Was macht man in Singapur Essen
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Was macht man in Singapur? Essen!

von Gabriele Gugetzer
Mittwoch, 04.09.2019
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Aktuell besitzt der Liliput-Staat, der an Malaysia grenzt und in Blickweite von Indonesien liegt, knapp 7.000 Restaurants. Vom chinesischen Hawker-Stand über den australischen Super-Grill bis zum französischen Zweisterner ist alles dabei. Eine Gesundheitspolizei achtet darauf, dass es selbst auf Nachtmärkten und an Imbissbuden so hygienisch zugeht, dass man vom Boden essen könnte. Eine feine Sache, denn wer Singapur als »Asien light« bezeichnet, denkt mit westlicher Arroganz. Einen Staat, dessen öffentlicher Nahverkehr genauso gut funktioniert wie die öffentliche Begrünung (fast 50 %), den hätten die meisten Asiaten gerne. Hohe Standards setzen sich jenseits der Hygiene in der Koch- und Produktqualität fort. Deshalb ist man hier stolz auf einen Job in der Hospitality Industry, ob man nun den Marktstand der Großeltern weiterführt oder bei Alain Ducasse kocht.

Der hohe Stellenwert des Essens

Warum gehören Essen und Ausgehen in Singapur zur Alltagskultur? Nun, Wohnraum ist begrenzt, man lädt eher ins Restaurant ein. Die Erinnerungen an die japanische Besetzung während des Zweiten Weltkriegs sind noch sehr präsent; eine künstliche Lebensmittelverknappung wurde als politisches Druckmittel eingesetzt und führte bis in wohlhabende Kreise zu folgenschwerer Unterernährung. Auch ist Singapur, das sich 1965 von Malaysia abspaltete, ein Vielvölkerstaat mit Religionsfreiheit. Entsprechend hoch ist der Respekt anderen Küchen gegenüber. Außerdem gibt’s für einige Dollar schon richtig gutes Fast Food von den Hawkern.

Die Hawker am Himmel

Als der Guide Michelin vor einigen Jahren erstmals Straßenstände, die sogenannten Hawker Stalls, nicht nur mit Bib Gourmands, sondern gleich mit Michelin-Sternen bestückte, war das eine Nachricht, die in der deutschen Presse rauf und runter lief. Siehste, war der Tenor, geht doch, Sterneküche, die nicht mehr kostet als eine halbe Schachtel Zigaretten. Geiz-ist-geil-Denken hat damit aber nix zu tun: Singapurs Hawker-Stände sind keine übliche asiatische Mutprobe, sondern perfektioniertes Fast Food. Schulmädchen, elegante Ladys, indische Gastarbeiter und hochdotierte Banker – Einkommen spielt hier keine Rolle, alle stehen artig an und zahlen wenige Euro für ein Gericht, das sie in der Qualität nie selbst machen könnten, oft, weil es ein überliefertes Familienrezept ist und nicht Pommes Schranke. Blogger Leslie Tay, im wahren Leben Arzt, hält mit seinem sehr empfehlenswerten »I eat, I shoot, I post«-Blog schon seit über zehn Jahren die Hawker-Kultur der Stadt fest und kennt die Guten – einige davon sogar am Flughafen!

Fazit: Ein Hawker kennt und vertraut seinen Lieferanten, kann Produkte in hoher Qualität erwarten, die dank jahrelanger Erfahrung in Minutenschnelle zu Köstlichkeiten hochgejazzt werden. Viele Gerichte würden auch bei uns klappen, auch im Restaurant, von Chicken Rice über Laksa bis zu Mee Goreng.

Peranakan! Perana… was?

Mit der Betonung auf der zweiten Silbe empfiehlt sich dieser Mix aus malai-ischer und chinesischer Küche mit Einflüssen aus Indonesien, Thailand und Indien. Markenzeichen? Die raffinierte Würze der zu Pulvern und Pasten vermahlenen Gewürze und Kräuter ist weniger scharf als aromatisch. Einst wurde diese Küche, auch N(y)onya genannt, Hausmannskost, von Müttern, Tanten (nonya auf malaiisch) und Omas zubereitet und galt als herzhaft, aber nix Dolles. 2016 ging der erste Michelin-Stern an ein Peranakan-Restaurant, geführt von Malcolm Lee. Er hat sein Candlenut, zu Deutsch Kemirinuss, eine Hauptzutat dieser Küche, zusammen mit seiner Mutter aufgezogen. Das Kochen musste sie dem Profi nicht beibringen, aber das Abschmecken von Sambals, Pulvern und Sößchen. »Meine Zunge« nennt er sie mit asiatischer Ehrfurcht. Das Candlenut liegt im Trendviertel Dempsey Hill, einer ehemaligen Militärkaserne, die geschmackvoll umgenutzt wurde. Singapur kann seinen Wohnraum nicht mal so eben vergrößern und macht aus dieser Not eine erfinderische Tugend. Nebenan gehen im Ableger des trendigen Londoner Modekaufhauses Dover Street Market junge, schlanke, schöne Erben shoppen. Abends ist für singapurische Verhältnisse der Teufel los.

Fazit: Erste Restaurants in London zeigen, dass sich Peranakan oder zumindest die Würze exportieren lassen und Abwechslung von der sattsam bekannten Thaiküche bringen. Peranakan bezeichnet überdies einen gleichermaßen geschmackvoll wie bunten Designstil, zu bewundern in den Stadtteilen Joo Chiat und Katong, zu kaufen bei Rumah Bebe.

Halb China in einer Stadt
Mit einem Food Festival kann man sich ab vom Schuss positionieren. Noch ein Jahr älter als das international renommierte Melbourne Food and Wine Festival ist das Singapore Food Festival. Es findet jedes Jahr im Juli über drei Wochen statt, zeitgleich mit dem berühmten Sommerschlussverkauf. Auch ein Bubble-
Tea-Produzent gehört zu den Sponsoren: Stadt, Hotels, Geschäfte und Food-Sponsoren denken pragmatisch und ohne Berührungsängste. Foto: iStockphoto

Halb China in einer Stadt

Reisen durch China ist spannend, hat aber seine Tücken. Die fallen in Singapur weg, um es mal sehr direkt zu sagen. Kulinarisch haben sich vier wichtige regionale Küchen etabliert, Hokkien, Kantonesisch, Hainan und Chaozhou (Teochew). Hokkien-Nudelgerichte sind die DNA der Hawker, Chicken Rice ist neben der Wok-Küche typisch für Hainan, die komplexe, feine und kalorienleichte kantonesische Küche ist auch für Dim Sum bekannt, in der Chaozhou-Küche sind es Gedämpftes, Gedünstetes und Suppen wie Bak Kut Teh.

Großes Tennis liefern Altmeister Justin Quek (neu: Chinoiserie) und der junge Zauberer Tim Lam. Der kocht in einem wunderschönen Gastraum, dem Jiang-Nan Chun im Four Seasons. So elegant ausbalanciert wie das Restaurant ist auch seine Küche. Der Einsterner kann es sich leisten, ein inter­­nationales Küchen-No-Go, nämlich »Schweinefleisch süß-sauer mit Ananas«, zum Signature Dish zu erheben. Lam stieg mit 14 Jahren in die Profi-gastronomie ein und erkochte bereits im Ying in Macau einen Stern. »Essen«, so sagt er, »spielt in der chinesischen Kultur eine immense Rolle. Die Gemeinsamkeit, das Teilen von Gerichten, die à la minute zubereitet werden, verstärkt das noch, überdies ist es auch sehr praktisch.« Inwiefern? Nun, da denkt er auf Feng Shui: »An einem runden Tisch zusammenkommen bedeutet, dass die Beziehungen der Gäste untereinander unendlich sind.«

Fazit: Eine vergleichbare Bandbreite an Regionalküchen ist in Europa (leider mittlerweile inklusive London) nicht zu finden.

Drinks und Bars

Schwüle Nächte, eine Jeunesse dorée, die hart verdientes Geld gerne ausgibt, und traumhafte Locations zwischen Dachterrasse, Pool und Speakeasy – kein Wunder, dass die Bar- und Cocktailszene in Singapur auf Zack ist. Rum und Whisk(e)y sind gesetzt; das im Art-déco-Stil gehaltene Atlas hat 1.000 Gins auf der Karte und dürfte damit recht weit vorne in der Welt stehen. Längst wird regional gemixt, mit Palmzucker, Pandanblatt, Koriandergrün als aromatischen Emojis. Vijay Mudaliar vom Native (Platz 4 der 50 besten Bars Asiens) experimentiert beim Gästefavoriten »Peranakan« mit geklärter Ziegenmilch, Jackfrucht-Rum, Palmzucker, vietnamesischem Koriander und Kemirinuss. Die Bar Operation Dagger erinnert nicht nur wegen der Behaarung der Barkeeper an ein etwas durchgeknalltes Labor, im Klassiker Smoke & Mirrors in der National Gallery gibt’s den besten Blick auf das Marina Bay Sands, im Lantern im Fullerton Hotel sitzt man beim Trinken elegant pritschelnd poolside.

Fazit: Das Smoke & Mirrors liefert zu jedem Drink Stichworte. Bei den vielen neuen Bartender-Kreationen vielleicht eine gute Idee.

SINGAPUR TIPPS: Gut zu wissen

1. Grundsätzliches

Die Sache mit dem Kaugummiverbot stimmt. Auch sonst schmeißt der Singapurer nix auf die Straße und wartet im Normalfall auf Grün. Taxen kosten wenig (kein Trinkgeld). Museen und Parks sind kostenlos und lohnen den Abstecher. Neben Abu Dhabi ist Singapur die sicherste Stadt der Welt, dankenswerterweise ohne die Geheimpolizei des Emirats. Und wie in Abu Dhabi kühlen Klimaanlagen so effektiv, dass man sich drinnen ohne dicken Schal und/oder Jacke als Europäer umgehend einen Schnupfen einfängt. Sambals wie Buah Keluak kaufen; Gewürze gibt’s überall und in hoher Qualität bei Anthony The Spicemaker. Die Singapurer sind höflich, hilfsbereit und haben in der Regel ihr Auskommen. Betteln ist verboten, aber die alten Menschen, die auf den Nachtmärkten Papierservietten verkaufen, nehmen einige Dollar mehr als Trinkgeld gerne. Impfungen sind nicht erforderlich, Dengue-Fieber und Malaria
äußerst seltene Einzelfälle. Wenn Sie erwägen, Drogen mitzuführen oder noch mit Kaninchenaugen in Singapur ankommen könnten … don’t!

2. Hotels

Marina Bay Sands
Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com

Das Marina Bay Sands und das Raffles sind aus architektonischen Gründen und wegen ihrer Restaurantkultur mindestens eine Stippvisite wert. Im MBS präsentiert sich zwischen Sterneküche und Brunchrestaurant alles, was Rang und Namen hat, 45 Restaurants sind’s – von Daniel Boulud über Gordon Ramsay bis zu Wolfgang Puck.

Das frisch renovierte Raffles, dessen Oldschool-Charme dann doch dringend erneuert werden musste, hat sich mit zwei französischen Importen – Anne-Sophie Pic und Alain Ducasse – auch kulinarisch ganz neu positioniert.

Singapur hat natürlich auch preiswerte Boutique-Hotels. Und wer sein Geld vorrangig aufessen will, nimmt ein Budgethotel. Der Unterschied liegt im Ausblick, in der Zimmergröße, der Lage, nicht in der Sauberkeit oder Sicherheit.

 

 

3. Hawker Klassiker

Hawker Klassiker
Foto: Singapore Tourism Board
  • Ayam Buah Keluak: Ein Peranakan-Klassiker ist dieses Hühnchen in Buah-Keluak-Sauce
  • Bak Chor Mee: Liebevoll zu BCM abgekürzt wird Singapurs Nationalgericht mit frittierten Nudeln, Fleischbällchen und Schweinefleisch
  • Bak Kut Teh: Belebende Suppe mit Rippchen
  • Black Pepper Crab/Chili Crab: (Mangroven-)Krabben in einer
    Pfeffer- oder Chilisauce, nur mit Plastikschürze zu essen
  • Char Kway Teow: Reisnudeln in Schmalz frittiert, mit Muscheln, Garnelen und Sojasprossen
  • Chicken Rice: Huhn mit Reis, der in Hühnerbrühe gegart wurde. Mildes Einsteigergericht.
  • Laksa: Süß-saure Suppe mit unterschiedlichsten Einlagen, auf Kokosmilchbasis
  • Mee Goreng: Frittierte Nudeln mit Kartoffeln, Garnelen und Sambal Goreng
  • Nasi Lemak: Kokosreis mit Pandan. Als Beilage Salatgurkenstücke, hart gekochte Eier, Ikan Bilis (Sambal mit frittierten Sprotten), geröstete Erdnüsse
  • Rojak: Gemüse-Frucht-Salat mit Tofu und süß-saurer Sauce
  • Satay: Fleischspieße mit Erdnusssauce
  • Wantan Mee: Wantans, Nudeln, wenig Brühe

4. Öffentliche Verkehrsmittel

Essen und Trinken sind dort untersagt, das gilt auch für Wasser (!). Entsprechend sauber ist es in der U-Bahn MRT, die für winziges Geld schnell und übersichtlich überall hinführt. Busse sind eine gute Alternative, die Busfahrer sind mehrsprachig und helfen beim Stadtplan-Lesen. Weil es keine Rush Hour gibt, geht’s damit genauso fix und mit mehr Ausblick.

5. Nachtmärkte und Food Centres

Food Center
Foto: Singapore Tourism Board
  • Chinatown Food Centre: chinesisch, recht touristisch
  • Chomp Chomp: bis spät geöffnet
  • Lau Pa Sat (Telok Ayer): bekannt für Satay, spät geöffnet
  • Maxwell Road Food Centre: chinesisch
  • Tekka Centre: Currys
  • Tiong Bahru: Frühstück

 

 

 

6. Flughafen Changi

Flughafen
Foto: picture alliance/Qiu Bo/Imaginechina/dpa

Es gibt viele Gründe, warum er jedes Jahr wieder an der Spitze der beliebtesten Flughäfen der Welt landet. Die Wege sind kurz, es wird ständig investiert, und aktuell hat der Flughafen 211 gelistete Restaurants, darunter Hawker mit Bib Gourmand. Wer nach Mitternacht in den Eco-Flieger nach Europa steigt, kann sich in Changi sehr gut vorher verköstigen.

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