Der Gans geht’s an den Kragen
Herbstaktionen: gefährliche Zeiten für Federvieh & Co.
von Daniela MüllerGänse und Enten sind ab Mitte Oktober der Verkaufsschlager, vor allem die Gans läuft im November zu ihrer Höchstform auf. Das Martinsgans-Essen rund um den 11. November ist eine lange und gut gepflegte Tradition in Deutschland und im benachbarten Österreich. Unterschiede gibt es dabei vor allem in der Zubereitung: In Bayern isst man zum Gänsebraten Kartoffelknödel. Im Norden der Republik ist es üblich, die Gans mit einer Mischung aus Mett, Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern zu füllen, während der Süden bei der Zubereitung auf eingeweichte Semmeln, Esskastanien, geröstete Nüsse, Äpfel, Pflaumen, Zucker, Salz, Essig und Rotwein setzt. Wie sie auch immer zubereitet wird: In der Gastronomie kann die Gans für fetten Umsatz sorgen.
Frühzeitig planen
Profis wie Fritz Tösch, Patron und Küchenchef im Landgasthaus am Nyikospark in Neusiedl am See in Österreich, machen bereits im Frühjahr die erste Stippvisite beim Geflügelzüchter ihres Vertrauens. Größe und Verfügbarkeit der Gänse werden in Augenschein genommen, denn schließlich soll das Schlachtgewicht bei rund vier Kilogramm liegen. Und bei gut 3.000 Portionen, die Tösch in den sechs Wochen der »Ganslzeit« aus der Küche schickt, muss schon rechtzeitig geplant werden.
Bei Tösch geht’s grundsätzlich regional zu, bei der Gans ist das nicht anders. Sie hat aus Deutschlandsberg eine kurze Anreise, die Zubereitung erfolgt traditionell – gebraten und mit Semmelfüllung. Üppig und über die Maßen fallen bei Tösch allerdings die Beilagen aus: Dreierlei Knödel, denn zu den Klassikern Kartoffel- und Serviettenknödel kommt noch einer aus Grieß dazu. Mit Apfelrotkraut, dem warmen Krautsalat und 300 Gramm Fleisch ist der Teller dann gut gefüllt. Verwertet wird alles: »Das Geheimnis einer guten Gänsecremesuppe ist der Grundfond, der aus Innereien, Kragen und Flügeln mit Wurzelgemüse gekocht wird. Leicht gebunden, mit Sahne aufgemixt und mit Majoran typisch gewürzt!« Gutes Geflügel hat seinen Preis, bei den Gästen sei das aber kein Thema: Wer sein Geflügel aus nachhaltiger Geflügelzucht bezieht und das auch dazuschreibt, hat schon gewonnen.
Erntedank the American way
Ein weiteres gastronomisches Herbstevent gewinnt seit einigen Jahren auch in Mitteleuropa immer mehr an Bedeutung: Thanksgiving. Die nordamerikanische Variante des Erntedankfestes wird traditionell am vierten Donnerstag im November (dieses Jahr am 24. November) zelebriert und übersteigt in den USA in seiner Bedeutung bisweilen sogar Weihnachten. Und auch bei uns landen Ende November immer öfter Truthähne, Süßkartoffeln und Cranberrysauce auf den Tellern. In der Marriott-Gruppe ist Thanksgiving schon seit Jahren ein kulinarischer Fixpunkt im Jahresreigen: »Im Renaissance Hamburg und dem Hamburg Marriott bieten wir das traditionelle Menü schon seit über zehn Jahren an – mit wachsendem Erfolg«, wie Pressesprecherin Julia Ostendorf erklärt. »Letztes Jahr war der Andrang so groß, dass wir sogar unseren Veranstaltungsraum öffnen mussten.«
In beiden Häusern wurden so im letzten Jahr zusammen etwa 260 Gäste verköstigt – wohlgemerkt nur an einem einzigen Abend, denn in der Beziehung gibt sich Marriott ganz streng: Ein Thanksgiving-Dinner gibt es ausschließlich am Thanksgiving-Tag. Etliche ganze Truthähne, die aus Mecklenburg-Vorpommern bezogen wurden, mussten dafür ihr Leben lassen.Geworben wird für das Dinner über Flyer, Online-Portale (Bookatable/Livebookings), die Restaurant-Website oder über Flyer im Hotel. Manche Gäste kommen aber auch ganz ohne Werbung zu dieser besonderen Aktion. Julia Ostendorf: »Thanksgiving hat sich bei uns zur Tradition entwickelt, und Gäste reservieren zum Teil direkt nach dem Dinner schon wieder für das kommende Jahr. Dieses Event zählt für uns seit Jahren einfach zur Kundenbindung!«
Die Geister, die ich rief
»Stamm-Gruseler«, nennt Margret Bolkart-Fetz ihre Gäste, die pünktlich am 31. Oktober zu der bereits legendären Halloween-Küchenparty einschweben. Oft im wahrsten Sinn des Wortes, denn das Geister-Outfit gehört für manche Gäste dazu. Und das wird im »Das Freiberg« im bayerischen Oberstdorf auch akzeptiert. Trotz Sterneniveau. Sonst setzt man hier eher auf kulinarische Höhenflüge denn auf Deko. »Wir stellen auch zu Halloween unsere Top-Qualität an oberste Stelle. Verbiegen, nur um gruselig zu sein, ist bei uns nicht drin«, lässt Bolkart-Fetz verlauten. Von grüner Grütze, die zwar schaurig aussieht, oder Leichenfingern aus Hefeteigstängelchen mit einer Salzmandel als Fingernagel ist man im Freiberg schon längst abgekommen. Schaurig ist nur noch die Deko der Speisen, schließlich hat man einen Michelin-Stern zu verteidigen, und der lässt qualitativ keine Kompromisse zu. Im Freiberg wird an Halloween seit Jahren zur gruseligen Küchenparty auf zwei Bühnen geladen: In der Küche holen die Gäste ihr Essen und bleiben im besten Fall auf dem Rückweg an der Bar hängen, um sich dort eine Infusion zu holen. Ein einfacher Trick, der optisch viel hergibt, aber nicht an der Qualität rüttelt, ist der Tipp von Margret Bolkart-Fetz: »Den Aperol in der Spritze aufziehen und vor dem Gast ins Glas geben!« Ein Zehnerpack Spritzen ist in jeder Apotheke zu haben. Die zweite Grusel-Anlaufstelle ist die Kochstation im Restaurant Maximilians, wo mit Filmmusik aus Gruselfilmen zum Tanz aufgefordert wird.
Qualität hat auch an Halloween Priorität
Aufge»weckt«e Stimmung dank lockerer Atmosphäre
Trotz offener Küche fällt die Deko dort bescheiden aus. »In der Küche ist Hygiene oberstes Gebot«, zeigt sich Bolkart-Fetz kompromisslos. Deshalb wird das »dämonische« Küchenteam ausschließlich mit Plastikspinnen oder Fledermäusen auf den Kochmützen ausgestattet! Aber rätselhafte Küchengeheimnisse verlassen zu Halloween dann schon die Küche, wie Sternekoch Tobias Eisele verrät: »Die Gäste haben 1.000 Fragen, wenn sie ihr Essen in der Küche holen und bei der Zubereitung zuschauen!«Weckgläser sind der absolute Trend in Eiseles Küche, und genau so verlassen auch die Halloween-Specials sein Reich. Praktisch für den Gast und eine Zeitersparnis im Service. Partystimmung zwischen den Gästen entsteht in der lockeren Küchenatmosphäre von selbst.
Die Gäste sind ganz wild auf Wild
Wild spaltet die Ess-Nation: Die einen lieben es, andere können dem leicht nussigen Geschmack von Hirsch und Reh nichts abgewinnen. Wer zu Wolfgang Fürst in den Gasthof Kleefeld am Wolfgangsee fährt, gehört eindeutig zur ersten Kategorie. Die Fürsts haben den eigenen Wildpark mit 250 Stück Dam- und Rothirschen vor der Haustür, im Herbst ist die Gaststube knallvoll. Es gilt, das Naturschauspiel der Hirschbrunft zu beobachten. Praktischerweise findet es in der Dämmerung statt, und so bleiben die Gäste gleich fürs Wildbret. »Der Hirschbraten ist nach wie vor der Renner«, wie Küchenchef Wolfgang Fürst bestätigt. Er bereitet seine Sauce für den Braten klassisch zu, allerdings mit einer Ausnahme beim Gemüse: »Bei uns kommt kein Sellerie rein, denn Wild und Sellerie vertragen sich nicht!« Gewürzt wird mit Majoran, Knoblauch, Salz und ganzen Pfefferkörnern, aufgegossen mit Rotwein und Rindsuppe, Sauerrahm gibt den letzten Schliff. »Am Ende entscheidet das Verhältnis zwischen den Gemüsen zur Fleischmenge über die Qualität des Saftes«, so Fürst. Sein ganz spezieller Tipp: «Den Ansatz nach dem Dünsten komplett pürieren, anstatt zu passieren. Dadurch bleibt der ganze Gemüsegeschmack im Saft erhalten und wird viel kräftiger!«
Ich verwende bewusst für unsere Wildsaucen kein Tomatenmark, das für mich viel zu sehr den Eigengeschmack vom Wild verfälscht und überdeckt
Fonds in größeren Mengen zubereiten
Wie schafft man es, bei täglich 100 Portionen in der Wildsaison, alles frisch auf den Tisch zu bringen? Laut Fürst kein Problem: »Der Hirschrücken wird am Vormittag gemacht, der braucht Zeit, alles andere schafft unsere Mannschaft mit vier Köchen frisch am Abend.« Fürst rät, den Fond in großen Mengen vorzubereiten und in Vakuumgläser abzufüllen – bis zu vier Tage bleibt er dann frisch. »Der restliche Saft wird eingefroren und für andere, frisch zubereitete Gerichte zum Aufgießen verwendet. Dadurch bekommt man bei kurz gebratenen Gerichten, wie einer gerösteten Wildleber, einen kräftigeren Saft als nur mit den Bratrückständen.« Die Leber ist sowieso der Maßstab beim Wild, denn die gibt’s nur dort, wo das Fleisch frisch verarbeitet wird. Der selbst gemachte Hirschschinken der Fürsts hat mit Brot und Butter als »Wildes Gedeck« seinen großen Auftritt.
Das Marriott-Thanksgiving-Menü
Für knapp 40 Euro/Person (inkl. Bier, Wein und Softdrinks) kann man hier die ganze Palette traditioneller Thanksgiving-Spezialitäten genießen:
- Cobb Salad mit Roquefort, Avocado und geräucherter Hähnchenbrust
- Caesar Salad mit leichtem Knoblauchdressing, Parmesankäse und Brotcroûtons
- Süßkartoffel-Zwiebel-Tarte
- Birne-Bohnen-Speck-Salat
- Kürbis-Karotten-Suppe mit Kernöl und Rucolacroûtons
- Ganzer Truthahn, am Büfett tranchiert, dazu Cranberrysauce, karamellisierte Maiskolben, Rosenkohl-Chestnut-Gemüse, Süßkartoffelpüree und Kartoffelgratin
- Kürbis-Schokoladen-Kuchen
- Pecan Pie mit Whiskeysahne
- Calvados-Mousse mit Bratapfelragout
- Orangensalat mit getrockneten Cranberrys
Adressen:
- Das Freiberg, 87561 Oberstdorf
- Hamburg Marriott, 20354 Hamburg
- Landgasthaus am Nyikospark, 7100 Neusiedl am See
- Gasthof Kleefeld, 5350 Strobl am Wolfgangsee