagyu gerade den kalifornischen Rindfleischmarkt durcheinanderwirbeln. In Deutschland hat Schulte + Sohn den Vertrieb übernommen, auch in Österreich (Hütthaler) und der Schweiz (A+C Delikatessen) wurden gerade Verträge abgeschlossen.
Übrigens: Grasgefüttert ist hierzulande kein geschützter Begriff, für einen niedlichen Aufkleber auf dem Fleisch reicht es aus, mal mit Grashalmen nach den Tieren zu werf … Nein, wir übertreiben. Dennoch: Genau hier punkten Gastronomen mit Fachwissen zu Herkunft und Aufzucht.
Schwein 2.0
Schulte + Sohn sind nicht nur Fleischversender, sondern auch offen für Neues. Ihre Fleischsommeliers gehen in diesem Jahr im Grillbereich neue Wege: Schweinische. »In Spanien und Portugal gehören die Cuts Pluma, Presa und Secreto auf jedes BBQ«, sagt Timo Schwarz vom hauseigenen gourmetfleisch.de. Er schwärmt von Preis-Leistung und Geschmack, Marmorierung und Grilleigenschaften. »Die Anschnitte liegen versteckt an Rücken, Nacken und Bauch, wo ihr besonderes Muskelgewebe durch eine eher passive Funktion eine außergewöhnliche Konsistenz entwickelt. Der hohe Fettanteil sorgt für intensiven Geschmack und Zartheit.«
Tüftler sind sie überdies. Was auf den ersten Blick klingt wie aus Frankensteins Horrorkabinett, ist ein zum Patent angemeldetes Verfahren, bei dem Rippchen in reiner Handarbeit zu
Spareribs Boneless werden. Wenn sie der Gastronom bekommt, sind sie am Knochen vorgegart und müssen nur noch kurz im Ofen erwärmt werden. Auch für High-End-Burgerläden sei das Produkt interessant, Kölns Fette Kuh hat es schon auf der Karte.
Das Mangalitza und sein Michelin-Fan
Bleiben wir beim Schwein. Eine borstige Kreuzung aus dem Sumadija und dem Szalantai brachte Ende des 19. Jahrhunderts in Serbien die Rasse Mangalitza hervor. In Ungarn war die Salami ohne sie undenkbar, für österreichische Grammeln eignete sich die Fettschicht ebenfalls hervorragend … Doch Ende der 1970er- Jahre fand sich dieses genügsame und gutmütige Schwein auf der Liste der gefährdeten Nutztiere wieder. Sein einst begehrter Fettgehalt war ihm zum Verhängnis geworden, dabei besitzt das Tier ein spezifisches Fettmuster mit dem sogenannten guten Cholesterin, ist durchmarmoriert, zart und saftig. Aber Mangalitzas verweigern die Turbozucht, sind weniger fruchtbar, eher was für Liebhaber. So einer ist Michael Beuthe. Seit 16 Jahren beliefert er den Berliner Zweisterner Michael Kempf (»Facil«). Für Kempf ist Mangalitza »geschmacklich das aussagekräftigste Schweinefleisch mit einem kernigen, intensiven und nussigen Fleischgeschmack«. Er lobt die außergewöhnliche Konsistenz und Struktur und reift das Mangalitzafleisch zwischen Tüchern bei +1 °C bis zu 4 Wochen nach Schlachtung – »mit normalem Schweinefleisch so nicht möglich«. Aktuell stehen Nacken mit Haselnüssen, Chicorée und geflämmtem Zimt und ein Bauch mit Gillardeau-Auster, grünem Kardamom und Imperial-Kaviar auf der Karte. Luma Beef aus Leipzig, Ende 2016 als deutscher Ableger des erfolgreichen Schweizer Fleischveredlers gegründet, liefert ebenfalls.
Was wurde eigentlich aus der alten Kuh?
Txogitxu ist ’ne leckere Sache, diese alte Kuh mit dicker Fettschicht. Aber auch eine seltene Sache, weshalb sich ihr »Erfinder« Imanol Jaca notgedrungen nicht mehr nur bei baskischen Kollegen bedient. In Polen, Portugal, Deutschland und Spanien deckt er mittlerweile die hohe Nachfrage. Ein strenges Qualitätsmerkmal sind 16 Jahre auf einer Hochlandweide, die Fleischqualität ist nach wie vor auf einem hohen Stand. Aber: Diverse Herkunftsorte und der Transport zur Veredelung bei Jaca sind nicht dem aktuellen Trend zur Authentizität verpflichtet. Genusshandwerker hat den Vertrieb.
Deutsches Angus
Wo ihr Angus herkommt, weiß man bei Otto Gourmet. Aus Deutschland. Seit 2014 beackern sie das Thema für Gastronomen »mit regionalem Anspruch, die gutes Fleisch auf der Karte haben wollen«, sagt Wolfgang Otto. Damit spricht er ebenso klassische Steakhäuser wie innovativ arbeitende Gastronomen an. »Das beste deutsche Rindfleisch« sei es, lehnt sich Otto aus dem Fenster, »komplette Rücken werden fünf Wochen trockengereift, um das perfekte Fleisch in Bezug auf Zartheit und Aroma zu bekommen«. Ein weiterer Vorteil der Veredelung ist die höhere Einpreisungsmöglichkeit auf der Karte.
Das Deutsche Angus (aus Aberdeen Angus und heimischen Rassen) wird in Mutterkuhhaltung mit Weideabkalbung gehalten. Sechs bis acht Monate bleiben die Kälber bei der Mutter, danach sind sie in Gruppenhaltung in Freilaufställen für bis zu zwölf Monate. Die Marmorierung ist hoch, das Fleisch ist feinfaserig und saftig. »Auf der gleichen Stufe mit US Beef«, findet Otto.
Michael Kempfs Dreierlei zum Mangalitza-Handling:
- Das Fleisch nach dem Schlachten trocken nachreifen
- Das Fett beim Garen am Fleischstück belassen
- Bei der Entwicklung von Gerichten darauf achten, dass die restlichen Bestandteile den sehr feinen, eleganten Schweinefleischgeschmack nicht übertönen
Otto und seine Steaks:
- Mit sehr hoher Hitze anbraten
- In einer dicken Salzkruste verarbeiten –
das bringt das marzipanige Aroma vom Txogitxu - Rare bis medium-rare auf den Tisch bringen
Der Auerochse: Ein Urviech kehrt zurück
Ingo »Hopmanns Olive« ist der Leuchtturm in einer sonst kulinarisch eher unterentwickelten Region. Die Leute haben im Speckgürtel Düsseldorfs zwar Geld wie Heu, um mal im Bild zu bleiben, aber hier schätzt man es schlicht und deftig. In die Olive kommt man zu besonderen Anlässen. Und wenn Hopmann Auerochsen auftischt. Da macht er so ziemlich alles richtig. »Ich bekomme sie von einem Metzger vor Ort, also entfallen lange Lieferwege. Das Fleisch ist mit fünf Gramm Fett auf 100 Gramm sehr mager; Rindfleisch enthält die dreifache Fettmenge. Das Fleisch ist dank seiner Kurzfaserigkeit sehr zart.« Und am allerwichtigsten: »Da es etwas Besonderes auf meiner Karte ist, sind meine Gäste auch bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen.« Sein Tipp: Auerochsenfleisch langsam bei Niedrigtemperatur garen.
Wer keinen Schlachter vor Ort für dieses Fleisch hat, wird bei Transgourmet fündig. Die liefern in ihrer Eigenmarke Ursprung Auerochsenfleisch, fertig einsetzbar als Patty. Sebastian Fosshag ist Produktmanager bei Transgourmet und bestätigt Ingo Hopmanns Erfahrungen bei der Einpreisung. »Wichtig ist, dass der Gastronom den Einsatz von nachhaltigen Lebensmitteln kommuniziert. Der Gast ist heute bereit, mehr auszugeben, wenn der Mehrwert erlebbar wird.« Für Transgourmet ist die Zielgruppe allerdings eine viel breiter gefächerte und schließt die GV mit ein. Ihr Partner ist Vielanker, deren 200 Auerochsen leben halbwild auf 250 Hektar. Die Landschaft selbst ist so ursprünglich wie die reine Freilandhaltung der Tiere – es ist ein UNESCO Biosphärenreservat. Die Tiere fressen Gras, im Winter wird mit Heu zugefüttert. Nach maximal vier Jahren endet so ein artgerechtes Leben dann nicht im Anhänger quer durch Europa, sondern mit einem Schuss aus dem Gewehr eines Tierarztes, der weder das Tier noch die Herde schreckt. Im hauseigenen Rating good, better, best wird das Fleisch mit best eingestuft, geschmacklich geht’s in Richtung Wald, mit mineralischer Note.
Kurze Wege gehen
Diesem Luxus frönt Matthias Gfrörer mit seinem Restaurant »Gutsküche«. Es liegt direkt neben dem schnuffeligen Biogut Wulksfelde, das auf seiner Webseite verlinkt ist. Von dort bezieht er sein Fleisch, allerdings weiß er nicht im Voraus, was er bekommt. Das wird auf der Internet-Speisekarte kommuniziert und stört die Gäste (»ein bunter Querschnitt aus der Umgebung, internationale und naturbewusste Genießer«) nicht. »Naturnah, nachhaltig und saisonal« beschreibt er seinen Kochstil. Veganes gibt es auch auf der Karte, überdies aber einen für Gäste einsehbaren Fleischreiferaum, wo Gfrörer nach Fleischbeschau reift und veredelt. »Ich will nicht nur eine Geschichte zu nachhaltiger Aufzucht erzählen, sondern auch handwerklich kompetenten Service bieten«, sagt er. Wenn Gastronomie und Erzeuger so perfekt zusammenarbeiten, kann der Gast nur gewinnen, ist auch eine der Thesen von Christoph Grabowski.
Der Fleisch-Professor: Christoph Grabowski
Christoph Grabowski ist Fleischermeister, Buchautor und Diplom-Fleischsommelier. Sein Arbeitgeber Niggemann verkauft deutschlandweit bis ins KaDeWe. Grabowski kennt, sagt er, alle Züchter selbst und stellt die Zucht, nicht den Preis in den Vordergrund. Seine streitbaren Thesen:
- Fleisch wird politisch, ob wir wollen oder nicht. Wiesenhof und Tönnies haben in vegane Produkte investiert, das dürfen wir nicht länger verschlafen.
- Wir müssen zeigen, dass wir ehrlich und transparent sind. Dass wir das Tier von der Geburt bis zur Theke in- und auswendig kennen. So überzeugen wir verunsicherte Kunden.
- Der Metzger von morgen ist ein ökologisch bewanderter Ernährungsberater.
- Veganer bringen der Branche wieder den Respekt vor Tieren bei.
- Der Gastronom könnte die Fleischkarte ebenso informativ wie die Weinkarte gestalten.
- Metzger und Landwirt müssen zusammenarbeiten und für den Gastronomen arbeiten.
- Fett vom Fleisch muss so zelebriert werden wie Olivenöl.
- Ein Metzger, der am Samstag um 13 Uhr zumacht, obwohl bestes Grillwetter herrscht, muss sich nicht wundern, wenn er Kunden an den LEH verliert.
Adressbox
- Michael Beuthe c/o, Schaugarten Schwante
- Facil im Hotel Mandala
- Hopmanns Olive
- Restaurant Gutsküche, Wulksfelde