Fight Club: Servicepauschale statt Trinkgeld
Stimmt so! Findet zumindest der Gast.
von Andrew FordycePRO
»Wir brauchen eine kalkulierbare Wertschätzung für das Personal
»Trinkgeld« – schon der Begriff ist unzutreffend! Der Gast honoriert eine Zusatzleistung, die sich in gutem Service – etwa freundlicher Bedienung oder einem von der Küche erfüllten Extrawunsch – ausdrückt. Aber Service wird in Deutschland schlicht als selbstverständlich genommen. Da in Branchen wie im Foodservice durch geringe Margen, bedingt durch steigende Waren- und erschlagende Mietpreise bzw. Personalkosten, überwiegend Mindestlöhne gezahlt werden, schmerzt der Mangel an Wertschätzung bei Mitarbeitern in der Hotellerie und Gastronomie doppelt: finanziell und im Hinblick auf die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung.
Eine Servicepauschale ist unter verschiedenen Aspekten von Vorteil: Der Kunde kann sich durch den ausgewiesenen Prozentsatz auf den Betrag der Endrechnung von vornherein einstellen und muss bei Zahlung nicht – mitunter mit Blick auf den Nachbartisch – herumjonglieren, wie viel Trinkgeld er geben sollte.
Zudem: Die gesamte Klientel zahlt, also auch Sparfüchse, die generell ihr Portemonnaie festhalten, oder bei Kartenzahlung, wo der Tip hinten runterfällt, weil er aus Unkenntnis nicht mit auf die Rechnung kommt. Ganz wichtig: Von der Pauschale profitieren alle Mitarbeiter, also auch diejenigen, die nicht unmittelbar in Kundenkontakt stehen, wie das Küchenpersonal. Hier greift Wertschätzung rundum.
Die Foodservice-Branche ist ein stark wachsender Wirtschaftszweig, da Gastronomie immer mehr Bestandteil unseres Alltags wird. Das zeigen innovative Konzepte in der Stadtplanung, wo Gastronomie, Arbeitswelt und Wohnraum zusammenrücken. Gastronomie wandelt sich zum sozialen Bestandteil mit Integrativfunktion und darüber hinaus synergetisch zum ökonomischen Anziehungspunkt, etwa für den Einzelhandel. Das schafft Arbeitsplätze und somit die betriebswirtschaftlich relevante Frage nach guten, beständigen Mitarbeitern. In den USA zeigt sich, dass Restaurants mit bis zu 22 % hohen Servicepauschalen schnell Mitarbeiter finden bzw. die Fluktuation gering halten können. In Deutschland sollte das ungeschriebene Gesetz von 10 % Trinkgeld als 12-prozentige Servicepauschale manifestiert werden. In diesem Kontext plädiere ich natürlich auch dafür, dass die Restaurantrechnung lediglich mit 7 % statt 19 % MwSt. belegt wird.
CONTRA
»Pauschale – nein danke, das würde nur Symptome lindern«
Generell ist das »System Trinkgeld« fragwürdig, diskutabel und in meinen Augen überarbeitungspflichtig. Nun aber eine generelle Trinkgeldpauschale einzuführen, halte ich für zu kurz gedacht. Das würde lediglich die Symptome lindern und nicht die Ursachen bekämpfen, mit denen unsere Branche zu kämpfen hat. Und das aus mehreren Gründen.
Zum einen sollte nicht jeder Service pauschal entlohnt werden, weil dieser höchst unterschiedlich und konzept-abhängig geleistet wird. Kehre ich
beispielsweise in eine Systemgastronomie ein, erlebe ich dort als Gast ganz sicher eine andere Serviceleistung, als es etwa in einem hochindividuellen, inhabergeführten Restaurant der Fall ist, bei dem mit Herzblut gearbeitet wird. Wir bezahlen ja auch keinen restaurant-unabhängigen Pauschalbetrag für
einen Hauptgang, warum also sollte man den Service so entlohnen?
Eine Branche, die mit massivem Nachwuchs- und Fachkräftemangel konfrontiert ist, tut gut daran, mehr für ihr Image zu tun und die bisherigen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Folgerichtig würde ich mir wünschen, dass die Löhne angehoben werden können, indem man realistische Preise verlangt, somit auch sozialversicherungspflichtige Beiträge gezahlt, Renten verbessert werden etc. Damit geht für mich einher, mehr Wertschätzung für geleistetes Handwerk zu fordern und zu fördern. Betriebe könnten mit einer Umsatzsteuersenkung zusätzlich entlastet werden, um so höhere Löhne zu gewährleisten.
Generell ist das »System Trinkgeld« fragwürdig
Jeder Servicekraft, ob gelernt oder ungelernt, einen Pauschalbetrag in Aussicht zu stellen, ist meines Erachtens das falsche Signal! Ist ein Gast unzufrieden, so teilt er das selten mit, eher subtil, häufig eben auch durch gar kein bis wenig Trinkgeld. Möge Gott uns beistehen, jeder unzufriedene Gast mit Internetzugang muss eine Servicepauschale entrichten! Bewertungsportale wären von noch mehr unqualifizierten, wutentbrannten Rezensionen gepflastert.
Die Freiheit, schlechten Service nicht extra zu bezahlen, hätte ich auch gerne weiterhin. Gefällt mir ein Restaurantbesuch besonders gut, habe ich schließlich auch die Freiheit, deutlich mehr als die üblichen 10 % zu geben.