One Night in Bangkok
von Wolf DemarGut geschmeckt hat es in Bangkok schon immer. Die Straßenküchen Thailands zählen zu den besten der Welt. Nicht nur junge Rucksacktouristen schwärmen davon, dass man an jeder Straßenecke für ein paar Bath verführerische Köstlichkeiten snacken kann – von Suppen und Currys über konventionelle Hühnerspieße und frische Früchte bis hin zu gegrillten Insekten.
Wer bereit ist, etwas mehr Geld auszugeben, findet in den Foodcourts der zahlreichen Einkaufszentren eine riesige Auswahl an sehr guten asiatischen Restaurants, in denen man ganz hervorragend Sushi, Dim Sum und andere asiatische Regionalküchen genießen kann. Auch das Angebot an typischen Thai-Restaurants ist dort unübertroffen. Es zeigt sich einfach, dass gutes Essen im Leben der Thais seit jeher eine große Rolle spielt.
Michelin würdigt Fine-Dining-Kultur der Stadt
Feine Restaurants mit europäischen Küchen gab es bis vor Kurzem ausschließlich in luxuriösen Hotels, die vor allem von betuchten Einheimischen und vermögenden Expats (international tätige Fachkräfte) besucht werden. Als Tourist, der nur wenige Tage in der Stadt ist, hat man in der Regel keine allzu große Lust, in Asien ausgerechnet italienische oder französische Gerichte zu probieren.
Seit ein paar Jahren gibt es in der Acht-Millionen-Metropole jedoch auch eine eigenständige Fine-Dining-Kultur, die außerhalb der großen Hotels stattfindet und eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Küchenstilen bietet. Dies wurde jetzt auch vom Guide Michelin gewürdigt. Dezember 2017 wurden erstmalig in Bangkok drei Restaurants mit zwei Sternen und weitere 14 mit einem Stern ausgezeichnet. Insgesamt listet der berühmte Guide Rouge 98 Restaurants als empfehlenswert. Mit dem Gaggan und dem Nahm befinden sich in Bangkok auch die aktuelle Nummer eins und die Nummer fünf der »50 Best Restaurants Asia«-Liste.
Restaurantbesuch als Unterhaltung
Dass sich in Bangkok in den letzten Jahren eine lebendige Restaurant-Szene entwickeln konnte, hat nicht nur mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Boom in Thailand zu tun, der zur Folge hat, dass sich immer mehr Einwohner einen Restaurantbesuch leisten können. Die neuen Restaurants werden nämlich nicht nur von in der Stadt lebenden Ausländern und einigen Touristen besucht, sondern vor allem von jungen Einheimischen, für die ein Restaurantbesuch zum sozialen Leben einfach dazugehört. Den vorwiegend jungen Gästen sind dabei ein lässiges Ambiente und eine gute Küche wichtiger, als ein steifer Service und ein nobler Rahmen. Die Preise für ein Menü mit Weinbegleitung liegen in den angesagten Restaurants zwischen 3.500 und 7.000 Bath (100 bis 200 Euro).
L’Atelier de Joël Robuchon war auf Anhieb erfolgreich
Deutlich teurer wird es nur im L’Atelier de Joël Robuchon, wo das große Tasting-Menü mit Weinbegleitung über 10.000 Bath kostet. Vor fünf Jahren haben die Betreiber des Lifestyle-Centers Cube den französischen Großmeister nach Bangkok gelockt, um ihr Haus mit dem klingenden Namen Robuchon aufzuwerten. Trotz der hohen Preise war das L’Atelier de Joël Robuchon auf Anhieb ein Erfolg. Um auch in Bangkok den gewohnt hohen Standard bei Speisen und Getränken halten zu können, importiert man so gut wie alle Zutaten. So kann man hier tatsächlich auf demselben Robuchon-Niveau essen, wie in seinen anderen Outlets in Singapur, Hongkong, Macau, Tokio oder Paris.
»Die Eröffnung des L’Atelier Joël Robuchon war für Bangkok in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall. Zum einen war es ein starkes Signal nach außen, dass Bangkok genauso international ist, wie die anderen Metropolen Asiens. Zum anderen hat Robuchon gezeigt, dass Qualität ihren Preis haben muss. Danach war es wesentlich einfacher, anspruchsvolle Restaurants zu eröffnen, weil Gäste akzeptiert hatten, dass ein Restaurantbesuch mehrere Tausend Bath kosten kann«, erklärt Thomas Sühring, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Stefan in März 2016 ein eigenes Restaurant eröffnete.
Michelin belebt die Gastro-Szene
Dass das Sühring im erstmals erschienen Guide Michelin genauso einen Stern erhielt, wie das wesentlich teurere L’Atelier Joël Robuchon, hat manche Beobachter überrascht. Für Norbert Kostner, der knapp 40 Jahre die Küche des berühmten Mandarin Oriental Hotels leitete, ist die Bewertung hingegen schlüssig: »Robuchon macht hier einen perfekten Job, schlussendlich ist das kulinarische Angebot jedoch austauschbar, weil es mit dem seiner anderen Restaurants identisch ist. Dass wir für unser traditionelles französisches Restaurant Le Normandie zwei Sterne bekommen haben, war für mich und Küchenchef Arnaud Dunand Sauthier eine Bestätigung dafür, wie gewissenhaft der Guide Michelin auch in Asien bewertet.«
Ebenfalls mit zwei Sternen wurde das Gaggan bewertet. Der gebürtige Inder Gaggan Anand ist der umtriebigste und gleichzeitig erfolgreichste Koch der Stadt, der neben seinem berühmten Luxusrestaurant, das bereits zum dritten Mal in Folge zum besten Restaurant Asiens gewählt wurde, noch zahlreiche andere Projekte befeuert (Siehe Ein kochender Popstar aus Indien).
Einige Bewertungen sorgten im Einzelnen trotzdem für Diskussionsstoff. So wurde – wie bereits in Singapur geschehen – mit Jay Fai eine Streetfood-Köchin mit einem Stern ausgezeichnet. Auch wenn der Rahmen wenig nobel ist – ihre Krabben-Omelettes sind einfach grandios.
Thai Cuisine in edlem Rahmen
Restaurants, in denen man gemütlich sitzen und essen kann, haben in Thailand keine große Tradition. Wenn man sich in der Vergangenheit geschäftlich oder privat getroffen hat, war das zumeist in Bars. Doch auch in Bangkok hat sich das gesellschaftliche Leben in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Restaurants sind Teil des Unterhaltungprogramms geworden.
Im Guide Michelin sind 50 Restaurants mit Thai-Küche angeführt, von denen sechs mit einem Stern ausgezeichnet wurden. Neben dem schon erwähnten Streetfood-Stand Jay Fai, zeigt sich, dass die Vergabe der Sterne nicht zwingend mit dem Preisniveau eines Lokals zu tun hat. In Luxusrestaurants wie dem Nahm und dem Sra Bua by Kiin Kiin kostet ein Menü rund 2.000 Bath (70 Euro), was für Bangkok relativ teuer ist. Trinkt man dazu noch ein paar Gläser Wein, wird es deutlich kostspieliger.
Im Chim by Siam Wisdom oder im Saneh Jaan kann man feine Sterneküche schon ab 400 Bath (15 Euro) genießen. Nur unwesentlich teurer ist es im Khua Kling Pak Sod, wo »Panud« Orathai Muangkaew die scharfe Küche aus Südthailand nach familieneigenen Originalrezepten kocht. Zum »Löschen« gibt es neben den leichten thailändischen Standardbieren auch einige in Thailand gebraute Craft-Biere.
Last, not least, wollen wir mit einem Gerücht aufräumen: Dass die Thai-Küche höllisch scharf sein muss, ist ein Vorurteil, das vor allem in Thai-Restaurants im Ausland gepflegt wird, wo man nicht immer auf frische Top-Produkte zurückgreifen kann und die Schärfe andere Geschmäcker überdeckt. Gerade die ländliche Küche aus dem gebirgigen Norden ist oft sehr mild.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
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