Die Digitalisierung geht viral
So hat Corona die Digitalisierung in der Hotel- und Gastronomie-Branche vorangetrieben
von Michael EichhammerSelbst die größten Nostalgiker entdeckten, in welchen Bereichen kontaktloser Service und automatisierte Prozesse Vorzüge bringen. »Die Digitalisierung der Branche war überfällig«, sagt Stephan Krippendorf, Marketingleiter bei Betterspace. Das Unternehmen unterstützt die Branche auf dem Weg der Digitalisierung. »Wir haben definitiv während des Lockdowns gemerkt, dass das Interesse von Hoteliers an digitalen Tools von der App über den Check-in hin zu weiteren digitalen Kommunikationsmöglichkeiten deutlich gewachsen ist«, plaudert der Experte aus dem Nähkästchen.
Digitalisierung im Restaurant
Insbesondere während des Shutdowns haben sich digitale Lösungen bewährt, mit denen ein Betrieb sein Geschäftsmodell schnell an die besonderen Umstände anpassen konnte. Beispielsweise, indem kurzerhand die Inhouse-Gastronomie in einen temporären Liefer- und Take-away-Service umgewandelt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Betriebe, die solche zusätzlichen Umsatzbringer für sich entdeckt haben, diese auch in Zukunft anbieten und nachhaltig als zusätzliche Einnahmequelle einstufen werden.
»Sowohl während des Shutdowns als auch nach der Wiedereröffnung der Gastronomie hat sich der digitale Bestell- und Bezahlvorgang als sinnvoll erwiesen«, berichtet Andreas Jonderko, Geschäftsführer des Kassensystem-Anbieters Gastronovi. »Gäste können im Vorfeld des Restaurantbesuchs oder vor Ort die Speisekarte auf dem eigenen Smartphone einsehen und direkt online bestellen.« Dass man auf diese Weise auch Ressourcen übersichtlich planen kann, ist ein Nebeneffekt, der sicher auch nach der Krise für den Einsatz dieses Tools spricht. Bargeldloses Bezahlen erlebt durch Corona einen Boom. Gastronovi geht noch einen Schritt weiter – mit der papierlosen Belegausgabe per QR-Code-Scan.
»Auch das digitale Tischreservierungssystem zeigte sich insbesondere während des Restarts als gute Unterstützung für die Gastronomen«, berichtet Andreas Jonderko. Mit Hilfe eines
digitalen Tischreservierungssystems kann der Gastronom seine Kapazitäten übersichtlich einschätzen. Man muss kein Prophet sein, um anzunehmen, dass dieses Tool auch nach der Corona-Ära beliebt bleiben wird.
Der Siegeszug des digitalen Check-ins
Wer mit Smartphone, Tablet, Laptop oder PC bereits vor der Ankunft per Pre-Check-in den Meldeschein digital ausfüllt und seine Daten überprüft, spart sich vor Ort lästige Bürokratie und Kontakte in einer Warteschlange. Im Idealfall entfällt ein Check-in an der Rezeption vor Ort komplett und der Gast kann digital einchecken – inklusive digitalem Meldeschein. Beispielsweise per Link oder QR-Code im Handy oder wenn an einem Check-in-Terminal auch die Ausgabe einer Schlüsselkarte ohne Mitarbeiterkontakt erfolgt. Dieser Ablauf erspart auch dem Gastgeber Zeit und Kosten. Mitarbeiter werden entlastet, Papierstau vermieden. Gleiches gilt natürlich auch für den Check-out-Prozess.
Kommunikation über Distanz
Immer da, wo physischer Kontakt reduziert werden soll oder muss, hilft Digitaltechnik, weiterhin Kommunikation zu ermöglichen. Ein Mittel dazu ist im Hotel die digitale Gästemappe auf dem Handy des Gastes, auf dem In-Room-Tablet oder auf dem smarten Hotelzimmer-Fernseher. Diese bietet Infos, die bisher mit Broschüren und Flyern an den Gast gebracht werden mussten. Das hoteleigene Tablet, welches dem Gast zur Verfügung gestellt wird, kann aus einem weiteren Grund die Hygiene fördern: Das Device kann neben den Hotelinfos auch als Telefon, Radio, Fernbedienung, Wecker und Lektüre dienen und eine Menge Gegenstände im Raum ersetzen, welche sonst aufwendig desinfiziert werden müssten.
Denkbar als kontaktlose Kommunikationswege, um den Gast zu informieren, sind auch E-Mails, SMS oder Push-Nachrichten (die Technik, die auch bei WhatsApp genutzt wird). Vor der Anreise bereits oder vor Ort – beispielsweise mit einer Mitteilung darüber, dass die gebuchte Massage in wenigen Minuten beginnt, der Frühstückstisch nun reserviert ist, oder mit der Frage, wann eine Zimmerreinigung gewünscht wird. Digitale Kommunikation erlaubt es dem Gastgeber, den Kunden in Echtzeit und rund um die Uhr über Berichtenswertes zu informieren. Der klassische Weg ist die E-Mail, die eleganteste und kostenintensivste Lösung eine eigene Hotel-App.
Mitarbeiterkommunikation 2.0
Das Vermeiden von unnötigen Kontaktpunkten beschränkt sich nicht auf den Gästekontakt. Es gibt auch digitale Tools, die Kontaktpunkte unter dem Personal reduzieren. Beispielsweise Mitarbeiterkommunikations-Apps statt des »Flurfunks«. Digitale Kommunikationslösungen erlauben es der Unternehmensführung, die Mitarbeiter auch ohne physische Präsenz in Echtzeit zu informieren. Dabei geht es nicht nur um die Mitteilung über neue Hygieneregeln, sondern auch darum, dem Personal Verbundenheit in einer Krisensituation zu signalisieren. Auch die Schichtplanung spielt eine zentrale Rolle. »Da sich die Situation mit Covid-19 schnell ändert, müssen Betriebe so agil wie möglich sein und verstehen, dass sich sowohl der Personalbedarf als auch die Verfügbarkeit von Personal in einem Augenblick ändern können«, sagt Max Bavar, Head of Sales für den DACH-Markt beim Kommunikationsplattform-Anbieter Planday. »Mit einem intelligenten Schichtplanungs-Tool können Gastronomen dies schnell und einfach bewältigen.« Das wirkt sich auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus, insbesondere weil Schichten online untereinander getauscht werden können.
Bargeldloses Bezahlen
Die Corona-Krise hat den Trend zum bargeld- und kontaktlosen Bezahlen unterstützt. Spätestens durch die Angst, sich mit Corona anzustecken, erinnerten sich die Leute daran, dass Bargeld seit jeher als Quelle von Bakterien und Viren bekannt ist. Das bestätigt Matthias Rörig, Geschäftsleiter des Akzeptanzpartnerbereichs bei American Express: »Sogar Branchen, die bisher hauptsächlich auf Bargeld setzten, wie Bäckereien, haben sich umgestellt und fragen bei ihren Kunden aktiv nach dem Bezahlen per Karte.«
Im Mai 2020 erfolgten 64 Prozent der Transaktionen im stationären Geschäft kontaktlos. Hygiene ist zwar der vordergründige Treiber für diese Entwicklung, doch viele Konsumenten entdecken beim Einsatz einer Kreditkarte oder des Smartphones mit hinterlegter Karte nebenbei auch andere positive Seiten des bargeldlosen Transfers. Beispielsweise eine gefühlte Zeitersparnis. Nicht nur aus Kundensicht hat das bargeldlose Bezahlen seinen Reiz: Auch die Hotellerie- und Gastronomie-Branche erkennt derzeit, dass die digitale Verarbeitung der Transaktionen bisweilen leichter zu handeln ist.
Während Kreditkarten heute Standard sind, verströmt das kontaktlose Bezahlen mit dem Smartphone noch immer einen geradezu futuristischen Charme. Anbieter wie American Express boten diese Option allerdings schon lange vor der Corona-Krise: Bereits seit 2018 können Kunden ihre Karte beispielsweise bei Apple Pay hinterlegen.
Digitale Schlüsselerlebnisse
Statt klassischer Zimmerschlüssel sollte man auf Schlüsselkarten setzen. Das erspart die aufwendige Desinfektion von traditionellen Schlüsseln. In größeren Betrieben ist die Schlüsselkarte längst etabliert, die Corona-Krise könnte nun aber auch bei kleineren Betrieben zu einem Umdenken führen. Besonders futuristisch mutet auch heute noch der Mobile Key an, der das Smartphone des Gastes zum digitalen Schlüssel umfunktioniert.
Die digitale Verpflegung
Die digitale Reservierung fürs Frühstück oder Dinner unterstützt nicht nur den Betrieb bei der Herausforderung, das Restaurant nicht zu überfüllen, sondern hat den angenehmen psychologischen Nebeneffekt, dass die Notwendigkeit einer Reservierung dem Gast unbewusst den Aufenthalt im gastronomischen Bereich wertiger erscheinen lässt. Auch die Nutzung des Room Service per digitaler Bestellung unterstützt die Hygiene-Maßnahmen und gibt dem Gast das angenehme Gefühl eines Premium-Lieferservices.
Die Speisekarte im Restaurant gerät in Zeiten der verstärkten Hygiene-Maßnahmen ebenfalls unter Druck. Laminierte Karten sind zwar leichter zu reinigen als Papier, doch es geht auch noch einfacher, als nach jedem Gast das Desinfektionsmittel zu bemühen: Die digitale Speisekarte, welche sich beispielsweise über einen QR-Code unkompliziert auf das Smartphone des Gastes übertragen lässt, ist nicht nur die hygienischste Lösung, sondern bietet, da sie noch nicht so etabliert ist, auch noch einen Wow-Effekt. Zudem sind Änderungen des Angebots schnell und günstig umsetzbar, ohne dass eine neue gedruckte Karte nötig ist.
Treue war nie so wichtig wie jetzt
In Zeiten der persönlichen Abwesenheit ist die Online-Präsenz umso wichtiger. Beispielsweise ist ein gut gepflegter Social-Media-Kanal in den herausfordernden Zeiten mehr denn je eine günstige Möglichkeit, Marketing zu betreiben. Von der persönlichen E-Mail über Social Media bis zum Loyalty-Programm helfen digitale Maßnahmen, Gäste daran zu erinnern, warum sie dem Betrieb wohlgesonnen sind. Dass Neukunden ebenfalls über diese digitalen Kanäle angesprochen werden, versteht sich von selbst.
Der Kampf um Stammgäste war schon immer wichtig. Gerade in der Zeit nach dem Lockdown war die Treue der Kunden für das Überleben der Betriebe wichtiger denn je. Die Kundenbindung fördert die Loyalität, welche in Krisenzeiten dringender als sonst gefragt ist. Diese Loyalität sollten die Unternehmer honorieren – mit einer Überraschung wie einem Rabatt-Code.
Was wird nach Corona bleiben?
Digitalisierungs-Skeptiker befürchten, technische Lösungen würden eines der zentralen Merkmale der Hospitality-Branche gefährden: den persönlichen Kontakt, die Interaktion zwischen Gastgeber und Gast. Digitale Lösungen müssen für den Gast ein freiwilliges Angebot bleiben, welches er ablehnen kann. Ein Hotel bleibt auch in Zukunft ein Ort des persönlichen Kontaktes. Dazu müssen Sie sich als Gastgeber zu erkennen geben. Stephan Krippendorf von Betterspace sieht die Gastfreundschaft durch die Digitalisierung nicht in Gefahr: »Wenn zeitaufwendige Abläufe durch digitale Unterstützung beschleunigt werden, haben die Hotelmitarbeiter mehr Zeit für den Gast und seine individuellen Wünsche.«
Generell wird die Zeit nach der Corona-Krise zeigen, welche der digitalen Optionen zu unserem »new normal« gehören werden. Digitale Kassensysteme, Online-Vermarktung, Reservierungssysteme, mobiles Bestellen und Bezahlen sind Features, die schon vor Corona den Alltag erleichtern konnten. Dank Corona haben dies nun auch Skeptiker für sich entdeckt.