Eine kulinarisch runde Sache
Foto: Sven Schiffauer

Eine kulinarisch runde Sache

Ein neues Hochleistungszentrum für die deutsche Fußball-DFB begeistert mit spektakulärer Architektur und einzigartigem Verpflegungskonzept

von Karoline Giokas
Dienstag, 12.07.2022
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Hier trainieren die Weltmeister, werden solche in Taktiken eingewiesen, die es noch werden wollen, nehmen Trainer und Coaches an Weiterbildungen teil und diskutieren Vorstände und Präsidien über die Zukunft des deutschen Fußballs – wir befinden uns im DFB-Campus in Niederrad. Er ist das neue Leistungssportzentrum des Deutschen Fußball-Bundes, das am 1. Juli 2022 offiziell in den Vollbetrieb ging und in einem Neubau nicht nur die DFB-Akademie, sondern gleichzeitig auch die bisherige Verbandszentrale aus dem Frankfurter Stadtwald an einem 15 Hektar großen Standort bündelt.

Koch gibt am Pass Speisen aus
Foto: Kay Herschelmann

Ungeahnte Dimensionen

Etwa 30.000 Quadratmeter fassen die dreieinhalb Naturrasen-Plätze im Freien, in einer Halle ist ein Kunstrasen-Platz in regulärer Größe mit allerlei technischen Finessen untergebracht und um die 600 Mitarbeiter ziehen in den kommenden Wochen in das knapp 80.000 Quadratmeter große neu errichtete Gebäude ein. Etwa 300 Meter ist der gesamte Komplex lang, ein Gang zieht sich der Länge nach einmal vom einen zum anderen Ende komplett durch und bildet damit eine zentrale Achse. 

Nach dem öffentlichen Haupteingang an der Kennedyallee 274 (1974 ist die deutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal Fußballweltmeister geworden) öffnet sich die repräsentative Eingangshalle, von der zur linken Seite der Flügel des DFB-Verwaltungstraktes abgeht, zur rechten gelangt man in die DFB-Akademie. In den 33 Zimmern dieses Athletenhauses nächtigen meist Trainer und Coaches, die an Veranstaltungen teilnehmen. 

Darüber hinaus stehen auch noch über 40 verschiedene Konferenzräume, darunter ein knapp 200 Quadratmeter großer Pressekonferenzsaal, zur Verfügung. On top kommen natürlich Fitness-Bereiche und ein High-Tech-Performance-Center, Seminar- und Schulungsräume, ein Parkhaus mit 323 Stellplätzen für Autos, für Räder stehen 200 Plätze parat – und sowohl für Autos als auch E-Bikes gibt es Stromtankstellen. Auf rund 150 Millionen Euro sollen sich die Investitionen dieses Jahrhundertkomplexes belaufen.

Der DFB Campus
Foto: DFB

Und was ist mit dem leiblichen Wohl?

Angebote dafür gibt es hier ab Juli 2022 in Hülle und Fülle – alles auf Basis von Frischküche! Zum einen steht in der ersten Etage des Neubaus, direkt oberhalb des Zentraleingangs gelegen, ein Betriebsrestaurant mit 100 Plätzen für die DFB-Mitarbeiter zur Verfügung. Das Angebot startet hier bereits morgens ab 8 Uhr mit dem Frühstücksservice, ab 11.30 Uhr findet die klassische Mittagsverpflegung statt. Zum anderen liegt im Eingangsbereich des DFB-Gebäudes eine bis 17 Uhr für die Öffentlichkeit zugängliche »Sportsbar«. Morgens bietet sie alles für ­einen guten Start in den Tag, mittags sitzt hier der Schiri in der Pause seines Lehrgangs, genießt ein deftiges Mittagsmenü, nachmittags gibt’s noch einen Kaffee mit hausgemachtem Kuchen. Abends gesellt er sich dann wie in einem Hotel eben auch an die Bar und lässt den Abend bei Fachdiskussionen mit Kollegen über ausgeklügelte Spieltaktiken ausklingen oder wohnt der Live-Übertragung ­eines Fußballspiels auf einem der Screens bei. 

Und unsere »Fußballhelden« kochen etwa selbst? Weit gefehlt! Die Verpflegung der Profispieler läuft selbstverständlich parallel – und das mehr oder weniger rund um die Uhr (mehr dazu später): »Im DFB-Campus kommt eine Vielzahl an verschiedenen Gästegruppen zusammen, die man sonst in der gewohnten Betriebsverpflegung so nicht findet«, erklärt Oliver Vellage. Als Mitglied der Geschäftsleitung von Dussmann verantwortet er künftig mit einem Team von rund 40 Mitarbeitern sämtliche kulinarischen Belange auf dem DFB-Campus. 

»Fällt der Begriff DFB, denken viele Menschen, dahinter stecken ausschließlich die Fußballspieler selbst. Dabei besteht der Verband im Hintergrund aus einem Verwaltungsapparat, dem gesamten Team der DFB-Akademie, zu dem auch die Schiris und Trainer zählen, die die Mannschaften trainieren, sowie der Nachwuchs. Alle eint eine Leidenschaft: der Sport – und genau dieser spielt auch in der Speisenplanung eine tragende Rolle.«

Ein Koch kocht essen im Kipper
»Unser Anspruch ist es, mit unserer Verpflegung zu den Höchstleistungen unserer Fußballerinnen und Fußballer beizutragen.« Foto: Sven Schiffauer

Wer darf an die Töpfe?

»Auf dem DFB-Campus sind die meisten Beschäftigten in gewissem Grad sportlich motiviert und möchten dementsprechend ihre Ernährung gestalten. Für uns als Dienstleister im Catering ermöglicht dieser Aspekt, viel Neues hinsichtlich der Menüerstellung auszuprobieren, wofür die Gäste klassischer Mitarbeiterrestaurants nicht bereit wären«, stellt Vellage fest. »Die DFB-Gäste sind offen für andere Ernährungsformen, beispielsweise für Themen wie die Steuerung von guten Lebensmitteln und passgenauen Portionen, die Zucker-, Salz- und Fett­reduzierung, stehen aber auch neuen Topics wie der pflanzlichen Ernährung offen gegenüber.« 

Kein Wunder daher, dass es hier dementsprechend einer besonderen Ernährungskompetenz bedarf und das Dreigestirn des kulinarischen Dussmann-Führungsteams am DFB-Campus daher aus Betriebsleiter Ulf Kleinert, Küchenchef Manuel Cardoso sowie der Ökotrophologin Katharina Feucht besteht. Letztere Position stand seit Projektbeginn bis zuletzt unter der Verantwortung von Catering-Expertin Sarah Dietrich. »Sie hat sich gerade in den Mutterschutz verabschiedet, bildete aber mit ihrem sportlichen Background unseren kleinen Trumpf im hart umkämpften, langen Wettbewerb um die Catering-Vergabe«, so Vellage.

Bisher sah sich Dussmann Food Services, wie Vellage selbst sagt, als »hidden champion« der Branche, trat bei der Ausschreibung des DFB-Campus gegen das Who’s who der Gemeinschaftsverpflegung an. »Wir sind mit einem bereits fertig aufgestellten Team aufgetreten, haben aber nicht versucht, mit vorgefertigten Konzepten zu überzeugen, sondern vielmehr das DFB-Team zu verstehen«, berichtet Oliver Vellage. Gepunktet hat Dussmann Food Services schließlich mit einem individuell zugeschnittenen, ökotrophologisch basierten Ernährungskonzept, bei dem sich alles um Frische, ohne jegliche Convenience, dreht.

Im DFB-Campus kommt eine Vielzahl an verschiedenen Gästegruppen zusammen, die man sonst in der gewohnten Betriebsverpflegung so nicht findet

Oliver Vellage, Dussmann

Ganztagesverpflegung wie im Hotel

»Eine Frischküche mit saisonalen Produkten aus der Region, und das auch noch mit 100 Prozent Bio-Anteil, anzubieten wäre utopisch und nicht glaubwürdig vermittelbar gewesen«, betont der 56-jährige Vellage. Stattdessen soll der Anteil an Bio-Produkten bis zur Hälfte des Angebots betragen. Saisonalität bedeutet dabei nicht etwa, das Obst und Gemüse für die täglich rund 600 Essen des Betriebsrestaurants aus dem Gewächshaus zu holen. »Das darf direkt aus dem Land kommen, wo es eben gerade wächst.« 

Eine »Extrasuppe« in diesem Sinne kocht das Dussmann-Team für die Profispieler nicht. »Alle Gerichte werden für alle Catering-Bereiche des DFB-Campus auf gleich hohem Niveau zubereitet«, bestätigt Vellage und gibt dann ein Beispiel: »Manuel Neuer bekommt die gleichen Hülsenfrüchte als Beilage zubereitet wie jeder andere Gast im Mitarbeiterrestaurant – von der Rezeptur über die Zubereitung bis zur Darreichung.« Der entscheidende Unterschied: Die Speisepläne der Spieler werden zunächst als Rahmenplan mit einer Einheitspreiskalkulation vorgefertigt. Sobald die Mannschaften dann am DFB-Campus vor Ort sind, werden die Menüs in Absprache mit den jeweils eigenen Sportmanagern und Ernährungsberatern und in Abhängigkeit der Trainingseinheiten der Teams feingetunt – also letztlich hinsichtlich ihres Nährwertgehalts und der finalen Preisauswertung ausgestaltet. Meist sind diese wesentlich hochkalorischer als »normale« Gerichte.

Alles also gar nicht mal so glamourös, wie man es sich vielleicht vorstellen mag. »Hier ist alles vor allem eines: praktikabel«, betont der Dussmann-Manager. Während nämlich die Mitarbeiter aus den Verwaltungsbereichen mittags im öffentlichen Bereich des Restaurants essen, sammeln sich die Spieler nebenan im räumlich getrennten Separee zum gemeinsamen Essen bei einer taktischen Strategie­besprechung. Häufig trainieren die Mannschaften auch bis in die späten Abendstunden, bekommen danach reihenweise physiotherapeutische Anwendung und müssen anschließend ihre Energiespeicher mit hochwertigen Speisen auffüllen. »Wir führen sozu­sagen eine 7-Tage-Woche, fast sogar  einen 24-Stunden-Betrieb. Wir sind praktisch wie ein Hotel – nur sportlicher«, so Vellage. 

Eine Aufbereitung des Menüplans ist daher meist nicht länger als zehn bis 14 Tage im Voraus machbar. Zum einen hängt der Menüplan vom frischen Angebot auf dem Markt ab, zum anderen von den individuellen Anforderungen der Mannschaften, die oftmals nicht vier oder fünf Wochen im Voraus festgelegt werden können.

Experiment Ernährungsplan

In seinem Food Service Innovation Lab beschäftigt sich Dussmann schon lange in der Tiefe mit Lebensmitteln, die teils in Vergessenheit geraten und damit von den Speisekarten verschwunden sind. »Oftmals passen diese aber wunderbar in eine nachhaltige, vollwertige Ernährungsweise, da sie hervorragende Mineral- und Nährstoff­lieferanten sind und sich sehr gut vor- und zubereiten lassen. Man denke beispielsweise an die verschiedenen alten Getreidesorten wie Dinkel und Roggen, aber auch an Hülsenfrüchte«, erklärt Oliver Vellage, Leiter der Dussmann-Region Mitte.

»Am DFB-Campus können wir das Thema Ernährungswende sozusagen am lebenden Objekt ,ausprobieren‘. Wir können hier Dinge bei der Ernährung der Sportler umsetzen, die in der klassischen Mitarbeiterverpflegung schlichtweg noch nicht umsetzbar sind – etwa, weil die Kunden oder aber die Tischgäste noch nicht so weit sind. Ein Beispiel ist das Zurückfahren von tierischen Proteinen auf dem Menüplan.«

 

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