Hotelerlebnis im Wandel
Die Zeichen stehen auf Veränderung – die Hotellerie zeigt sich flexibel
von Karoline GiokasDigitale Services am Empfang, hochmoderne Arbeitsbereiche mit Rückzugsmöglichkeiten, dabei kostenfreier WLAN-Zugang – Gäste schätzen solche technischen Spielereien. »Im Businesssegment sind diese Features oftmals ausreichend, gerade in der Freizeithotellerie wünschen sich Gäste aber nicht selten ein Erlebnis, das aus mehr als einem bequemen Bett und einer sauberen Dusche besteht«, meint jedenfalls Lars von der Wettern. Der Managing Director von SolutionsHI war früher selbst viele Jahre als Residence Manager in den Intercontinentals dieser Welt unterwegs, bevor er sich vor 17 Jahren mit seinem Beratungsunternehmen selbstständig gemacht hat.
Gäste wollen etwas erleben
Heute sind vor allem Gastgeber gefragt, die mit Herz und Verstand so richtig Gas geben, ihren Besuchern faszinierende Welten schaffen und damit Emotionen wecken. Ein Patentrezept für alle Häuser, dieses Unterfangen anzugehen, gibt es nicht. Von der Wettern ist sich aber sicher, dass Hotels künftig etwa mit »Co«-Konzepten punkten können. Darunter versteht er, sich eine kreative Flexibilität aufzubauen und beispielsweise Co-Working, Co-Living etc. unter einem Dach zu vereinen. »Klar, die Gegebenheiten vor Ort müssen dafür auch passen. Und – eine Erweiterung des Angebotes für den Gast bedeutet in vielen Fällen zusätzliche, im baulichen Bereich dann auch relevante, Investitionen.«
Spielplatz für Groß und Klein
Einen hohen Millionenbetrag haben etwa die Macher des »Pierdrei Hotel HafenCity« in Hamburg für ihr besonderes Konzept hingelegt. Das Projekt der Schöpfer des Miniatur Wunderlands, des Schmidts Tivoli sowie der Hotels »Gastwerk«, »The George«, »Superbude« und der »25h Hotels« hat es in sich: Auf mehreren Etagen des »Pierdrei« verteilen sich nicht nur 212 Zimmer und die Wohnwägen der »Camper City«, sondern ganz oben der Dachgarten »Moon 46« mit Bar sowie ein Kino mit 440 Plätzen, der »Racker Room« als Entertainmentbereich für Kinder und Jugendliche, das Restaurant »Kitchens« sowie eine Kulturbühne. Nach fünf Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit hat das ungewöhnliche Hotel im September 2019 eröffnet.
Lange hieß es in der Presse: »Das Miniatur Wunderland baut ein Familienhotel.« In diese Schublade wollten die Brüder Frederik und Gerrit Braun sowie Sebastian Drechsler (Miniatur Wunderland), Norbert Aust (Schmidt Theater) und Kai Hollmann (Fortune Hotels) aber keinesfalls gesteckt werden. »Die HafenCity Hamburg stellte verschiedene Anforderungen an den Bauherrn der Mixed-Use-Immobilie sowie an den Hotelbetreiber. Das sollte nicht nur einen gewissen Kulturanspruch erfüllen, sondern auch familientauglich sein«, berichtet Stefan Pallasch, General Manager des »Pierdrei Hotel«. »Bei Projekten dieser Größenordnung müssen die Gäste, sprich die Eltern dann bekannterweise oftmals Kompromisse eingehen. Nicht so bei uns.« Neben designstarkem Interieur werden die Gäste auch kulinarisch mit hochwertiger, erwachsener Küche im hauseigenen Restaurant überrascht. Statt klassische Burger und Schnitzel mit Pommes frites hoch und runter zu servieren, bereitet das Team um Gastronomiedirektor Markus van Doorn Klassiker, inspiriert aus aller Welt, aber neu interpretiert und auf hohem Niveau zu. Sind die Kleinen satt, können sie in den »Racker Room«, den rund 200 Quadratmeter großen Aufenthaltsbereich mit verschiedenen altersgerechten Bereichen, entschwinden und werden dort von Erziehern betreut.
Regionaler Anlaufpunkt für Unterhaltung
Die Entscheidung für die HafenCity als Standort des Hotels begründet Pallasch mit dem Wunsch, dass auch Hamburger selbst die Angebote des Hotelkomplexes nutzen sollen: »Noch wird dieser Stadtteil von vielen Hamburgern übersehen. Wir wollen daher ein Haus von Hamburgern für Hamburger sein.« Meint: Nicht nur mit der Astor Film Lounge, auch auf der Hafenbühne soll jede Menge Unterhaltung für die Ortsansässigen geboten werden – von der Lesung über das Impro-Theater bis hin zum tollen Fußballabend.
Oftmals liegt das Gute so nah
Dass es auch günstiger geht, beweisen andere Hotelbetriebe, die bei der Erweiterung ihres Angebots für die Gäste auf Kooperationen setzen, wie das 25hours Hotel Zürich West. Um das Haus in diesem Geschäftsviertel der Stadt besser zu verankern, implementierte 25hours-CEO Christoph Hoffmann in Kooperation mit der Gärtnerei Meier kurzerhand den »wilden Gärtner« im Hotel. Einerseits ist der wilde Gärtner mit seinen 250 Quadratmetern Fläche ein Ladengeschäft, das Blumen und Pflanzen, Setzlinge sowie Gartenequipment verkauft, andererseits lädt es Hausgäste wie externe Besucher zum Verweilen ein.
Mitten im grünen Gewusel der Gärtnerei steht nämlich die Hotelbar »Ribelli Giardino«, die ein wöchentlich wechselndes Food-Angebot italienischer Klassiker sowie eine breite Getränkekarte bereithält. »So mancher hat unsere grüne Oase bereits als Co-Working-Space für sich entdeckt«, berichtet General Manager Anita Vogler. Ihr Wunsch: »Den wilden Gärtner als Wohnzimmer für den Kaffeeklatsch, als Treffpunkt für Meetings sowie als Marktplatz und Innovationsplattform im Quartier zu etablieren.« Im 25hours Zürich West können nicht nur Blumen und Pflanzen, sondern auch Bio-Weine, Bücher, die Möbel, auf denen die Gäste sitzen, sowie Vasen erworben werden. »Wir genießen als Hotelmarke eine gewisse Zugkraft und bieten regionalen Start-ups so die Chance, ihre Produkte zu testen.« Mittelfristiges Ziel ist es, die regionalen Waren rund um die Uhr verfügbar zu machen, wobei – neben einem digitalen Einkaufsprozess – insbesondere die 24 Stunden besetzte Hotelrezeption eine Rolle spielen könnte.
Für mehr Abwechslung zu Tisch
Auch die Lindner Hotels zeigen, wie es geht: Zur Strategie der Me and All Hotels gehört von Anfang an kein eigener Gastro-Schwerpunkt. »Da wir diese Häuser in sehr zentralen Lagen eröffnen, in denen bereits eine breite Gastronomie-Auswahl besteht, gibt es in unseren hauseigenen Lounges ein recht kleines Speisenangebot«, erklärt Catherine Bouchon. Dieses fällt dafür umso ausgefallener aus und nimmt Bezug zum Standort. »Da fügen sich wechselnde Pop-up-Restaurants aus der jeweiligen Stadt oder Region perfekt ins Konzept.« In Ulm genießen die Gäste beispielsweise japanische Spezialitäten von Kukku, in Mainz serviert Frittenlove und in Hannover gibt es mediterrane Küche von Mamas Tapas. »Aus unserer Sicht überwiegen die Chancen: Wir können unseren Gästen immer wieder eine neue Karte bieten, bringen die jeweilige Stadt ins Hotel, unterstützen lokale Partner und tragen nur indirekt das Risiko des Fachkräftemangels.«
Eine Herausforderung: Die Hotelgruppe muss sich auf die Zuverlässigkeit und Qualität des Pop-up-Pächters verlassen. »Hier haben wir bisher nur gute Erfahrung gemacht«, so Bouchon. In Zukunft könnte sich das Konzept als noch wertvoller erweisen, ist die Director Public Relations überzeugt. »Der Fachkräftemangel wird zunehmen, so können Synergien genutzt werden.« Auch in anderen Bereichen laufen bei den Lindner Hotels bereits Kooperationen, wie zum Beispiel mit lokalen Clubs, für deren Partyreihen die jeweiligen Lounges Location sind. »Außerdem vermitteln wir Gruppen für Tagungen oder größere Meetings an Eventlocations,
wenn unsere im Hotel verfügbaren Boardrooms zu klein sind.« Aber mal Hand aufs Herz: Sind solche Kooperationen kein Verlustgeschäft? Nein, sie sorgen sogar für Gewinn, wie Catherine Bouchon bestätigt: »Entweder zahlen die Pop-up-Betreiber Miete oder beteiligen uns am Gewinn. Eine klassische Win-win-Situation also.«
Tipp von Lars von der Wettern
»Um den Gästen mehr Abwechslung zu bieten, sollte man sich als Gastgeber eine gewisse kreative Flexibilität aufbauen. Es gilt, neue Ideen einfach mal auszuprobieren. Sie dürfen dabei auch klein starten. Möchten Sie beispielsweise ein besonderes Kaffeespezialitäten-Angebot starten? Warum dann nicht mal eine mobile Kaffeebar in Form eines Coffee-Bikes ins Foyer stellen und schauen wie es ankommt? Danach können Sie weiterplanen – die Gäste verstehen, wenn anfangs nicht gleich alles komplett perfekt ist. Wichtig: Bewahren Sie sich Professionalität! Das neue Konzept muss zum Haus passen, um glaubwürdig bei den Gästen anzukommen. Schauen Sie sich einfach mal in der Umgebung Ihres Hauses um, vielleicht gibt es ein regionales Weingut oder einen ortsansässigen Galeristen, für die Ihr Haus ein gemeinsamer Anlaufpunkt sein könnte, denn klar ist nicht erst seit Corona: Lokale Produzenten kommen unheimlich gut an!«