Istrien
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Ein magisches Genussdreieck

von Wolf Demar
Samstag, 02.11.2019
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Von wegen Cevapcici und Pljeskavica

Kulinarisch verbindet Istrien deutlich mehr mit Italien als mit dem Heimatland Kroatien

Ja, das Meer ist auch zum Baden da – zumindest im Sommer. Für Genießer ist es jedoch wesentlich spannender, was sich unter der Wasseroberfläche abspielt. Krebse, Muscheln und köstliche Fische tummeln sich rund um Istrien in großer Zahl. Aufgrund der kulinarischen Revolution der letzten Jahre kann man die Früchte der Meere nicht nur in traditionellen Zu­bereitungsformen (Grill, Ofen, Pfanne, Topf) genießen. Insbesondere in den Haubenlokalen an der Westküste geht man neue Wege. Am »leichtesten« machen es sich Damir und Ornella Beletić in Novigrad. Im »Damir & Ornella« kommt vieles roh und nur zart mariniert auf den Tisch. Das beliebte 2-Hauben-Restaurant, in dem seit kurzem auch Tochter Matea mitarbeitet, hat einen hervorragenden Ruf als Fischrestaurant, aber auch Pasta und Trüffel­gerichte gelingen hier stets ausgezeichnet.

Zumindest kulinarisch in der gleichen Liga spielt das Restaurant Marina, auch wenn das Interieur deutlich weniger romantisch wirkt. Das Marina liegt gleich gegenüber der Marina von Novigrad, der Name des Restaurants ist jedoch auf die Besitzerin und Küchenchefin Marina Gaši zurückzuführen. Frische Fisch­leber verarbeitet sie zu Paté, Seeteufelcarpaccio auf rotem Reis mit Kraut – klingt spannend und schmeckt auch genauso. Marina versteht es zu würzen und findet immer wieder neue Wege, fangfrischen Fisch in überraschender Form auf den Teller zu bringen.

Scampi mit geraspelter Gänseleber

Sehr kreativ geht man mit dem Thema Fisch im Restaurant Badi in Umag um, das ebenfalls mit zwei Hauben ausgezeichnet ist. Gerichte wie Carpaccio von der Goldbrasse mit Granatapfeljelly und »Lammgemüse« oder rohe Scampi mit geraspelter Gänseleber zeugen von der kreativen Freude des Küchenchefs Aleksandar Grubić.

Natürlich kann man auch in den Tourismushochburgen Porec, Pula und Rovinj sehr gut essen. Die besten Restaurants von Porec (Spinnaker, Miramare, Sveti Nikola) und Pula (Konoba Batelina, Restaurant Milan) haben im aktuellen Gault&Millau zwar »nur« eine Haube, empfehlenswert sind sie dennoch.

Hotels Adriatic
In der Brasserie des Hotels Adriatic in Rovinj findet man
regionale Spezialitäten auf Haubenniveau. Foto: Maistra

Kulinarikhochburg Rovinj

Die besten Restaurants an der Küste befinden sich im malerischen Städtchen Rovinj. Die drei luxuriösen Maistra-Hotels Monte Mulini, Lone und Grand Park locken mit empfehlenswerten Restaurants (Wine Vault, Mediterraneo) auch auswärtige Gäste in die ausgedehnte Parklandschaft hinter dem Yachthafen. Auch das wunderbar renovierte Stadthotel Adriatic, das direkt am alten Hafen liegt, bietet eine ausgezeichnete Küche auf 2-Hauben- Niveau.

Doch wer ins beste Restaurant Istriens will, muss zuerst einen kurzen Anstieg durch die steilen Gässchen der romantischen Altstadt bewältigen, bevor er das Restaurant Monte erreicht. Neben der weithin sichtbaren Kirche St. Euphemia – dem Wahrzeichen von Rovinj – sorgen Danijel Dekič in der Küche und seine Frau Tjitske im Service für ein unvergleichliches kulinarisches Erlebnis. In ihrem kleinen, eleganten 4-Hauben-Restaurant Monte werden zwei Tasting-Menüs geboten, deren Länge man individuell varieren kann. Der roh marinierte Thunfisch ist genauso legendär wie die chinesisch inspirierten Dim-Sum mit einer Füllung aus Hummer und Ochsenschwanz. Sehr originell auch der Oktopus-Burger mit Seeteufel­filet. Außerdem bietet das Monte eine exzellente Weinkarte mit den besten Weinen Istriens – vieles gibt es auch glasweise.

Weitere empfehlenswerte Fischrestaurants sind das traditionelle Giannino mitten in der Altstadt, das stylische Blu sowie das schräge Barba Danilo, das beim Campingplatz Ulika liegt. Dort geht es natürlich deutlich legerer zu als in den eleganten Altstadtrestaurants, doch die Qualität des Essens passt zweifellos. Thunfisch mit Bloody-Mary-Gelee und die luftige Goldbrassencreme haben Suchtfaktor. Zur gleichen Kategorie »rustikal, aber gut« zählt das Viking im Limski-Kanal, wo dank einer Mischung aus Süß- und Salzwasser optimale Bedingungen für die Muschelzucht herrschen. Frischer als im Viking kann man Austern nicht genießen.

Ein Weinwunder ganz in Orange

Der Weinbau spielt in Istrien seit Jahrhunderten eine große Rolle. Doch mit der Kollektivierung durch die Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand der qualitative Weinbau für zwei Generationen von der Bild­fläche. Das führte dazu, dass sich in den letzten 25 Jahren eine Generation von vinophilen Pionieren neu erfinden konnte. Dass man dabei auf eine traditionelle, aber in Vergessenheit geratene Weinstilistik setzte, macht das Ganze umso reizvoller.

Noch vor 20 Jahren assoziierte man mit kroatischen Weinen vor allem kräftige Rotweine der Sorte Mali Plavac. In Istrien dominiert bei Rotwein jedoch der aus dem benachbarten Friaul stammende Refosco, der hier Teran heißt. Nach ein paar Jahren Reifung im Fass zeigen sich die mitunter strengen Tannine schön geschliffen. Zunehmend werden auch internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot angebaut. »Es ist wichtig, dass man die autochthonen Sorten pflegt, aber wir sollten uns nicht darauf beschränken. Wenn man Weine von internationalem Format keltern will, die auch neben renommierten Weinbauregionen eine gute Figur machen können, ist es sinnvoll, mit jenen internationalen Rebsorten zu arbeiten, die sich bei uns wohlfühlen«, erklärt Mladen Rozanić, der mit seinen Roxanich-Weinen auch im Export stark vertreten ist.

Trüffel mit Vanilleeis
Im Restaurant Zigante sind Trüffeln allgegenwärtig – auch als Beigabe
zu Vanilleeis. Foto: Petr Blaha

Malvasija als Aushängeschild

Bei den weißen Rebsorten dreht sich alles um den Malvasia, der hier Malvasija heißt. Jung und frisch im Stahl ausgebaut, eignet sich istrischer Malvasija perfekt, um an einem heißen Sommertag Fischgerichte zu begleiten. Doch istrische Malvasijas können auch ganz anders, denn was aus einer weißen Rebsorte gekeltert wird, muss nicht immer Weißwein sein.

Neben Mladen Rozanić war es vor allem der Querdenker Giorgio Clai, der vor über 15 Jahren die neue Weinfarbe »Orange« erfunden hat. Mit ihren maischevergorenen Malvasijas haben sie es geschafft, istrische Weine erstmals auch in internationalen Top-Restaurants zu positionieren. Weil die beiden – so wie die meisten anderen Spitzenwinzer Istriens – biodynamisch arbeiten, sind sie auch Vorreiter der Naturweinszene. Dass die istrische Weinwirtschaft boomt, zeigt sich auch auf den Weingütern selbst, wie etwa beim prächtigen Neubau des Weinguts Kozlovic. Wirklich spektakulär ist jedoch das neue Roxanich Wine & Heritage Hotel in Motovun, in dem es auch ein hervorragendes Restaurant gibt.

romabombe in Schwarz und Weiß

Für sonnenhungrige Badegäste ist Motovun kaum geeignet, denn bis zum Meer fährt man rund 40 Minuten. Dafür liegt das malerische Bergdorf im Mirna-Tal, das als El Dorado für Trüffeln gilt und daher ein idealer Ausgangspunkt ist, um selbst auf Trüffeljagd zu gehen. Einfacher gestaltet sich diese jedoch, wenn man in Delikatessenshops »jagt« und nicht selbst durch die ausgedehnten Wälder stapft, so spannend das auch sein mag. Die Chancen erhöhen sich, wenn man auf eine geführte Trüffelsafari geht, wobei sich das Gerücht hält, das man dabei nur deshalb immer Trüffeln findet, weil sie zuvor eigenhändig vergraben wurden.

Von September bis Dezember gibt es die begehrte weiße Trüffel, die je nach Marktlage bis zu 6.000 Euro pro Kilo kostet. Die deutlich günstigere schwarze Trüffel gibt es fast das ganze Jahr über. Angeblich ist die weiße istrische Trüffel so gut, dass sie oft heimlich ins Piemont geschmuggelt wird und dort als echte Alba-Trüffel deutlich teurer verkauft wird. Es gibt aber auch das Gerücht, dass nicht jede Trüffel, die in Istrien auf den Markt kommt, tatsächlich aus Istrien stammt, sondern aus Übersee importiert und mit Aufschlag in Istrien verkauft wird.

Vor allem, wenn es sich um aromatisierte Produkte wie Trüffelpasta, Trüffelcreme oder Trüffelöl handelt, ist es für den Laien schwierig, die Herkunft zu verifizieren. Der Trüffelkauf ist eben immer Vertrauenssache. Am besten ist es daher, in einem empfehlenswerten Restaurant vor Ort Trüffelgerichte zu genießen. Je nach Gusto und Brieftasche kann man sich dann eine mehr oder weniger große Dosis des edlen Pilzes über das Gericht hobeln lassen. Fast jede ambitionierte Konoba (das sind regionstypische Gasthäuser mit offener Feuerstelle, über der etwa Steaks gegrillt werden oder wo ganze Braten unter einer Metallhaube, der »Peka«, von Glut bedeckt vor sich hinschmoren) im Hinterland bietet Trüffelgerichte an. Und dann gibt es noch den lokalen Trüffelriesen Zigante, zu dessen Trüffelimperium natürlich auch ein großes Restaurant gehört.

Die besten Öle der Welt

Olivenbäume gedeihen rund ums Mittelmeer. In südlichen Gegenden wie Griechenland, Süditalien oder Spanien ist Olivenöl ein Massenprodukt, das schon fast in industriellem Maßstab produziert wird. In nördlichen Anbaugebieten sind die Erträge deutlich geringer, die Aromaausprägung jedoch wesentlich höher. Das gilt insbesondere für Istrien, wo sich die Bauern in den letzten Jahren darauf spezialisiert haben, auch reinsortige Olivenöle zu produzieren.

Die hohe Güte der istrischen Öle zeigt sich regelmäßig bei internationalen Verkostungen. Bei einer weltweiten Olivenöl-Prämierung Flos Olei 2019 in Rom wurden die 500 besten Öle aus 52 Ländern miteinander verkostet. Darunter waren auch 75 Öle aus Istrien, womit Istrien als beste Olivenölregion der Welt ausgezeichnet wurde. Damit stellt die kroatische Adria-Halbinsel sogar so berühmte Herkunftsregionen wie die Toskana in den Schatten – und das bei einer Verkostung in Rom unter Leitung italienischer »Oleologen«. Im absoluten Spitzenfeld etablierten sich Olea B.B., Ipša, Zubin und Mate mit jeweils 97 von 100 Punkten.

Kleinstrukturierte Landwirtschaft

Trüffeln, Wein und Olivenöl sind Genussmittel, die auch in Delikatessengeschäften außerhalb Istriens hochgeschätzt werden. Und auch der Prsut – die istrische Variante des Prosciuttos – ist eine köstliche Spezialität, für die man jeden San Daniele stehen lässt. Bei Ab-Hof-Preisen von umgerechnet 70 Euro/Kilo kein Wunder... Zu den besten Produzenten zählen Edi Duniš im Dörfchen Sterna sowie die Schinkenmanufaktur Fatoric im kleinen Dorf Ferenci. Was die Gastronomie hier so besonders reizvoll macht, ist jedoch die Vielzahl an lokal produzierten Lebensmitteln, die einfach besser schmecken, als man es anderswo gewohnt ist. Kräuter und Käse, Obst und Gemüse, Geflügel und Fleisch – all das wird hier von kleinen Produzenten mit hohem Aufwand produziert, und das schmeckt man auch.

Feinschmeckerparadies Istrien

Wer nach Istrien fährt, bloß um in der Sonne zu liegen, begeht einen schweren Fehler. Nicht nur, dass die Region eine riesige Auswahl an kulinarisch spannenden Lokalen zu bieten hat – vom Haubenrestaurant bis zur urigen Konoba – auch auf Produktseite braucht sich die kroatische Halbinsel hinter legendären Genussregionen wie der Toskana oder dem Piemont nicht zu verstecken:

  • Wilder Spargel

    Wird im Frühling gepflückt und kommt in Salat, Risotto oder Eierspeisen zartbitter zum Einsatz.
  • Weiße Trüffel

    Die »Tuber magnatum pico« ist angeblich DNA-identisch mit der Alba-Trüffel aus dem Piemont, bloß dass die Preise noch nicht ganz so verrückt sind. König der istrischen Trüffel ist Giancarlo Zigante, der in seinem Restaurant in Livade die köstlichen Knollen verkocht, aber auch in mehreren Shops verkauft. 1999 kam er nach dem Fund einer 1,3 kg schweren weißen Trüffel sogar ins Guinness-Buch der Rekorde. Aber auch bei »normalen« Pilzen wird man in Istrien fündig.
  • Prsut

    Langsam reift dieser leicht salzige Rohschinken von naturgefütterten Schweinen bei den Bauern und lässt seinen italienischen Verwandten namens Prosciutto bei Qualität – und Preis – meist hinter sich. Die besten Prsuts lassen sich gar mit dem spanischen Jamón Ibérico de Bellota vergleichen.
  • Fische

    Seezungen, Meeresspinnen, Wolfsbarsche, Goldbrassen, Drachenköpfe, Sardinen, Calamari, wilde Austern, süße Scampi und vieles »Meer« – als Fischliebhaber ist man hier richtig.
  • Olivenöl

    Laut Flos Olei 2019, dem international bedeutendsten Olivenölführer, stammen 75 der besten 500 Olivenöle aus 52 Ländern aus Istrien. Das liegt am (für Oliven-Verhältnisse) eher kühlen Klima der nördlichen geographischen Lage. Auf ranzige Massenware, wie in manch anderen Mittelmeer-Tourismus­regionen, wird man hier auf kaum einem Konoba-Tisch stoßen.

    Gute Kulinarik-Tipps zu Istrien (Händler, Produzenten, Restaurants etc.) findet man unter www.istrien7.com

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