Gastro Gardening
Foto: Café Botanico

Gastro-Gardening

Vom Garten auf den Teller – der »Grow-your-own«-Trend macht es möglich ...

von Daniela Müller
Sonntag, 10.04.2016
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Die Mühe lohnt sich: nicht nur weil der Koch auf diese Weise sein Repertoire an Zutaten durch besondere Sorten erweitern kann. Es ist wohl in so manchem Fall auch ein leiser Protest gegen die Auswüchse der industriellen Landwirtschaft – und natürlich eine einzigartige Gelegenheit, die eigenen Gäste mit maximaler Frische und Transparenz zu beeindrucken.

Martin Höfft im Cafe Botanico
Martin Höfft bietet im Garten des Café Botanico Führungen an, z. B.
zum Thema Stadtgärtnerei. Foto: Café Botanico

Café Botanico in Berlin

Trau nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst«, fordert ein hölzernes Schild am Eingangstor der grünen Oase mitten in Berlin-Neukölln. Hier befindet sich die biologische Gärtnerei des Café Botanico, die 2012 in einer verwilderten ehemaligen Kleingartenanlage in einem Hinterhof errichtet wurde. Martin Höfft, Gastronom und leidenschaftlicher Gärtner, kultiviert hier auf 1.000 Quadratmetern alte Gemüsesorten, Obst und Wildpflanzen in naturnahem Anbau nach dem Vorbild der Permakultur. Darunter versteht man ein Ökosystem, das ganzjährig und möglichst viele Jahre lang »in Betrieb ist«.

Teller mit Wildkräutern vom Cafe Botanico
Wildkräuter, Blüten- und Blatt-
salate kommen im Café Botanico
regelmäßig auf den Tisch.
Foto: Café Botanico

Die Natur bestimmt den Speiseplan

Im angrenzenden Café erleben die Gäste dann die einzigartige Fusion von italienischer Handwerksküche mit dem städtischen Waldgarten. Der Küchenchef ist Höffts Schwiegervater – er ist Italiener und ein erfahrener Gastronom. Das ganze Jahr über bringt er die geernteten Wildkräuter, Wildgemüse und teilweise auch alte Kulturpflanzen frisch aus dem Garten auf die Teller. Die Verarbeitungsmöglichkeiten sind dabei vielfältig und hängen von der jeweiligen Saison ab. Für die Wildpflanzen gibt es je nach Entwicklungsstadium verschiedene Verwendungsarten. Gerade gekeimt oder im Zweiblattstadium, wird daraus etwa ein frischer und zarter Wildkräutersalat.

Um die 15 und mehr verschiedene Arten können je nach Erntemonat auf so einem »Gartenteller« landen. Die etwas größeren Blätter werden fein gehackt unter die Pasta oder das Risotto gemischt. »Eine dritte Möglichkeit ist die Verwendung der großen Blätter als Blattgemüse. Dabei werden sie wie Spinat oder Mangold zubereitet und als Gemüsebeilage verwendet«, verrät der pas­sionierte Gärtner. Je nach Saison kommen die reifen Gemüsesorten wie Tomaten, Topinambur, Kohl und Bohnen mit auf die Speisekarte. Kräuter mit ätherischen Ölen werden zu Limonaden und Tees verarbeitet. Dank der Bienenstöcke im Garten kann Höfft in seinem Café sogar »Echt Neuköllner Honig« verkaufen.

Back to the roots

»Unser Konzept verbindet traditionelle italienische Gastronomie mit brandaktuellen Themen wie städtische Landwirtschaft, Selbstversorgung und Ernährungssouveränität«, sagt der Gastronom. Die Gäste finden es gut. Seine Führungen durch den Garten werden rege besucht. Kein Wunder, schließlich ist ein wenig »back to the roots«, was in diesem Zusammenhang ganz buchstäblich gemeint ist, gerade in Metropolen wie Berlin für so manchen Gast ein echtes Aha-Erlebnis.


Wohnwagen im Garten
Mitten im Grünen schlafen die Gäste des Hotels Daniel Vienna –
vorausgesetzt, sie entscheiden sich für eine »Nächtigung im Trailer«.
Foto: Hotel Daniel Vienna

Hotel Daniel Vienna in Wien

Die Stadt als Anbaufläche für Lebensmittel zu nutzen, ist auch bei unseren Nachbarn in Österreich derzeit sehr angesagt. So werden die Gäste des 4-Sterne-Hotels Daniel Vienna, das sich übrigens direkt neben einer Wiener Hauptverkehrsader befindet, von einem Trailer, der auch als Hotelzimmer dient, und von selbst gezogenem Gemüse und Weinreben im Vorgarten begrüßt. Hotelier Florian Weitzer war bei der Außengestaltung seines Wiener Hotels mutig: Auf den rund 3.000 Quadratmetern rund um das Hotel wachsen unzählige Küchenschätze, wie z. B. ­Tomaten, die in Bäckerkisten gedeihen, Gurken, Kürbisse und natürlich Kräuter aller Art. Auf dem Dach wurden Apfelbäume – allesamt alte Sorten – gepflanzt, deren Blüten das Leben der Bienen in den fünf hoteleigenen Bienenstöcken versüßen.

Rezeptionsbereich im Hotel Daniel Vienna
Auch das Design des Rezeptionsbereichs setzt auf natürliche Materialien
und Understatement. Foto: Hotel Daniel Vienna

Understatement aus Überzeugung

Selbstverständlich kommen die Früchte des eigenen Gartens in der Hotelgastronomie, der Bakery, zum Einsatz: Die Trauben der schädlingsresistenten Weinreben aus dem Vorgarten werden zu Sirup verarbeitet. Das Gemüse und die Kräuter finden in der ­ Küche Verwendung. »Mit den Schätzen des Kräutergartens wird z. B. ein Öl hergestellt, das für verschiedene Zubereitungen in der Bakery verwendet wird, z. B. bei den Eierspeisen«, verrät Ulli Leonhartsberger, Pressesprecherin des Hotels Daniel Vienna.

Auf Programmpunkte, die darauf abzielen, den Gästen das Urban-Farming-Projekt näherzubringen, verzichtet das Hotel übrigens ganz bewusst. »Es geht uns nicht darum, unseren Gästen etwas aufzudrängen. Wir setzen ganz klar auf Understatement und betreiben Urban Farming vor allem, weil wir es toll finden. Gäste, die Interesse daran haben, fragen uns einfach«, so Ulli Leonhartsberger.

Honik aus dem Garten
Der Honig, den die hoteleigenen
Bienenvölker produzieren, wird
im Shop verkauft. Foto: Hotel Daniel
Vienna

Mehr als ein Naturkult

»Säen, pflanzen und ernten entspricht der neuen alten Sehnsucht, Teile der eigenen Nahrung zu erzeugen«, erklärt Florian Weitzer seine Faszination für das Urban Farming. Und fügt hinzu: »Im Garten gibt es keinen Stillstand! Ebenso wenig in unserem Haus, in dem wir mit großer Passion laufend an Veränderung und neuen Ideen basteln, die moderne Reisende schätzen.« Er möchte »Smart Luxury« vermitteln – Luxus, der nichts aufdrängt, sondern mit außergewöhnlichen Details rund um Ausstattung und Features überrascht und inspiriert. Und dazu gehört eben, dass die Gäste ein Stück heile Natur mitten in der Stadt genießen können.


Kräutergarten vom Laurus Vital
Auf dem Gelände rund um das Restaurant befindet sich heute ein schön
angelegter Kräuter- und Nutzgarten. Foto: Laurus Vital

Laurus Vital in Hartmannsdorf

Das Restaurant Laurus Vital in Hartmannsdorf bei Chemnitz war ursprünglich ein kleiner Biomarkt mit Bistro. Zusätzlich boten die Inhaber Carola und Norbert Hanussek so erfolgreich Kochkurse an, dass sie schließlich ihr Konzept änderten und ein Restaurant mit angeschlossener Kochschule eröffneten. Eine goldrichtige Entscheidung, denn das Laurus Vital hat sich mittlerweile zu einem beliebten Anlaufpunkt für Gourmets gemausert, die gemäß der Slow-Food-Philosophie verantwortungsvoll und gesund genießen möchten.

Schon lange ist das Team des Restaurants mit dem »Kräutervirus« infiziert. »Das notwendige Wissen haben wir uns in Fortbildungen und auch autodidaktisch angeeignet«, sagt Norbert Hanussek. »Als wir vor sieben Jahren das Konzept für unser Restaurant entwickelt haben, war der Kräuterboom noch gar nicht abzusehen. Uns war es aber wichtig, zu zeigen, welche Alternativen es zu Geschmacksverstärkern gibt, die wir natürlich nicht verwenden.«

Ronny Otremba
Der Küchenchef des Restaurants
Laurus Vital, Ronny Otremba,
ist längst mit dem »Kräutervirus«
infiziert. Foto: Laurus Vital

Im Winter wird vom Bio-Hof zugekauft

Das Gelände rund um das Restaurant bot dem Gastronomen-Ehepaar die Möglichkeit, einen Kräutergarten anzulegen. Hier wächst eine unglaubliche Vielfalt an »natürlichen Geschmacksverstärkern«: Basilikum, Beifuß, Borretsch, Estragon, Fenchel, Guter Heinrich, Holunder, Koriander, Lavendel, Pimpinelle, Zitronenmelisse und viele mehr. Außerdem kann sich das Küchenteam hier an frischen Möhren, Radieschen, Kürbissen, Zucchini, Zwiebeln und Wildobst etc. bedienen. »In den Wintermonaten kaufen wir Kräuter vom Bio-Hof aus dem Nachbarort. Von dort bekommen wir auch unser Biogemüse, denn unsere Verbrauchsmengen können wir mit dem Eigenanbau nicht decken«, so Hanussek.

Neben den Kochkursen dient auch die Speisekarte dazu, den Gästen das Thema Kräuter ans Herz zu legen: Jeden Monat wird ein neuer Einleger produziert, mit Informationen über ein bestimmtes Kraut, das in den Speisen Verwendung findet. Auf Zutaten aus Eigenanbau weisen die Gastronomen in ihrer Karte hin. Und bei schönem Wetter lässt sich der Kräutergarten auch wunderbar selbst erkunden – denn er liegt direkt vor dem Haus.


Breiers Kräutergarten
Den wunderschönen alten Fachwerkhof hat Alfons Breier in ein gemütliches
Gasthaus umgewandelt. Foto: Silke Bärisch-Müller

Breiers Kräutergarten in Wriezen

Direkt am Abhang zum Oderbruch liegt der wunderschöne alte Fachwerkhof, den Alfons Breier in ein gemütliches Gasthaus umgewandelt hat. Breier, eigentlich gelernter Fleischer, hat seine Leidenschaft für Kräuter, Beeren und seltene Gemüsesorten schon vor vielen Jahren entdeckt. Besonders im Sommer dreht sich die gesamte Küche um den Garten des Hauses und seine Erzeugnisse. »Je nach Witterung und Gärtnerglück wachsen bis zu 260 verschiedene Pflanzenarten auf unserem 6.000-Quadratmeter-Grundstück«, so Alfons Breier. Angebaut werden Wild- und Kulturkräuter, Gemüse und essbare Blüten, aber auch Obst, Beeren und Wein. Vom Ackerschachtelarm bis zu Zinnkraut und dem Zitronenbaum ist alles vertreten, was bekannt oder auch ein bisschen exotischer ist.

Wildkräuter auf Teller von Breiers
Je nach Saison kommen die
geernteten Produkte direkt auf
den Tisch. Foto: Silke Bärisch-Müller

Genießen im Duftgarten

Je nach Saison kommen die geernteten Produkte aus dem Garten direkt auf den Tisch – als Suppen, Salate oder in verschiedenen Gerichten kreativ verarbeitet. Alfons Breier: »Wir machen daraus auch Eis, Sorbet, Limonade, Likör, Saft, Wein, Tee und unser hauseigenes Kräuterwasser sowie Blechkuchen, Brot und Blütentorten. Eine Grenze setzt uns dabei nur die Natur.« Zudem verarbeitet das Küchenteam einen Teil der Ernte zu Produkten, die im Hofladen angeboten werden: Frucht- und Brotaufstriche, Ketchup-Variationen, Pesto, Salz- und Zuckermischungen mit Kräutern oder Blüten, Tees, Würzmischungen und vieles mehr werden hier verkauft.

Zur Philosophie des Hauses gehört es auch, die Gäste für das Thema Eigenanbau zu sensibilisieren. In speziellen Kräuterseminaren mit Kräutermenü und einer Führung durch den Kräuter- und Gemüsegarten vermittelt der Küchenchef wertvolles Wissen über Küchen- und Heilkräuter. Wem das nicht ausreicht, der kann in einem Kochkurs seine Kenntnisse über Kräuter, Öle und Salze vertiefen. Und zum entspannten Genießen bietet
Alfons Breier im Duftgarten Gästeplätze inmitten der Pflanzen und Blüten.


Köchin Maria Menne
Köchin Maria Menne holt die Kräuter für ihre kulinarischen Kreationen
aus dem Restaurantgarten. Foto: Waldhotel Schäferberg

Waldhotel Schäferberg in Kassel

Nur wenige Schritte vom Waldhotel Schäferberg entfernt wurde der
lang gehegte Traum der Küchenleitung des Hauses, Uwe ­Zlydnik und Maria ­Menne, verwirklicht: der hoteleigene Kräutergarten. Hier können die Gäste Kräuter aus der Heimat genauso wie mediterrane und asiatische Sorten entdecken – manchmal sogar einen echten Exoten wie die Wilde Kiwi. »Jeder, der selbst einen Garten hat und etwas anbaut, weiß, wie schön es ist, durch den duftenden Garten zu gehen, sich inspirieren zu lassen und damit Gerichte herzustellen bzw. diese zu verfeinern«, schwärmt Uwe Zlydnik.

Küchenleiter Uwe Zlydnik
Für den Küchenleiter des
Waldhotels Schäferberg,
Uwe Zlydnik, sind Kräuter
natürliche Geschmacks-
verstärker. Foto: Waldhotel
Schäferberg

Kräuter sind natürliche Geschmacks-Booster

Da es sich das Küchenteam auf die Fahnen geschrieben hat, ohne künstliche Geschmacksverstärker auszukommen, werden die geernteten Kräuter als natürliche Geschmacks-Booster eingesetzt. »Natürlich müssen wir auch Kräuter zukaufen, weil der Ertrag aus dem Garten nicht immer ausreicht«, räumt Zlydnik ein. Aber wo es geht, verwende man die eigenen Produkte. Eine Vision des Schäferberg-Teams ist es, mit ihrem Kräutergarten insbesondere junge Menschen wieder für Selbstgekochtes zu begeistern, getreu dem Motto: Weg von der Kühltruhe, hin zum eigenen Topf mit Kräutern auf der Fensterbank. Interessierten Gästen bietet das Hotel deshalb Kräuterführungen an – und Tagungsgäste kommen auf Wunsch in den Genuss einer »sinnlichen Kräuterpause«: Beim Spaziergang durch den Kräutergarten plaudert der »Kräuterkoch« über die Heilkraft der Pflanzen und deren Verwendung in der Küche. Danach darf natürlich »kräuterlich« geschlemmt werden.


Kräutergarten im Gut Ising
In den Beeten auf Gut Ising am Chiemsee gedeihen allerlei Kräuter.
Foto: Gut Ising

Gut Ising am Chiemsee

Kennen Sie Mieze Schindler? Falls nicht, können Sie auf Gut Ising am Chiemsee ihre Bekanntschaft machen: Es handelt sich dabei nämlich um die kleinwüchsige, aromatische Erdbeer-Sorte, die im Restaurantgarten von Gunnar Huhn reift. Huhn ist Chefkoch im Gourmet-Restaurant Usinga auf Gut Ising. Seit August 2012 verwöhnt er hier seine Gäste mit gehobener Alpenkulinarik und ausgewählten regionalen Produkten. Einige davon wachsen – und darauf ist der gebürtige Dresdner stolz – im restauranteigenen Kräutergarten: Im Beet gedeihen z. B. Rosmarin, Thymian, Bohnenkraut, Majoran, Salbei, Maggikraut, Zitronenverbene, Minze, Zitronenmelisse, Olivenkraut, Sauerampfer, Kapuzinerkresse, Ringelblumen und Schafgarbe. Vom Golfplatz und von der Wiese am Weiher holt Huhn seine Brennnesseln, Gänseblümchen, Bärlauch, Spitzwegerich und besagte Erdbeere namens Mieze Schindler. Zum Einsatz kommen all diese köstlichen Naturzutaten zur Würze, für den Pfiff und für die Deko von Huhns Kreationen. Eine seiner neuesten Genussempfehlungen sind beispielsweise fermentierte Bärlauchknospen. »Ganz neu und absolut im Trend ist auch Sauerklee, den man statt Zitrone als Würze und Säure einsetzen kann«, verrät Huhn. »Den habe ich natürlich auch hier angesät.«

Küchenchef Gunnar Huhn
Seit August 2012 ist Gunnar
Huhn Chefkoch im Restaurant
Usinga. Foto: Gut Ising

Eine Frage der Frische

Was hat den Koch bewogen, selbst zu Schaufel und Harke zu greifen – anstatt bequem beim Händler zu ordern? »Das waren ökonomische Gründe und eine Frage der Frische. Kräuter und Deko-Blüten aus dem Großhandel sind teuer und nicht lange haltbar«, erklärt Gunnar Huhn. Die Kräuter und Dekoblüten aus seinem Kräutergarten pflückt er um 17 Uhr und bringt sie um 18 Uhr frisch auf den Teller. Und noch etwas ist dem Usinga-Chefkoch wichtig: In puncto Energiebilanz kann er sich absolut sicher sein, dass er keine Kräuter und Blüten aus Indien oder Holland verarbeitet, sondern dass alle aus seinem eigenen Bio-Anbau stammen und dank der Chiemgauer Sonne gewachsen sind.

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