Boomt Bio in der Gastronomie?
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Boomt Bio in der Gastronomie?

von Clemens Kriegelstein
Montag, 01.01.2018
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Bio-Lebensmittel boomen, hört man allerorts in den Medien. Allerdings gibt es in diesem Bereich eine interessante Schere: Der Bio-Anteil im Handel liegt um ein Vielfaches höher als in der Gastronomie. In Österreich etwa werden acht Prozent aller Frischeprodukte im Handel in Bioqualität gekauft (am meisten Eier und Milch, gefolgt von Gemüse und Kartoffeln), aber nur rund zwei Prozent der im Gastronomie-Großhandel gekauften Lebensmittel stammen aus Bio-Landwirtschaft.

Schweizer deutlich bio-affiner als Deutsche

Ähnlich der Stand der Dinge in Deutschland: Gefühlt eröffnet – vor allem in den Städten – an jeder Straßenecke ein neuer Bio-Laden. Doch welche Rolle spielt die ökologische Lebensmittelwirtschaft tatsächlich? 2016 konnte der Bio-Umsatz in Deutschland um zehn Prozent auf 9,48 Mrd. Euro gesteigert werden. Allerdings machen Bio-Produkte lediglich knapp fünf Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Und während die Deutschen im Schnitt rund 110 Euro pro Jahr für ökologisch produzierte Lebensmittel ausgeben, sind es etwa in der Schweiz über 260 Euro.

Die unterschiedliche Akzeptanz von Bio-Lebensmitteln in Handel und Gastronomie liegt einerseits daran, dass der Handel Bioprodukte seit vielen Jahren konsequent pusht und die Konsumenten in diesem Bereich leicht entscheiden können, welche Qualität sie bei welchem Produkt erwerben wollen. Außer Haus denkt man dagegen deutlich weniger an Bio. Der Einsatz biologischer Zutaten spielt für die Wahl des Restaurants eine geringe Rolle, das gute Essen oder das Ambiente stehen im Vordergrund der Entscheidung. Allerdings hat die Agrarmarkt Austria (AMA) in einer aktuellen Studie auch festgestellt, dass die Konsumenten sich mehr – als solche gekennzeichnete – Bio-Lokale wünschen. Großes Interesse an Bio herrscht zudem in Großküchen und bei der Versorgung von Kindergärten und Schulen.

Bio aus Begeisterung

»Bio-Gastronomen teilen mit Konsumenten die Begeisterung für Bio-Lebensmittel und ihren Geschmack. Sie eröffnen ein Bio-Lokal aus tiefster Überzeugung, nicht weil sie sich damit mehr Kunden erhoffen oder einem Trend folgen wollen«, so die AMA-Studienleiterin Beatrix Brauner. Den typischen Bio-Gast gibt es kaum. Die befragten Wirte beschreiben ihre Kundschaft als bunt gemischt – teilweise sehr bio-affin, teilweise müssen die Gäste erst vom Bio-Konzept überzeugt werden.

Das gesteigerte Bewusstsein der Gastronomen für die hohe Produktqualität resultiert manchmal aus der eigenen Bio-Landwirtschaft, dann werden die Produkte vom angeschlossenen Bio-Hof über die Gastronomie vermarktet. Bio ist für die Wirte mehr als das Zubereiten biologischer Zutaten. »Für sie ist es ein Gesamtkonzept aus Transparenz, Regionalität, kleinstrukturierter Landwirtschaft und individueller Handfertigung«, ergibt die Studie.

»Chance für den Gastronomen«

Wie weit es für einen Gastronomen Sinn macht, auf das Thema Bio zu setzen, ist indes von einigen Faktoren abhängig, weiß etwa Björn Grimm von der Hamburger Gastronomieberatungs-Agentur Grimm Consulting (www.gastronomieberatung.de): »Betriebstyp, Standort, Image, Preisbildung und schlussendlich auch der Markt – sprich die Gäste und auch deren Motivationen – sind zu hinterfragen. In einem Imbiss in ländlicher Gegend haben die Gäste sicherlich andere Ansprüche an das Angebot als bei einem Date in einem Sterne-Restaurant. Dennoch sehen wir in der Verwendung von Bio-Produkten eine echte Chance für den Gastronomen. Denn das, was in privaten Haushalten seit langem einen hohen Stellenwert besitzt, hat natürlich auch vor der Gastronomie nicht halt gemacht.«

Schwierig bleibt seiner Erfahrung nach dennoch der Umstand, dass alles seinen Preis haben muss und auch der Bio-geneigte Gast kostensensibel reagiert. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in diesem Fall also doch noch weit auseinander… Grimm: »Empfehlenswert ist gerade bei Bio-Gerichten eine Kalkulation über den benötigten Deckungsbeitrag. Auf Basis der vorherrschenden Kostenstruktur wird der benötigte Deckungsbeitrag je Hauptgericht ermittelt, welcher anschließend in die Kalkulationen einfließt. Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt insbesondere darin, dass Gerichte, die im Einkauf teurer sind, dennoch zu moderateren Preisen angeboten werden können als es beispielsweise im Rahmen einer Aufschlagskalkulation der Fall wäre. So kann es durchaus sein, dass das Bio-Schnitzel vielleicht nur für 2 oder 3 Euro teurer auf der Karte stehen müsste. In Abhängigkeit der Klientel und des Standortes liegt es natürlich abschließend an jedem Gastronom selbst, seinen Preisen den letzten Schliff zu verleihen.« Denn eines müsse klar sein: Nicht jeder Gast sei grundsätzlich dazu bereit oder in der Lage, sein privates Budget für den Außer-Haus-Konsum zu erhöhen. Essen sei zwar ein Grundbedürfnis, das »Essen gehen« dagegen nicht.

Bio-Positionierung kommunizieren

Grimm warnt daher auch davor, eine Bio-Positionierung als Selbstläufer zu betrachten. Zunächst müsse der Gastronom überlegen, ob er sein komplettes Angebot auf Bio umstellen wolle oder vielleicht nur einen Teil davon. »Unserer Erfahrung nach sind es vor allem Hauptkomponenten, denen in diesem Segment eine bedeutende Rolle zukommt. Fisch aus nachhaltiger Fischerei, Eier und Geflügel vom Ökohof und das Fleisch vom Bio-Landwirt.« Des Weiteren sei es wichtig, dass die Gäste davon erfahren, dass der Gastronom Bio-Lebensmittel verarbeitet. Hier liege der Schlüssel im Storytelling: »Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann schaffen Sie Transparenz. Kommunizieren Sie in Ihren Speisekarten und auf der Homepage, wer Ihre Lieferanten sind und wie diese zertifiziert sind, welches Fleisch Sie bevorzugen usw. Und wie immer gilt natürlich auch hier der Grundsatz, dass das, was drauf steht, auch drin sein muss«, so Björn Grimm abschließend.

 »Wir sind noch weit weg von einer Nachfrage wie im Einzelhandel«

Natürlich hat auch der Groß- und C&C-Handel die Welt der Bio-Produkte längst als lukrative Nische für sich entdeckt. HOGAPAGE hat sich in der Branche umgehört, wie die Entwicklungen in diesem Segment eingeschätzt werden.

Gesundheit, Nachhaltigkeit und Qualität stehen aktuell im Fokus der Ernährung, weiß man bei Edeka Food Service, weshalb man dort das umfangreiche Angebot an Bio-, aber auch an Light-Produkten in den Vordergrund stellt – vom Frühstücksbüffet über das Mittagessen bis hin zum Bedarf für die Bar oder für Sonderveranstaltungen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Eigenmarken Edeka Bio und VielLeicht von Edeka.

Bei Transgourmet Deutschland verweist man auf ein Bio-Sortiment von über 3.000 Produkten, das laufend erweitert wird, vom etablierten Bio-Label bis zum innovativen Start-up. Als wichtigste Warengruppen in dem Segment nennt Transgourmet Milch, Eier, Kaffee, Erfrischungsgetränke und Backwaren. »Wir spüren gerade in der Gemeinschaftsverpflegung, dass Bio immer wichtiger wird und Bio immer stärker unser Geschäft beeinflusst. Zum Beispiel führen wir seit einiger Zeit faire Bio-Bananen im Sortiment, weil ein Kita-Verbund dieses Produkt angefragt hatte«, so Pressesprecherin Daniela Schelhase auf HOGAPAGE-Anfrage.

Frischeprodukte im Fokus

In Österreich sind Bio-Lebensmittel noch etwas stärker gefragt als in Deutschland, was den besonders hohen Stellenwert dieser Produkte bei den Großmärkten erklärt, z. B. bei Metro Österreich: »Das Angebot an regionalen und Bio-Produkten ist vor allem bei frischen Produkten von größter Relevanz. Metro Österreich bietet mit rund 960 Bio-Produkten ein vielseitiges Angebot. Bio-Produkte sind weiterhin nachgefragt, allerdings gewinnt Regionalität immer mehr an Bedeutung«, weiß etwa Alexa Kazda-Klabouch, Pressesprecherin von Metro Österreich.

Ähnliche Erfahrungen macht Thomas Holl, Marketingchef des Gastro-Zustellers Kröswang: »Der Trend zu Bio-Lebensmitteln wird auch in der Gastronomie immer stärker wahrnehmbar, wenngleich wir weit weg von einer Nachfrage wie im Einzelhandel sind. Die größte Nachfrage herrscht im Bereich Molkereiprodukte, deshalb haben wir hier auch die meisten Artikel gelistet. In vielen anderen Bereichen ist der Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln aber noch so groß, dass die Nachfrage in der Gastronomie überschaubar ist.« Insgesamt sieht Holl die Entwicklung bei Bio-Produkten sehr positiv. Kröswang sei auch dabei, dieses Sortiment stetig weiterzuentwickeln, seit Kurzem etwa mit österreichischem Bio-Geflügel, und auch im Käsebereich gäbe es laufend neue Bio-Produkte.

Regionaler Bezug wichtig

Auch bei der österreichischen Rewe-Tochter AGM weiß man um die zunehmende Bedeutung von Bio-Lebensmitteln in der Gastronomie. 800 Bio-Produkte bietet AGM aktuell in allen Bereichen an und erweitert das Sortiment kontinuierlich. ­Rewe-Pressesprecher Paul Pöttschacher: »Der Anteil an Bio-Produkten im Frischebereich wächst. Wir setzen bei Fleisch- und Wurstwaren und bei Molkereiprodukten als auch bei ­Getränken zunehmend auf Bio. Darüber hinaus gewinnt der regionale Bezug an Bedeutung. AGM bietet daher eine um­fassende Auswahl an regionalen und biologischen Produkten mit nachvollziehbarer Herkunft und entsprechenden Zertifizierungen an.«

Dass das Thema Bio ein wachsender Markt ist und sich die Qualitäten laufend verbessern, weiß man auch bei Eurogast, einer Kooperation von elf privaten Gastronomie-Großhändlern in Österreich. Außerdem würden nach Erfahrung von Eurogast-Chefin Susanna Berner die Preise für Bio-Artikel immer attraktiver: ­»Somit kann man in der Küche, ohne die Kalkulationen wesentlich ändern zu müssen, auf Bio-Produkte zurückgreifen.« Die meisten Bio-Produkte finden sich bei Eurogast bei den klassischen Trockensortimenten, jedoch erziele man den höchsten Umsatz im Bereich Mopro. Obst und Gemüse in Bio-Qualität werde laut Berner in der Gastronomie wenig nachgefragt. Die Regionalität werde hier höher bewertet.

Deutliche Zuwachsraten

Und auch Transgourmet Österreich berichtet von jährlichen ­Zuwachsraten von 10 bis 15 Prozent im Bio-Bereich. Kommendes Jahr wird dazu die Bio-Eigenmarke »natürlich für uns«, die aktuell 400 Produkte umfasst, ihr zehnjähriges Jubiläum feiern. Ein Großteil der Artikel dieser Marke wurde dabei speziell den Bedürfnissen der Gastronomie angepasst. »Signifikant gewachsen ist der Bereich Wein und Getränke, inklusive Heißgetränke, bei den Bio-Produkten. Hier hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt. Auch Molkereiprodukte haben deutlich zugelegt, ebenso Fleisch, Obst und Gemüse«, berichtet Transgourmet-Österreich-Geschäftsführer Thomas Panholzer. Insgesamt bietet man derzeit 1.500 Bio-Artikel quer durch alle Produktkategorien an. Alleine die Anzahl der angebotenen Artikel stieg in den vergangenen drei Jahren um ein Drittel.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

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