Der medizinische Zeitgeist heißt Medical Wellness
Prävention und eine Änderung des Lebensstils sind die DNA
von Daniela MüllerDer Gesundheitsgast von heute ist anspruchsvoll, bestens informiert und weiß auch, worauf er achten muss. Zertifikate und Gütesiegel sind für ihn der Wegweiser im Gesundheitslabyrinth. In Deutschland garantiert die Zertifizierung mit den Medical Wellness Stars den medizinisch-therapeutischen Gesundheitsurlaub. Für Österreich gilt das Austria Gütezeichen Gesundheitstourismus – Best Health Austria als einziges staatlich anerkanntes Zertifikat als verbindlich. Medical Wellness ist dabei der Überbegriff für Gesundheitsreisen, die mit ärztlicher Expertise angeboten werden. Ein ärztlicher Check ist immer dabei, auch eine Dokumentation muss sichergestellt werden, denn im besten Fall kommt der Gast ja nicht nur einmal. Unter bestimmten Voraussetzungen ist oft ein Kostenersatz seitens der Krankenkassen möglich.
Gesundheit statt Wellness
Welche Kriterien muss nun ein Gesundheitshotel erfüllen, um die viel zitierte Medical Wellness anbieten zu können? Die verbindliche Anwesenheit eines Arztes und unterschiedlicher Therapeuten ist bindend, für Diagnostik und Behandlungen muss moderne Gerätschaft zur Verfügung stehen. Dr. Wolfgang Foisner, Co-Referent des Österreichischen-Ärztekammer-Referats für Kurmedizin und Wellness und Vorsitzender des Verbands Österreichischer Kurärzte: »Die Bezeichnung Medical Wellness dient zur Unterscheidung von reiner erholungsbezogener Wohlfühl-Wellness. Sie beinhaltet in jedem Fall ärztliches Wissen und Führung, ohne Arzt geht nichts.«
Wohin geht die Reise?
Die Wünsche der Gäste sind unterschiedlich, deren Ansprüche aber generell hoch. Die Wirkung soll rasch eintreten, das Ambiente gehoben und das gesundheitliche Angebot professionell sein. Geld spielt in diesem Segment nur eine untergeordnete Rolle, denn Gäste, die einen Gesundheitsurlaub buchen, wissen, dass sie tiefer in die Geldbörse greifen müssen. Wo liegt nun der Schwerpunkt beim Gesundheitsurlaub? Andreas Eggensberger, Leiter im Allgäuer Biohotel Eggensberger weiß: »Es sind die klassischen Beschwerden wie Rückenleiden und Gewichtsreduktion, ergänzt durch Aktuelles wie Stressprophylaxe.«
Während manche noch auf der Suche nach ihrem speziellen Gesundheitsthema sind, haben sich andere längst erfolgreich positioniert. Wie eben Andreas Eggensberger, der seinem Biohotel ein Therapiezentrum angeschlossen hat. Dort schnüren Ärzte und Therapeuten das gesamte Paket gegen Rückenleiden. Vorträge, Übungen und Anleitungen für gezielte Bewegungseinheiten fallen leichter, wenn man anschließend im luxuriösen Ambiente relaxt. Als erster TÜV-geprüfter Medical-Wellness-Betrieb Deutschlands sieht Eggensberger die von Medical Wellness Stars vorgegebenen Kriterien damit bestätigt. Schulmedizin, ärztliches Fachwissen und das gesamte Allgäuer Gesundheitskonzept sind die Erfolgsgaranten, die Eggensbergers Gäste bis zu zehn Tage im Haus halten. Andreas Eggensberger: »Die Medical-Wellness-Einrichtung stellt das Angebot einer medizinischen Eingangsuntersuchung sicher. Sie ist die Grundlage für die Erstellung der individuellen Anwendungspläne!«
Medical Wellness beinhaltet ärztliches Wissen und Führung
Pionier in der Medical Wellness
Vorreiter in Sachen Medical-Wellness-Bereich ist das LANS Med Concept, das im Tiroler Lanserhof entwickelt wurde und mit den Kliniken in Hamburg und am Tegernsee nun drei Standorte hat. Das LANS Med Concept mit seiner Symbiose aus moderner Medizin und wissenschaftlich fundierten naturheilkundlichen Methoden gilt heute als eine der erfolgreichsten Methoden zur Prävention und Regeneration, die DNA der Medical Wellness. Es beruht auf den sechs Säulen der klassischen F.X.-Mayr-Kur und wurde in den letzten 30 Jahren von über 70 Ärzten und Experten weiterentwickelt. Individualität ist wie überall auch hier der Schlüssel zum Erfolg. Das LANS Med Concept bildet in allen Häusern die Basis, zusätzlich hat jede Klinik einen weiteren Schwerpunkt, am Tegernsee liegt der Fokus etwa auf Sport und Bewegung, auch Cellgym ist dabei.
Was zählt, sind Konzepte
Im ebenfalls im Allgäu gelegenen Schüle’s Gesundheitsresort buchen die Gäste gerne das Paket »Medical Wellness all inclusive«. Der Fixpreis beinhaltet neben dem ärztlichen Beratungsgespräch sämtliche ärztlichen Therapieverordnungen, Massagen und Physiotherapie. Die Gäste schätzen die individuellen Therapien und den festen Preis, Zusatzkosten gibt es nicht. Im Schüle’s hat man sich auf Herz-Kreislauf-Diagnostik spezialisiert. Inhaber und Geschäftsführer Karl-Arnold Schüle: »Die Gäste suchen die Mischung zwischen unbeschwertem Urlaubsflair und Gesundheitskompetenz. Ihnen ist wichtig, die Urlaubstage zur Gesundheitsvorsorge und zur Entspannung zu nutzen«.
Die Stabilität wiederfinden
Punktgenau auf den einzelnen abgestimmt und ganzheitlich. Das ist der Trend in der Medical Wellness, die psychische Befindlichkeit gehört ebenfalls dazu. Denn Konzepte, die diesen Bereich einschließen, haben wesentlich höhere Erfolgschancen. Burn-out ist im ständigen Stand-by-Modus fast vorprogrammiert, immer mehr Anbieter reagieren darauf mit präventiven Angeboten wie Stressbewältigung. Doch gerade hier gilt es, genau hinzuschauen, denn eine dreitägige Burn-out-Prophylaxe kann bestenfalls eine Standortbestimmung sein. Um wirksame Veränderungen zu erzielen, bedarf es mehr Zeit.
Auf kompetenten Beinen steht dabei das Angebot im Lebens.Resort Ottenschlag, einem Haus der Waldviertler Xundheitswelt in Niederösterreich. Mit Gesprächstherapien, fachärztlicher Analyse, Ergotherapie und Schulungen soll die Balance für Geist und Seele wiederhergestellt werden. Gesunde Ernährung und viel Bewegung stehen auf dem Stundenplan ganz oben. Gesundheitspsychologen, Ernährungsberater und Fachärzte arbeiten Hand in Hand, um die richtige Life-Balance wiederherzustellen. Das Ziel ist ganz klar die langfristige Umstellung des Lebensstils, um nicht in die Burn-out-Falle zu tappen. Der Anteil von Burn-out-Gästen sei in den letzten Jahren von zehn auf 40 Prozent gestiegen, warnen Fachleute.
Alte Semmeln für die Gesundheit
Schon seit über 100 Jahren ist die F.X.-Mayr-Kur als erfolgreiche Methode zur Darmsanierung der Schlüssel zur Gesundheit. Denn angeblich sitzt diese ja im Darm. Was früher als »Semmelkur« bekannt war, tritt heute in modernem Gewand und in Kombination mit einem maßgeschneiderten Therapieprogramm auf.
In den drei VIVAMAYR-Häusern in Österreich hat man der altbewährten Kur ein neues Kleid verpasst und spricht von moderner Mayr-Medizin als Symbiose von Tradition und Innovation. Diagnostik wird mit Applied Kinesiology, spezieller Labordiagnostik und funktioneller Stressdiagnostik kombiniert. Alte Naturverfahren und klassische Medizin auch hier, ebenso der Fokus auf den individuellen Ansatz. Ein wesentliches Tool, denn Medical Wellness arbeitet nicht mit dem Gießkannenprinzip, Individualität unterscheidet sie von staatlichen Leistungen. F.X.-Mayr-Arzt Sepp Fegerl in Altaussee feilt für jeden Gast an dessen spezieller Therapie: »Mit der Entwicklung von VIVAMAYR wurde die Vision einer Verbindung zwischen moderner Mayr-Medizin, der schulmedizinischen Moderne und der Komplementärmedizin verwirklicht.«
Vom Patienten zum Kunden
Da Medical Wellness immer die Präsenz eines Arztes verlangt, werden an bestehende Hotels immer häufiger private Arztpraxen angeschlossen. Der Arzt entwickelt oft hoteleigene Gesundheitskonzepte. Artemacur-Philosophie heißt es im Klosterhof in Bayerisch Gmain, wird als Konzeptmedizin angeboten und steht für Prävention unter Einbindung vorhandener Befunde. Wie viele der deutschen Gesundheitshotels ist auch der Klosterhof ein
Premium Hotel & Health Resort.
Der Fokus des LANS Med Concept liegt unter anderem auf der Sanierung des Magen-Darm- Systems
Zurück zu den Wurzeln
Unübersehbar ist derweil der Trend zur Renaissance alter Heilmittel, man sucht Bodenhaftung. Wem es gelingt, fachliche Medizinkompetenz mit altem Heilwissen zu verbinden, kann sich steigender Nachfrage sicher sein. F.X. Mayr, Hildegard von Bingen und Pfarrer Kneipp. Sie alle werden verstärkt bemüht und in die moderne Prävention einbezogen. Exakt auf diese Kombination haben sich die Marienschwestern vom Karmel in ihren Kurhäusern spezialisiert. Mit der Traditionellen Europäischen Medizin wird im 1. TEM-Zentrum in Bad Kreuzen (Oberösterreich) altes Heilwissen aus dem europäischen Kulturkreis mit modernsten Erkenntnissen interpretiert. Allen Therapien liegt das Kneipp-Prinzip zugrunde, der individuellen Therapie geht eine Typenbestimmung nach Hippokrates voraus. »Die TEM in Verbindung mit der Spiritualität der Marienschwestern vom Karmel ist weltweit einzigartig«, so Fritz Kaindlstorfer, Betriebsleiter des TEM-Zentrums in Bad Kreuzen.
Kompetenz ist der Schlüssel
Gesundheitshotels tun gut daran, sich auf einige wenige Themen zu konzentrieren, denn bei einem Bauchladen voller Angebote bleibt oft die Qualität auf der Strecke. Spezialisierung bringt den Erfolg. Einzelne Trends, wie der derzeit explodierende Beauty-Bereich mit minimalinvasiven Methoden, unterliegen dagegen Lifestyle-Schwerpunkten.
Die Richtung ist klar. Es geht immer um eine langfristige Änderung des Lebensstils. Der Vorteil von Gesundheitshotels im Vergleich zu Kurhäusern liegt auf der Hand: Das Gesundheitsprogramm im Wohlfühlambiente macht mehr Spaß als im nüchternen Klinikumfeld. Ratschläge klingen anders als Regeln, der Gast fühlt sich nicht genötigt, sondern nur gut beraten. Wie jeder weiß, bringt dieses Konzept mehr Erfolg. Wohlfühlindustrie und Medizin wachsen also zusammen.
Medical Wellness – Potenzial für die Zukunft
- Für Deutschland prognostizieren Experten eine Zunahme der gesundheitsbezogenen Reisen von 1,7 Millionen in 2007 auf 3,3 Millionen in 2020 (Quelle: Institut für Freizeitwirtschaft). Der reine Medical-Wellness-Urlaub wird sich bis dahin verdoppeln.
- In Österreich liegt die Marktgröße für Gesundheitsreisen bei ca. 1,2 Mrd. Euro, mit hohem Potenzial bei Medical Wellness.