Reif für die Insel-Küche
von Sebastian BütowFür Exportschlager war Hawaii schon immer gut: Ob lebensbejahende Textilien (Aloha-Hemd), drollige Zupfinstrumente (Ukulele), lässige US-Präsidenten (Obama) oder charmante Krimi-Serien (»Magnum«, »Hawaii Five-0«). Aktuell sorgen die in Hawaii erfundenen Poké Bowls – Reis mit rohem Fisch, Gemüse und asiatischen Gewürzen – so ziemlich überall auf der Welt für Furore. Allein in München eröffneten in den letzten Jahren gleich drei Restaurants, die mit der aus Hawaii stammenden Kultspeise die Geschmacksnerven der Szene-Gastronomie verwöhnen.
Die Hawaii-Küche ist ein multikultureller Mix
Poké geht durch die Decke, eine richtige Nationalküche hat sich auf Hawaii aber nie entwickelt. Die Einwanderer aus allen Ecken der Welt sorgen seit Jahrhunderten dafür, dass das kulinarische Hawaii ein multikultureller Mix ist. Poké ist das beste Beispiel dafür, hier verschmilzt die Westcoast-Küche mit der japanischen.
Weil in den vielen Spitzenhotels auf Hawaii auch viele Spitzenköche aus aller Herren Länder arbeiten, entstand ein Wettbewerb: Wem gelingt es am besten, diese Fisch-Vielfalt, all die herrlichen Früchte- und Gemüsesorten mit französischen Rezepturen, asiatischen Gewürzen oder anderen Importen zu verschmelzen? Voilà, die Pacific Rim Cuisine beziehungsweise Hawaiian Fusion war geboren – eine Bewegung, die sich seit den Neunzigern etabliert hat.
Poké Bowls an jeder Ecke
Die Bowls sind auf Hawaii tatsächlich so allgegenwärtig wie Currywurst in Berlin. In jedem Supermarkt locken spezielle Theken mit einer riesigen Auswahl an Reis-, Fisch- und Gemüsesorten, die man in seiner Schüssel zum individuellen Vergnügen bereiten kann. Die Kombinierbarkeit bietet quasi unendliche Möglichkeiten.
Die Inselkette Hawaii, die seit 1959 der fünfzigste und somit jüngste Bundesstaat der Vereinigten Staaten ist, hat für uns Mitteleuropäer nur einen winzigen Haken: Wer das Paradies im Pazifischen Ozean erleben, die atemberaubendsten Strände und die tagtäglichen Sonnenuntergangs-Spektakel genießen will, muss rund 12.000 Flugkilometer wegstecken können, das entspricht dem Durchmesser unseres Planeten. Doch der Jetlag lohnt sich, weil das Archipel in vielerlei Hinsicht zu verwöhnen weiß.
Stefan Krüger, ein aus Lübeck (Schleswig-Holstein) stammender Catering-Unternehmer (und Gastgeber des Autors), wagte den weiten Weg. 2006 hatte er sich so in den »Aloha-State« verknallt, dass er beschloss, sich hier eine Existenz aufzubauen. In einem Bürohochhaus in Downtown Honolulu, der Hauptstadt Hawaiis an der Südküste der bevölkerungsreichsten Insel O’ahu, betreibt Krüger seitdem »1132 Cafe & Catering«, beliefert vor allem Events und Businesskunden mit seinen Speisen.
Wilde Hühner und Wildschweine in Honolulu
»Das Wetter und die freundlichen, entspannten Menschen haben mich einfach fasziniert – daran hat sich in den 13 Jahren auch nichts geändert«, schwärmt Krüger von seiner Wahlheimat. Seine Villa liegt in der kurvig-steilen Prachtstraße Pacific Heights, von hier blickt man erhaben auf den Hafen und das mit eher niedlichen Hochhäusern gespickte Downtown herunter. Honolulu hat 350.000 Einwohner – und verwöhnt die Augen mit unfassbar viel Naturpracht.
Orchideen wachsen hier und da wild am Straßenrand. Wer um die Kurven fährt, begegnet nicht selten ein paar Hühnern, die hier ganz frei ihr eigenes Ding machen. »Ab und zu sehe ich Wildschweine in meinem Garten«, erzählt Krüger. Kein Wunder, nur ein unbebautes Grundstück trennt seinen Gartenzaun von einem Waldgebiet. »Diese einheimischen Schweine sehen etwas furchterregend aus, das sind so richtige Kavenzmänner!«
Das Festgericht Hawaiis: Schweine aus dem Erdofen
Schade eigentlich, dass der Comic »Asterix auf Hawaii« noch nicht gezeichnet wurde. Denn Obelix, der wildschweinaffine Busenfreund des gallischen Kriegers, würde hier eine etwas andere Methode kennenlernen, um die köstlichen Viecher zuzubereiten: Traditionell garen die Hawaiianer ihre sogenannten Kalua-Schweine, mit Lavasteinen und in Bananenblättern eingewickelt, bis zu neun Stunden in einem Erdloch (Imu), um sie dann in feierlichem Ambiente zu genießen.
Die spinnen, die Hawaiianer? Nein! Lu’au heißt diese Tradition – und ist das klassische Festessen, das die Einheimischen immer dann zelebrieren, wenn es etwas zu feiern gibt. Bei den Touristen steht es auf Platz eins der kulinarischen Attraktionen. Hotels, Restaurants und Reiseveranstalter locken mit Lu’au-Events, die meist in einem Shuttlebus beginnen, da man Erdöfen nicht mal eben so überall ausbuddeln kann.
Band und Hula-Tänze zum Festessen
»Bei anspruchsvollen Lu’aus wird den Gästen auch gezeigt, wie der Erdofen gefüllt wird, das Ganze wird detailliert erklärt«, sagt Krüger. Während das Schwein gemächlich vor sich hin gart, wird ein Kulturprogramm dargeboten. »Hula ist mehr als nur ein Tanz, es ist Ausdruck der hawaiianischen Kultur. Hier werden Geschichten erzählt mit dem Tanz, jede Handbewegung hat eine Bedeutung«, so Krüger.
»Lu’aus sind am besten, wenn sie von einer hawaiianischen Großfamilie veranstaltet werden«, weiß Krüger, der aufgrund seiner Beziehungen auf der Insel schon einige Male in den Genuss gekommen ist. »Und dieses langsam gegarte Schwein ist das zarteste Fleisch, das man sich vorstellen kann. Köstlicher kann man es nicht zubereiten!«
Poi – das Grundnahrungsmittel Nummer eins
Eine typische Beilage ist Poi, ein dickflüssiger Brei, der aus der heimischen Tarowurzel hergestellt wird, es ist das wichtigste polynesische Grundnahrungsmittel. »Sieht aus wie lilafarbener Zement und schmeckt auch so«, sagt Stefan Krüger und lacht. »Erst in Kombination mit anderen Zutaten entfaltet Poi einen interessanten Geschmack.«
Ein eher bodenständiges Hawaii-Gericht ist Loco Moco, eine Kombi aus Reis, Hamburger-Scheibe, Spiegelei und Bratensoße, die auch variiert wird mit zum Beispiel Shrimps oder Speck – ideal zum Sattwerden. Der Dessert-Klassiker heißt Haupia, ein köstlicher Kokosnusspudding, vor dem es auf den Inseln kein Entkommen gibt.
Hawaii-Ambiente par excellence im »House without a key«
Waikiki gilt als heißeste Promenade Hawaiis, hier wimmelt es nur so von schönen und edel gekleideten Touristen, die meisten fliegen aus Kalifornien her (für Kurzurlaub) oder aus Japan (zum Heiraten). Wer dort etwas auf sich hält, gibt sich das Ja-Wort traditionell hier, an einem der berühmtesten Strände der Welt. Hat den Vorteil, dass man seine Arbeitskollegen nicht einladen muss, wie in Japan üblich. Die meisten Hotels sind hoch gebaut und prachtvoll, wie auch das »Halekulani«, in dem die Hollywoodstars gerne absteigen.
Essen gehen ist teuer, Fisch-Spezialitäten jedoch preiswert
Das dazugehörige Restaurant »House without a key« überspitzt gekonnt alle Reize, die Hawaii so zu bieten hat: einen herrlichen Ausblick auf den Strand, riesige Palmen und Bäume beschützen frischverliebte Paare beim Mai-Tai-Schlürfen, dazu fantastische Livemusik bei Sonnenuntergang und Sashimi-Teller, die einem niemand glaubt.
Honolulu ist nach New York der zweitteuerste Ort der USA, für das Frühstücksbüfett muss man 40 Dollar hinblättern, aber immerhin: Frischer, roher Edelfisch ist relativ preiswert, sind ja auch genug da im Meer. Ein üppiges Ensemble der herrlichsten Pazifik-Häppchen ist hier für 24 Dollar zu haben.
Delfin auf der Speisekarte?
Wer auf Hawaii Fisch-Speisekarten studiert, könnte irritiert sein: Der beliebteste Fisch Mahi Mahi wird auf Speisekarten gerne mal Amerikanisch als »Dolphin« bezeichnet. Doch keine Sorge, damit ist nicht etwa das sympathische Säugetier gemeint, sondern eine Goldmakrele, die meistens in Macadamias eingebettet wird. Hawaii ist der weltweit größte Produzent der Edel-Nüsse, noch vor Australien!
Kona: Edel-Kaffee von der Vulkaninsel Big Island
Zeit für einen Tapetenwechsel, Hawaii besteht ja streng genommen aus 137 Inseln, von denen die allermeisten aber nur Inselchen sind. Lediglich acht von ihnen gelten als relevant. Wir fliegen für vier Tage nach Big Island, der mit Abstand größten Insel Hawaiis. Hier gibt’s keine Hochhäuser und wenig Menschen, dafür aber jede Menge Lava, die zuletzt mal wieder der Kilauea Vulkan ausgespuckt hat.
Und eine Kaffeesorte, die zu den allerbesten überhaupt zählt: Kona. Der Mix aus Vulkanerde, Sonne und der großen Niederschlagsmenge verleiht der Edelsorte einen unverwechselbaren Geschmack. »Sein Aroma ist traumhaft und besser als bei anderen Kaffeesorten«, stellte der berühmte Schriftsteller Mark Twain schon im Jahre 1866 fest.
Obst und Gemüse werden fast nur noch importiert
Auch das hawaiianische Obst genießt den Ruf, aromatischer zu sein als jenes, das nach einer frostigen Reise um die halbe Welt in unseren Supermärkten zu haben ist. Auf Maui gedeihen einzigartig milde Zwiebeln, auf Molokai die köstlichsten Melonen. Ananas, Papayas, Mangos und Litschis werden auf allen Inseln angebaut.
Aber: Auf Hawaii gibt’s immer weniger einheimisches Obst zu kaufen, die meisten Zutaten werden importiert, weil die hawaiianische Ware schlicht und einfach zu teuer ist. »Das hängt damit zusammen, dass das Leben auf der Insel so kostspielig ist, dass keiner mehr in der Lage ist, durch Jobs in der Landwirtschaft überleben zu können«, erklärt Stefan Krüger.
Es gibt kein Bier auf Hawaii? Doch, sehr gutes sogar!
Am schönsten ist Hawaii definitiv dann, wenn die Sonne untergeht. Die Himmels-Spektakel dauern immer rund zwei Stunden und sind derart faszinierend, dass so mancher Kinofilm einpacken kann. Dazu schmeckt das cool designte und formidabel gehopfte »Kona Big Wave«-Bier, ein beachtliches Pale-Ale-Gebräu. In Bierangelegenheiten hat der eine oder andere ja schon Plörre-Enttäuschungen erlebt auf US-amerikanischem Boden, aber die Hawaiianer haben da offenbar Kompetenzen entwickelt. Hawaiianisches Bier könnte der nächste Exportschlager werden.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.