Australien light: Perth
Eine kulinarische Expedition nach Down Under
von Gabriele GugetzerGut essen kann man in allen australischen Großstädten. Und, klar: Sydney hat die Oper, Melbourne die tollen Bars. Aber »real ockers«, die liebenswerten Aussie-Originale, die einen frechen Spruch im Munde führen und was geregelt kriegen, die gibt es in Perth. Melbournians sind cool, Sydneysider eingebildet. Perth hingegen hat 19 Stadtstrände. Einer flauschiger als der andere. Gastronomisch wird nicht in Trends gedacht, sondern in Visionen. Der Indische Ozean liefert das Beste aus dem Meer, die Weinregion Margaret River erinnert an Napa Valley vor vierzig Jahren, Périgord-Trüffeln ist ein eigenes Fest gewidmet. What’s not to like?
Was macht Perth und Umgebung so besonders?
- Die relative Nähe zu uns. Einmal umsteigen, Beine ausstrecken und man ist da. Es sind nur vier weitere Flugstunden bis Sydney oder Melbourne, aber genau die machen den Jetlag fies.
- Die Menschen. Man teilt Wissen gerne, ist in einer Aufbruchstimmung.
- Die Produktqualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis.
- Die Naturnähe. 30 Minuten außerhalb der Zweimillionenstadt beginnt in den Perth Hills Entspannung pur. Margaret River und Treeton im Süden sind Oasen.
- Der Humor. Wenn Sie es brüllend komisch finden, weil Ihnen jemand eine mausetote Braunschlange (neben dem Inland-Taipan die tödlichste Schlange der Welt) innen an der Autotür so befestigt hat, dass sie Ihnen beim Öffnen derselben fast, aber eben nur fast, bis ans Kinn springt, sind Sie hier richtig. Dass das Herz kurzzeitig aussetzt, ist völlig in Ordnung.
Ein verlegter Bahnhof brachte alles ins Rollen
Dabei galt Perth bis in die 2000er-Jahre zu Recht als piefig. Dann kam ein inspirierendes städtebauliches Konzept. Der schmuddelige Bus- und Hauptbahnhof wurde in die Tiefe verlegt, darüber entstand ein ansprechendes Kultur- und Ausgehviertel. Eine weitere Erschließung, Elizabeth Quay, machte den hauseigenen Swan River zur begehrten Freizeitattraktion. Das Ritz-Carlton baute sich hier – nicht in Sydney – seine erste australische Visitenkarte und seinem Chefkoch Jed Gerrard einen echten Burner von Restaurant.
Stadtentwickler Sean Henriques holte für das 400-Milliarden-Projekt, das von der Planung bis zur Eröffnung nur 10 (in Worten: zehn) Jahre brauchte, internationale Städteplaner, Einwohner, Medien, Arbeitgeber und, ja, auch Politiker an einen Tisch. Anstatt auf noch mehr Fußgängerzonen einigte sich dieser Trupp beispielsweise auf eine Schmalversion vierspuriger Straßen, damit das Fahrtempo gedrosselt wird. So entdeckten Pendler auf dem Weg ins Büro rechts und links Cafés, Kleiderläden und witzige Restaurants. Das etwas räudige Viertel Northbridge entwickelte sich binnen kurzem zum ansprechenden Ausgehviertel und erhielt mit dem Hotel Alex ein international wahrgenommenes Aushängeschild.
Über dem Bahnhof entstand eine kleine Markthalle mit guten Lebensmittelgeschäften, Spezialitäten, Bars. Das bauliche Konzept ermöglicht es, Wände zu verschieben; das sorgt für Abwechslung und tilgt Konzepte, die nicht klappen. Sauber und junkiefrei, ist sie einladend für den Afterwork-Drink und den Einkaufssprint für den Nachtisch, bevor man in den Vorortzug springt. Fazit: Es war ein Kraftakt, denn der Bahnhof liegt mitten in der Stadt. Politikern gelang es nicht, das Projekt zur Chefsache zu machen. Stattdessen waren Einwohner und Arbeitgeber von Beginn an wichtige Stichwortgeber. Das, sagt Henriques, sei ein Schlüssel zum Erfolg gewesen.
Fisch und Meeresfrüchte von Weltrang
Der heulende Redzepi – ein Motiv, von dem jeder Koch Westaustraliens gehört hat. Bei vielen bestand Erklärungsbedarf: Wieso schnieft der Däne? Nun, nachhaltig, saisonal, regional heißt in Perth halt nicht Makrele. Was aus dem Swan River und dem Indischen Ozean an Pracht gezogen wird, treibt auch Hartgesottenen die Tränen in die Augen. Allein jeder Stadtstrand hat ein Restaurant mit Fischvielfalt (z.B. Cott & Co. in Cottesloe), Riesenbuden wie Kailis’ Fish Market im Fischereihafen von Fremantle haben, von der beeindruckenden Weinauswahl abgesehen, Stil und Charme. Ihre Speisekarte ist übrigens pfiffig in Frittiertes, Rohes (erstaunliche Meeresfrüchteplatten) und BBQ unterteilt. Viele Köche sind Surfer und kamen deshalb nach Perth und Margaret River; sie lieben das Meer, kein Wunder, dass sie fischaffin sind. Idee: Im Kailis’ nagen und knabbern ganze Familien an frittierten Fischflossen, mit ähnlicher Begeisterung wie Chinesen an Hühnerfüßen. Resteessen als Geheimtipp.
Auf Trüffelsuche im Frühjahr
Alles ist auf den Kopf gestellt in Australien – so auch die Ernte der Périgord-Trüffel, zu Ehren derer im Juni 2021 wieder das Truffle Kerfuffle-Fest stattfindet, das auch bei Profis aus Europa Interesse weckt. Erst in den 1990ern wurden Haselnusssträucher und Eichen mit Sporen geimpft. Heute produziert Manjimup 80 Prozent der inländischen schwarzen Trüffeln. Tipp: Mit Masterclasses und Hundeshows (!) wird die Bandbreite an kulinarisch Interessierten angesprochen. Die Landesregierung unterstützt diesen Mangel an Snobismus.
Wie das Weingut aufwerten?
Nicht alle Cellar Doors, wie der Ab-Hof-Verkauf heißt, ähneln feuchtfröhlichen Veranstaltungen, wo die Guides wohl Anleihen am Hamburger Fischmarkt gemacht haben. Bevor Aaron Carr sich das Yarri bauen ließ, verdankte ihm das angesehene Weingut Vasse Felix den Status als bestes Weinrestaurant des Landes. Der Leeuwin Estate hingegen ist ein Familienbetrieb mit berühmter Produktion und einer ebenbürtigen Kunstgalerie. Sie ist australischen Künstlern gewidmet und hat Museumsqualität. Gäste werden ermutigt, mit dem Probierglas in der Hand durch die Ausstellungsräume zu bummeln, als seien sie in einer coolen Ecke von Perth. Italienisch wie bei Nonna macht es die Fattoria in den Perth Hills. Der Nonna Table preist vier Gänge für 52 AUD (32 Euro) ein und bietet überdies ein Bambini-Menü.
Wein und Bier – das rat ich Dir? Wenn man will, dass Gäste es sich draußen gemütlich machen, Hunger kriegen und ein Fläschchen nach dem anderen köpfen, muss Bier mit ins Spiel, das
ist den australischen Temperaturen geschuldet. So gelingt im Mandoon einerseits eine ansprechende Gelddruckmaschine, andererseits eine glaubwürdige Destination. Ohne Location? Das Myattsfield sprach Perths Großunternehmen an. Die Manager mieten Rebstöcke, gehen auf teambildende Weinernte und tun was Gutes, denn der Erlös ihrer Arbeit kommt dem Kampf gegen Muskeldystrophie zugute. Fazit: Deutscher Bekehrinstinkt existiert hier nicht. Man vermittelt Wissen und Spaß am Genuss.
Es muss nur einer kommen ...
Greg Christian siedelte sich in Treeton an und begann auf sieben Hektar mit der Marron-Flusskrebs-Zucht. Wenn sie ein Kampfgewicht von 200 Gramm haben, können Restaurants daraus zwei Portionen machen – das ist der Vorteil der Zucht. Als die ersten Chefköche vorbeischauten, kam ein Viehzüchter auf die Idee mit Wagyu. Jemand anderer hatte die Idee mit Bioeiern, der Nächste legte einen Macadamiahain an, gerade wachsen Haine für asiatischen Zitrusluxus. So wurde nach wenigen Jahren aus einem Flecken im Nirgendwo eine angesagte Adresse für Topköche, die wiederum Genusstouristen mitziehen.
Fazit:
Treeton ist so winzig, das finden Sie auf keiner Karte. Auch so lässt sich ländlicher Raum stärken.
»Hört endlich auf mit der Tellerfummelei!«
Erst kürzlich beklagte sich ein deutscher Foodkritiker über die Unsitte Instagram-verführter Jungköche, möglichst viel zusammenhanglos auf dem Teller passieren zu lassen. Tony Howell kocht im edlen Landhaus Cape Lodge und sieht das genauso. »Sich nicht hinter der Technik verstecken«, ist ein Tony-Spruch, der sich wünschte, die Köche würden mehr auf die Strahlkraft des Produkts vertrauen und weniger auf kopierbare
Klimperideen. Die Produktqualität im Cape Lodge ist legendär, der Küchenklassiker ist Weißflecken-Zackenbarsch (oldschool mit gedünstetem Fenchel in einer Bisque serviert), auch Jakobsmuscheln, Barramundi, Herzmuscheln sind Standards. Die Kompostierung passiert direkt in der Küche, vom Landsitz kommen Feigen und Gemüse.
Im nahegelegenen Yarri (Yarri ist das Aborigine-Wort für Eukalyptusbaum) kocht Surferbuddy Aaron Carr Frisches aus der Region, aromatisiert mit Einflüssen aus der ganzen Welt. Denn als Surfer kommt man ja rum ... Vadouvanbutter für die Marron-Flußkrebse ist ein typisches Aromat. Die Gäste sind kaum in eine Klammer zu kriegen; Weinfans, die große Bouteillen ordern, verliebte Pärchen, Familien, Cliquen, die bei der Bestellung vorsichtshalber die Gemeinschaftskasse durchrechnen.
Zurück an den Herd!
Das ist das Anliegen von Jed Gerrard, dem Koch-Aushängeschild Westaustraliens. »The Hearth« ist sein Restaurant passend benannt, denn er liebt das Kochen mit offenem Feuer. »Es ist Tradition, die Aborigines machen es, der Geschmack ist hervorragend, es macht Spaß, und vielseitig ist es auch.« Jed verwendet Obstbaumholz – ganz klar, das ist keine übliche Räucherei. Ein Fischbecken ist nur lebenden Abalonen gewidmet, Jakobsmuscheln, Marrons und Hummer sind ebenfalls handgetaucht. Auch Brot holt in dieser brotaffinen Stadt den ersten Platz; es wird mit Biermaische gemacht.
Die einsehbare Küche läuft entlang der gesamten Länge des Restaurants, verbreitet einen anheimelnden und gleichzeitig sauberen Duft und gibt den Blick frei auf glühende Kohlen. Fast ein bisschen wie Alchemie wirkt das. Jedes Gericht hat mit Rauch zu tun, aber sehr subtil. Alle Produkte stammen aus Westaustralien; interessanterweise ist eine seiner Lieferanten eine Geologin. Fazit: Genüsse, die eine Reise um die halbe Welt definitiv kulinarisch rechtfertigen.
Do you speak Aussie?
- Englisch auf Australisch macht Spaß. Drei Grundregeln.
Alles wird abgekürzt:
Strayo – Australien
arvo – Nachmittag
Chardi – Chardonnay - Das »o« am Ende eines Namens zeugt von besonderer Zuneigung.
- Sprache wird neu erfunden ...
Accadacca – die Band AC/DC
esky – Kühlbox
stickie – Süßwein
thongs – Flip-Flops
Adressbox:
- Perth Hills Tour:
Up Close & Local Tours
www.upcloseandlocaltours.com.au - Perth und Margaret River Guide:
Jason Woodthorpe
www.perthluxurytours.com